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Bild: Rasa Kasparaviciene (Unsplash); Illustrationen: Philosophie Magazin

Fundstücke

Kriegstagebücher – Jonas, Sartre, Camus und Weil

Kuratiert von Hendrik Buchholz und Maximilian Kisters veröffentlicht am 20 Februar 2023 8 min

Wie fühlt es sich an, den Übergang vom Frieden zum Krieg zu erleben? Und was bedeutet es, wenn die Gewalt zum Alltag wird? Auszüge aus den Tagebüchern von Hans Jonas, Albert Camus, Jean-Paul Sartre und Simone Weil.

 

Hans Jonas

 

Hans Jonas erlebt die Anfänge des ersten Weltkriegs als Jugendlicher. In seinen Tagebüchern beschreibt er, wie sich sein Umfeld zu Beginn des Krieges verhält.

„Eines der prägendsten Ereignisse meiner Jugendzeit war der Ausbruch des Ersten Weltkriegs (...) Ich aber beklagte mein Schicksal, in eine Zeit und eine Welt hineingeboren worden zu sein, in der alles in bester Ordnung war und man dem wirklich Aufregenden nur in den Geschichtsbüchern, gelegentlich auch in der Zeitung begegnete. (…) Ich erinnere mich auch an die Soldaten, die bei uns die eine Nacht verbrachten. Es waren zwei Infanteristen, zwei Riesenkerle aus der Mark Brandenburg, die sich gegenseitig die wundmarschierten Füße behandelten. Einer war ein Obergefreiter, der auch das beste Zimmer bei uns bekam, und erst später stellte sich heraus, daß er während dieses kurzen Aufenthalts mit unserem überaus schönen Kinderfräulein angebandelt hatte. Sie setzte große Hoffnungen auf diese Freundschaft, die sich dann aber nicht erfüllten. Später erlitt sie einen Nervenzusammenbruch, weil er ihr schließlich in einem Brief schrieb, er wolle die Sache doch nicht fortsetzen. Ich weiß nicht, ob er ihr mitteilte, daß er verheiratet war. Jedenfalls hat er sich brieflich von ihr getrennt. Die ganze Geschichte war eine Folge der ersten Kriegstage.“ (...) 

Sein Schwager meldete sich freiwillig zum Militärdienst. Damit die Armee ihn aufnahm, mussten sie tricksen.

„Dem Alter nach fiel er, glaube ich, noch nicht so ganz in die richtige Kategorie, jedenfalls hegten er und sein Vater die ernsthafte Befürchtung, er würde, wenn er sich freiwillig meldete, nicht angenommen werden, zumal es ein ungeheures Überangebot an freiwilligen Meldungen junger Leute gab. Also fuhr sein Vater mit ihm nach Köln, wo es zu einer militärärztlichen Untersuchung kam. Um den Feldwebel, unter dessen Federführung sie stattfand, günstig zu stimmen, steckte ihm mein Onkel, Adolf Haas, ein Goldstück zu, worauf Erich für kriegsverwendungsfähig erklärt wurde. So kam er also zum Militär und diente vier Jahre, ohne daß (sic!) ihm etwas passiert wäre. Damals wurde also bestochen, um jemanden in die Wehrmacht reinzukriegen, während man später Menschen durch Bestechung davor zu bewahren versuchte. (…) In gewissen gebildeten Schichten war sowohl die Idee des Patriotismus als auch des Sich-Freiwillig-Meldens irgendwie stärker verwurzelt als bei den arbeitenden Klassen, die sich schon von Standes wegen nicht vordrängten, sondern durchaus abwarten konnten, bis die Reihe an sie kam. Daß aber die Juden größtenteils nicht zur Arbeiterklasse, sondern zur gebildeten Mittelklasse zählten, die ideologisch für den Patriotismus am anfälligsten war, könnte auch erklären, warum sich prozentual mehr Juden freiwillig meldeten, als das bei anderen Bevölkerungsgruppen der Fall war.“
(...)

Seine Mutter wich von der sonstigen Kriegseuphorie in der Familie ab.

„Während also die vaterländische Aufbruchsstimmung von 1914 auch uns ergriff, beklagte nur meine Mutter, die eine weiche Natur war, schon im voraus jeden Tod, die Verwundungen, Verkrüppelungen und alles, was mit dem Krieg verbunden war. Nicht aus einem theoretischen, grundsätzlichen Pazifismus heraus, sondern einfach aus Mitleid, aus überströmender Menschlichkeit: ‚Es ist furchtbar, es ist furchtbar!‘ Natürlich hat auch sie den deutschen Waffen Sieg und Heil gewünscht, aber gleichzeitig doch beklagt, daß es überhaupt Kriege gab.“

Hans Jonas: Erinnerungen. Nach Gesprächen mit Rachel Salamander, Suhrkamp (2003)

 

 

Albert Camus


Camus befindet sich im September 1939 in Algerien. Aus der Ferne beschreibt er seine Gedanken zum Krieg.
 

„Der Krieg ist ausgebrochen. Wo ist der Krieg? Wo können wir, abgesehen von den Nachrichten, die wir glauben, von den Anschlägen, die wir lesen sollen, die Zeichen dieses absurden Ereignisses wahrnehmen? Nicht in dem blauen Himmel über dem blauen Meer, nicht im Zirpen der Zikaden noch in den Zypressen auf den Hügeln. Und auch nicht im jugendlichen Branden des Lichts in den Straßen von Algier. 

Man möchte an ihn glauben. Man möchte sein Antlitz erkennen, aber es läßt (sic!) sich nicht fassen. Nur die Welt mit ihren großartigen Gesichtern herrscht. Im Hass gegen dieses Tier gelebt haben, es vor sich haben und nicht imstande sein, es zu erkennen. So wenig hat sich verändert. Später kommt dann ohne Zweifel der Kot, das Blut und der ungeheure Ekel. Aber am heutigen Tag wird einem nur klar, daß (sic!) es mit dem Ausbruch von Kriegen ähnlich bestellt ist wie mit dem Beginn des Friedens: die Welt und das eigene Herz bemerken ihn nicht.“
 
*
 
„Ein kalter Wind weht zum Fenster herein. 
Mama: ‚Das Wetter schlägt um.'
‚Ja.'
‚Werden wir während des ganzen Krieges die Beleuchtung einschränken müssen?'
‚Wahrscheinlich schon.'
‚Im Winter wird das traurig sein.'
‚Ja.'“
 
*
 
„Man hat sich gefragt, wo der Krieg sei, was er Niederträchtiges an sich habe. Und man entdeckt, daß (sic!) man weiß, wo er ist, dass man ihn in sich trägt – daß (sic!) er für die meisten dieses Unbehagen ist, dieser Zwang, zu wählen, der sie hinausziehen und gleichzeitig bereuen läßt (sic!), dass sie nicht mutig genug waren, sich fernzuhalten, oder der sie sich fernhalten läßt (sic!), wobei es ihnen gleichzeitig leidtut, den Tod der anderen nicht zu teilen. 

Er ist da, wirklich da, und wir suchten ihn im blauen Himmel und in der Gleichgültigkeit der Welt. Er ist in dieser fürchterlichen Einsamkeit des Kämpfenden und des Nicht-Kämpfenden, in dieser demütigenden Verzweiflung, die allen gemeinsam ist, und in jener Erniedrigung, die man in täglich zunehmendem Maße in den Gesichtern aufsteigen sieht. Die Herrschaft der Tiere ist angebrochen.“
 

Albert Camus: Tagebuch. Mai 1935-Februar 1942. Übersetzt von Guido G. Meister, Rowohlt (1963)

 

 

Jean-Paul Sartre

 

Dezember 1939. Polen wurde von Deutschland überfallen. Frankreich hofft, dass die Deutschen keine Offensive gegen den Westen Europas beginnen. Am 5. Dezember formuliert der französische Philosoph Jean-Paul Sartre seine Gedanken zu einem Artikel, den er Tage zuvor gelesen hat. Deutschland befinde sich nach Meinung des Redakteurs „X.“ in einem „Kriegsfrieden“; heißt: Schwere Kriegshandlungen und -gebärden, die mit militärischer Stärke einschüchtern, aber keinen totalen Krieg provozieren sollen.
 
„Dieser Kriegs-Frieden, über den X. so gescheit redet, erlaubt es, die Fortsetzung zu verstehen, das, was wir erleben: den Friedens-Krieg. Der Übergang vom einen zum anderen geschieht unmerklich. Und zwar aus zwei Gründen: 1. Deutschland wollte den Krieg nicht. Es war vor allem an jener Form von internationalen Beziehungen interessiert, dem Kriegs-Frieden, die ihm besonders günstig waren. Es hat in Polen eine heikle Partie gespielt und nicht verstanden, den ‚kritischen Punkt' zu bestimmen. In seinen Augen wird die Partie immer auf der Ebene des ‚Kriegs-Friedens' gespielt; es lehnt den totalen Krieg ab, weil es ihn nicht führen kann. 

2. Aber den demokratischen Mächten geht es im Wesentlichen darum, Sanktionen anzuwenden. Im Grunde halten sie sich an die Genfer Konvention und an die friedliche Technik der Sanktion, wie zur Zeit des Abessinienkriegs[1]. Hier wie dort geht es darum, eine Aggression zu bestrafen. Nur wissen sie, durch die äthiopische Erfahrung gewitzt, daß (sic!) man, um wirtschaftliche Sanktionen gegen eine Nation mit Erfolg anwenden zu können, diese Nation zuvor gezwungen haben muß (sic!), sich auf den totalen Krieg einzulassen. So haben die französischen Armeen an der deutschen Grenze kein anderes Ziel, als Deutschland zu einer Kriegswirtschaft zu zwingen, um so die Blockade wirksam zu machen. So daß (sic!) der totale Krieg das Gespenst bleibt, mit dem die kriegführenden Parteien drohen wie zur Zeit des Kriegs-Friedens. Was tut Hitler denn anderes, wenn er uns mit einer Landung in England, mit einem Fliegerangriff auf London usw. droht, als das Phantom des totalen Krieges zu beschwören? (...)  (J)eder der Kriegführenden rechnet mit einem Aufstand beim Gegner, der ihm den Gebrauch der Waffengewalt ersparen soll. Bleibt noch die Möglichkeit, die Entscheidung auf fernen Schlachtfeldern zu suchen, in Ländern, die nicht durch Befestigungen verteidigt sind und wo Expeditionskorps aufeinandertreffen. Wenn beispielsweise Rumänien von einer deutschen Armee überfallen wird und wir Verstärkung hinschicken. In diesem Fall wird der Krieg wieder den Aspekt der alten Konflikte annehmen (derer vor 1914), wo, wie J. Romains sagt, der Besiegte entscheidet, dass er besiegt ist. (…) Dieser Krieg ist also: Genfer und wirtschaftliche Sanktionen auf der einen Seite und Kriegs-Frieden auf der anderen. Das gemeinsame Anliegen der Kriegsführenden ist, es nicht zum totalen Krieg kommen zu lassen. “ 
 
Jean-Paul Sartre: Tagebücher. November 1939 bis März 1940. Übersetzt von Eva Moldenhauer, Aufbau Verlag (1987)

 

 

Simone Weil

 

In ihren Notizbüchern (Cahiers) schreibt sie 1941 Gedanken zu Kriegen im Allgemeinen auf, sie befindet sich zu der Zeit in Marseille im Exil. 

„Die Berührung mit der Gewalt ist hypnotisierend; versenkt einen in den Traum. Selber die erwachte Gewalt erleiden, wach mit ihr umgehen - aber Vorsicht: denn es gibt neben anderen Seiten des Schlafzustandes eine Illusion extremer Hellsichtigkeit, die nicht das Wachen ist - Bei den anderen, wenn man sie in den Traum versenkt, darauf achten, daß es der quälende Traum ist, der den Wunsch zu erwachen eingibt (aber nicht so grauenvoll, daß er diesen Wunsch sogar austreibt), und ihnen eine Möglichkeit des Erwachens offenhalten. Kriterium: die Angst vor und der Geschmack am Töten.

Das eine und das andere vermeiden. Wie? In S(panien) erschien mir das als eine übermächtige, nicht lange zu ertragende Anstrengung. Also so werden, daß man sie ertragen kann. So wie man in der Komposition, beim Komponieren von Musik oder beim Schreiben von Gedichten, eine bestimmte innere Stille der Seele vor Augen hat, und wie man die Töne und Wörter so anordnet, daß das Trachten nach dieser Stille für einen anderen spürbar wird - genauso die Waffen und der Wunsch nach Frieden. (...)

Der Krieg soll nur ein Mittel zur Überzeugung sein (in allen drei Fällen).

Der Wunsch nach Frieden, nach Sicherheit, nach Leben - Man kann hier das ‚satyâh kâmá anrtâpidhânäh' (dt. ‚Die Wünsche, die Wirklichkeit sind, werden vom Unwirklichen verschleiert.') anwenden. Nicht darauf verzichten, selbst wenn man fast sicher ist, getötet zu werden; bedauern, daß (sic!) es sein muß (sic!); aber die Sehnsucht, den Traum von der Sicherheit in sich auslöschen; in sich hinabsteigen bis zum wahren Wunsch. Dann Mut ohne Grausamkeit .. Genauso für die Notwendigkeit des Tötens; aber hier große Gefahr.
Die Liebe zum Leben in sich unversehrt erhalten (nicht wie Achilleus), niemals den Tod verhängen, ohne ihn für sich anzunehmen. (…)

Mein Grundgedanke von 1934; Nicht der Zweck zählt, sondern die Konsequenzen, die im Mechanismus der eingesetzten Mittel selbst enthalten sind. Das trifft zu, wenn die Mittel in ihrer Struktur, in ihrem Mechanismus nicht ihrem Zweck angepaßt (sic!) sind. Aber sie müssen es sein.“

 

Simone Weil: Cahiers 1, Aufzeichnungen. Übersetzt aus dem Französischen von Elisabeth Edl, Wolfgang Matz, Carl Hanser Verlag (1991) •

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