Dämmern der Zukunft
Wer ans Träumen denkt, denkt üblicherweise an Nachttraum oder Fantasterei. Dabei verdient besonders der Tagtraum unsere Aufmerksamkeit, meint Ernst Bloch. Erfüllt er vier Kriterien, ist er es, der uns in eine bessere Zukunft führt.
Nicht alle Träume haben dieselbe Richtung. Da sind zum Beispiel solche, die uns aus der Vergangenheit einzuholen scheinen. Sie versetzen uns in Zeiten, an Orte, in Gefühle, die noch immer Einfluss auf uns haben, obgleich sie schon weit zurückliegen. Plötzlich sitzen wir wieder auf den Schultern eines Erwachsenen und halten uns, den riesigen Kopf mit den Armen umschlungen, an seinem Kinn fest. Andere Träume kommen in Höchstgeschwindigkeit von vorne auf uns zu und zerspringen an der nächtlichen Imagination in unzählige, unzusammenhängende Teile. Hier tun sich absurde Welten auf. Man überquert den Atlantik (der an manchen Stellen sprudelt?) in einer leeren Flasche Ketchup, um sich im nächsten Moment in einer hitzigen Debatte mit einem langhaarigen Regisseur (und zwei Katzen?) zu befinden. Und wieder andere Träume – die überwältigende Mehrheit sogar, wenn man der aktuellen Schlafforschung Glauben schenken darf – lassen derart abenteuerliche oder tiefgreifende Qualitäten gänzlich vermissen. Sie kommen entspannt schlendernd von rechts und links, wie Passanten von rechts und links kommen. Hier geschieht Alltägliches: Wir unterhalten uns mit Freunden, tippen Zahlen in Listen, die wir nicht ganz verstehen, oder warten in einer Schlange auf unseren Kaffee.
Philosophie Magazin +

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein
- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Im Printabo inklusive
Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden
Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo
Weitere Artikel
Pragmatisch. Praktisch. Gut?
Menschen als Pragmatiker zu bezeichnen, ist ein zwiespältiges Lob. Das gilt im Alltag, derzeit aber besonders in der Politik. Pragmatismus gehört zu den Kardinaltugenden unserer Epoche. Doch zugleich impliziert er Ideenarmut und Prinzipienlosigkeit. Besonders in Deutschland besitzt die aus den USA stammende Denktradition ein zweifelhaftes Image. Sie gilt als rein zweckorientiert, theoriefern und allzu marktkonform. Dabei ist der Pragmatismus eine philosophische Bewegung, der es vor allem um eines geht: eine radikale Erneuerung der liberalen Demokratie. Also auf zur Tat!
Susan Neiman: „Viele Demokraten haben geglaubt, dass man einen Wahlkampf nach Stammesinteressen machen sollte“
Was bedeutet die zweite Amtszeit von Donald Trump für die USA? Für die Philosophin Susan Neiman ist klar, dass Trumps Politikstil die Kriterien des Faschismus erfüllt, und die Bedrohung durch ihn heute größer ist denn je. Eine Mitschuld für seine Wahl sieht sie bei der Linken.

Das Morgen stirbt nie
Das Übel der Welt ist oft zum Verzweifeln. Doch wir sollten die Hoffnung nicht aufgeben – und zwar gerade dann, wenn faktisch nichts für sie spricht. Ein Lehrstück mit Ernst Bloch und Walter Benjamin.

Netzlese
Fünf Klicktipps für den Sonntag. Diesmal mit der Ethik der Polizei, Edward Saids widersprüchlichem Denken, körperlicher Autonomie, politischen Wassermetaphern sowie Ernst Blochs Prinzip Hoffnung.

Die sichtbare Hand des Marktes
Es war keine utopische Spukgeschichte: Als Karl Marx und Friedrich Engels in ihrem 1848 erschienenen Manifest jenes „Gespenst des Kommunismus“ beschworen, das Kapitalisten in Enteignungsangst versetzen sollte, war das für sie vielmehr eine realistische Zukunftsprognose. Denn Marx und Engels legten großen Wert darauf, dass es sich im Kontrast zu ihren frühsozialistischen Vorläufern hier nicht um politische Fantasterei, sondern eine geschichtsphilosophisch gut abgesicherte Diagnose handle: Der Weltgeist sieht rot.

4. Türchen
Von der Neuerscheinung bis zum Klassiker: In unserem Adventskalender empfiehlt das Team des Philosophie Magazin bis Weihnachten jeden Tag ein Buch zum Verschenken oder Selberlesen. Im 4. Türchen: Unser Schlussredakteur der Sonderausgaben Sebastian Guggolz rät zu Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau und Aber es wird regnen von Clarice Lispector (Beide Penguin, 413 S., 25 €; 288 S., 22 €)

Götterdämmerung
Verdient Hegels Philosophie wirklich so viel Aufmerksamkeit, wie die Wissenschaft ihr heute zukommen lässt? Nein, meint Hanno Sauer. Antworten auf die Fragen, die Hegel stellte, lassen sich mittlerweile besser ohne ihn finden.

Wolfram Eilenberger: „Philosophie kann direkt in die Existenz eingreifen“
Hannah Arendt, Simone de Beauvoir, Ayn Rand und Simone Weil: Das sind die Protagonistinnen in Wolfram Eilenbergers neuem Buch Feuer der Freiheit. Schon in Die Zeit der Zauberer, dem zum Weltbestseller avancierten Vorgänger, hatte Eilenberger Leben und Denken von vier Geistesgrößen zusammengeführt. Damals waren es Ludwig Wittgenstein, Walter Benjamin, Ernst Cassirer und Martin Heidegger. Nun also vier Frauen, die ihr Denken in den finsteren 1930er und 40er Jahren entwickeln. Ein Gespräch mit dem Autor über ein Jahrzehnt, in dem die Welt in Scherben lag - und vier Philosophinnen, die die Freiheit verteidigten.
