E. T. A. Hoffmann – Befreier der Klänge
Heute vor 200 Jahren starb der romantische Schriftsteller E. T. A. Hoffmann. Ein genauerer Blick auf sein Leben zeigt: Ihm verdanken wir nicht nur schauerlich-düstere Literatur, sondern auch unser heutiges Verständnis von Musik.
Im Zentrum der musikphilosophischen Auseinandersetzung um 1800 steht das Verhältnis von Sprache und Musik: Ist Musik eine höhere Form von Sprache, gar ein Organon des Wissens, in dem sich Wahrheit und Wirklichkeit der Welt auf unmittelbare Weise offenbaren? Kommt der Musik eine spezifische Erkenntnisfunktion zu, indem sie etwas zum Ausdruck bringt, das sich sprachlich nicht artikulieren lässt? Einen entscheidenden Beitrag zu diesen Fragen liefert – überraschenderweise – der romantische Schriftsteller E. T. A. Hoffmann.
Hauptsächlich ist er für seine schauerlich-düsteren Erzählungen wie Der Sandmann, Die Elixiere des Teufels oder Die Abenteuer der Sylvester-Nacht bekannt. Hoffmann beleuchtet darin die als spukhaft wahrgenommene und scheinbar von geheimen Mächten dominierte Seite der Wirklichkeit. Immer wieder kreist sein Werk um das Motiv des Wahns, des Ungeheuren und Monströsen. Als großes Werk der romantischen Erzählkunst gilt auch sein Roman Lebens-Ansichten des Katers Murr. Mit ironischem Witz schildert Hoffmann darin die Memoiren eines spießbürgerlichen Katers – und karikiert so die in der Goethezeit beliebte Gattung des Bildungsromans.
Er selbst versteht sich jedoch in erster Linie als Musiker. Dabei beherrscht er dem harschen Urteil seiner Zeitgenossen zufolge nicht einmal die primäre Sprache der Musik. Als Komponist wie als Kapellmeister scheitert er kläglich und muss sich mit Privatunterricht über Wasser halten. Zuletzt ist er gezwungen, in den preußischen Staatsdienst zurückzukehren und dem bürgerlichen Broterwerb eines beamteten Juristen nachzugehen. Bis zu seinem frühen Tod im Alter von 46 Jahren krankt Hoffmann an der bitteren Misshelligkeit zwischen seinem künstlerischen Enthusiasmus und den finanziellen Zwängen einer gesellschaftskonformen Existenz.
Die Erkenntnisleistung der Musik
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