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Bild: Deutsches Historisches Museum

Ausstellung

Was ist Aufklärung?

Leander Berger veröffentlicht am 12 November 2024 6 min

Wissenschaftsglaube, moralischer Konsum und Kritik des Eurozentrismus – die Aufklärung des 18. Jahrhunderts ist uns näher, als wir vielleicht meinen. Wie nah, zeigt eine Ausstellung im Deutschen Historischen Museum.

 

Die Frage „Was ist Aufklärung?“ verdankt sich einem Streit über die Ehe. Im Jahr 1783 lieferten sich Johann Erich Biester und Johann Friedrich Zöllner in der Berlinischen Monatsschrift eine Diskussion über den Einfluss der Kirche auf den Akt der Eheschließung. Biester, für den die Kirche im Privaten nichts zu suchen hat, appelliert an den freien Geist seiner Zeitgenossen: „für aufgeklärte bedarf es doch wohl all der Zeremonien nicht.“ Diese Frechheit veranlasst Zöllner, Pfarrer von Beruf und in Sorge um die Zukunft guter Sitten angesichts der „elenden Romanen- und Komödienschreiber“ und einer um sich greifenden Libertinage, in einer Fußnote zur entrüsteten Gegenfrage: „Was ist Aufklärung? Diese Frage, die beinahe so wichtig ist, als: Was ist Wahrheit, sollte doch wohl beantwortet werden, ehe man aufzuklären anfinge! Und noch habe ich sie nirgends beantwortet gefunden!“

Der Kampf um den Begriff der Aufklärung war im 18. Jahrhundert ein Kampf um die Deutungshoheit über die eigene Gegenwart. Nicht nur Immanuel Kant, auch Moses Mendelssohn und andere Autoren sahen sich daher von Zöllner provoziert, in Verteidigung ihrer liebsten Selbstzuschreibung zu gehen, um zu erläutern, wie ein Begriff zugleich eine Epoche und eine Haltung beschreiben kann. Dem Geist dieser Zeit, in der eine Fußnote eine zeitgeschichtliche Kontroverse auslösen konnte, widmet das Deutsche Historische Museum nun bis zum 6. April 2025 eine Sonderausstellung.

 

Streiten als Volkssport

 

Das erste der rund 400 Exponate ist das Titelblatt von Kants Aufsatz Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?. Darin verlangt er den mutigen öffentlichen Gebrauch der Vernunft und spezifiziert: „Ich verstehe aber unter dem öffentlichen Gebrauche seiner eigenen Vernunft denjenigen, den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht.“ Diese Leserwelt war in der frühen Neuzeit sprunghaft gewachsen: Zwischen 1500 bis 1800 war in Europa die Zahl gedruckter Bücher von rund 10 Millionen auf über 600 Millionen angestiegen. Lesen und Literaturkritik wurden zum geselligen Volkssport, Streit gehörte zum guten Ton. Das zeigen in der Ausstellung eindrücklich die verschiedenen Abbildungen von Kaffeehäusern, Tischrunden und Lesungen. Einen echten Höhepunkt in dieser Reihe bildet ein Gemälde des „Maler-Aufklärers“ Léonard Defrance, auf dem eine Buchhandlung in Lüttich zur konkreten Utopie religionspolitischer Eintracht wird: Während eine junge elegante Dame und ein Mönch sich lächelnd ins Gespräch vertiefen, reichen sich wenige Meter weiter Katholik und Protestant die Hände. Hinter ihnen: Werbung für die aktuellen Bestseller Rousseaus, d’Alemberts und Montesquieus.

Den intellektuellen Sportsgeist der Zeit regten auch die sogenannten „Preisfragen“ an, die von den zahlreichen europäischen Akademien in fast schon frecher Abstraktheit ausgerufen wurden: 1736 etwa wollte die Académie Royale des Sciences wissen: „Wie breitet sich Licht aus?“. Und in einer 1783 ausgelobten Preisfrage spitzt sich die ganze Ambivalenz des Zeitalters zu: „War die Entdeckung Amerikas nützlich oder schädlich für die Menschen?“ Diese Frage, die auf den Abolitionisten Abbé Rainald zurückgeht, sollte offenbar zu selbstentlarvenden Gegenfragen herausfordern: Wer sind hier „die Menschen“? Die indigene Bevölkerung des amerikanischen Kontinents, die europäischen Kolonisatoren – oder die Menschheit als Ganze? Und was heißt hier „nützlich“?

Das gegenwärtig viel diskutierte Paradox eines eurozentrischen, exklusiven Universalismus wird auch in der Ausstellung zum Thema. So erfahren wir über den späteren US-Präsidenten Thomas Jefferson, dass er das Kunststück zustande brachte, gleichzeitig Sklavenhalter und Co-Autor jener unerhörten ersten Sätze der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung zu sein: „Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich: dass alle Menschen gleich geschaffen sind; dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet sind; dass dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören.“

 

Vertraut und fremd zugleich

 

Angesichts dieser und vieler weiterer Zeugnisse aufklärerischer Selbstwidersprüchlichkeiten setzt die Ausstellung auf entlarvende Nachbarschaften statt auf den erhobenen Zeigefinger. Das hält die Urteilskraft trotz dämmriger Museumsluft frisch und sorgt immer wieder für Überraschungen, auch positiver Art. Darüber vor allem, was es im 18. Jahrhundert auch schon alles gab – nur eben anders. Konsumverzicht als politisches Mittel zum Beispiel: Ende des 18. Jahrhunderts rufen die „Saccharisten“ zum Zuckerverzicht auf, um der auf Sklaverei beruhenden Zuckerindustrie vom britischen Teestübchen aus einen empfindlichen Stich zu versetzen, und allen, die auf ihre Süßung nicht verzichten wollen, den Genuss zu verderben: „Unser Konsum der Ware hängt so eng mit dem daraus entstehenden Leid zusammen, dass wir mit jedem Pfund Zucker zwei Unzen Menschenfleisch essen“, gibt 1791 der Abolitionist William Fox seinen Zeitgenossen zu bedenken. Und der Facebook-User wird zum Wiedergänger einer frühmodernen Ökonomie der Freundschaft angesichts dessen, wie sich Voltaire in seiner „Kammer des Herzens“ und Johann Wilhelm Gleim in seinem „Freundschaftstempel“ täglich mit bis zu 200 Portraits bzw. Profil-Bildern ihrer „Freunde“ umgaben.

„Unsere Ausstellung soll keine Wunderkammer sein und auch kein Panorama des achtzehnten Jahrhunderts und der Gedanke an eine Vollständigkeit liegt uns fern“ unterstrich Kuratorin Liliane Weissberg zur Eröffnung. Doch genau dies glückt der Ausstellung: Ein Gefühl für eine gleichzeitig vertraute und sehr ferne Zeit zu vermitteln, deren Objekte heute bisweilen wie aus einer Wunderkammer wirken. Während sich das zweite Stockwerk insbesondere der Ideengeschichte zwischen Antikenverehrung, Sklaverei und Französischer Revolution widmet, liegt im ersten Stock der Fokus auf den Wissenschaften. Vor allem dank des geradezu religiös verehrten Isaac Newtons gewinnen die Naturwissenschaften im 18. Jahrhundert an Popularität und Selbstbewusstsein. Alles ist prinzipiell erkennbar – alles soll sich aber auch anschaulich und unterhaltsam erklären lassen können. Nutzen und Gefahren der Elektrizität vermittelt auf intime Weise die Venus electrificata: Eine Maschine, mit der Frauen elektrostatisch aufgeladen werden, damit im Augenblick vor dem Kuss ein Funke zwischen den Lippen des Liebespaares überspringt. Und die Fisch-Zeichnungen von Marcus Élieser Bloch oder Buffons „Naturgeschichte der Vierfüßer“ sind Ausdruck naturwissenschaftlicher Forschung, für die ästhetische und narrative Qualität zur Methode gehörten.

 

Und am Ende steht: ein prometheischer Affe?

 

Dem Problem der Vollständigkeit begegnet die Ausstellung auf raffinierte Weise. Viele der Themen, die nicht oder nur kursorisch angesprochen werden – etwa die „Jüdische Aufklärung“ der Haskala –, finden ihren Platz in den 21 Videointerviews und der beeindruckenden Sammlung von Fachaufsätzen im Ausstellungskatalog. Über den Besuch der Exponate hinaus gelingt es der Ausstellung damit, ihren eigenen diskursiven Resonanzraum zu schaffen und am Ende des Katalogs sogar Jürgen Habermas auf die Frage antworten zu lassen: „Was ist Aufklärung?“.

Kants Beantwortung dieser Frage ist von Zukunftsoptimismus getragen. Aufklärung findet gerade statt, steht aber – mit allen guten Folgen für die Menschheit – auch noch bevor. Ohne eigenen Hinweis unter dem Exponat, bleibt den Besuchern zu Beginn der Ausstellung beinahe unentdeckt, dass auf der gegenüberliegenden Seite von Kants Aufsatz in der Berlinischen Monatsschrift eine zweite, kleine Geschichte der Aufklärung steht. Das Gedicht mit dem Titel „Der Affe. Ein Fabelchen“ ist mit einem „Z“ unterschrieben – mutmaßlich steckt dahinter jener Johann Friedrich Zöllner, der die Debatte wenige Monate zuvor losgetreten hatte: „Ein Affe setzt einst einen Hain/ Von Zedern nachts in Brand,/ Und freute sich dann ungemein,/ als er’s so helle fand./„Kommt Brüder, seht, was ich vermag: Ich, – ich verwandle Nacht in Tag!/ Die Brüder kamen groß und klein,/ Bewunderten den Glanz/ Und alle fingen an zu Schrein:/ Hoch lebe Bruder Hans!/ „Hans Affe ist des Nachruhms werth,/ Er hat die Gegend aufgeklärt.“ 

Ein prometheischer Affe, ein animalischer Mensch als Brandstifter der Welt. Noch vor Kants berühmter Antwort hatte die Aufklärung bereits ihre innere Dialektik formuliert – mit dem ihr eigenen Witz.


Leander Berger studierte Philosophie in Leipzig, Wien und Basel. Er schreibt als freier Autor für die Badische Zeitung, die FAZ, DLF Kultur.

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