Eine Frage der Klasse
Die Mittelschicht, heißt es oft, habe die Arbeiterklasse ersetzt. Doch die soziale Realität sieht anders aus, betont Christian Baron. Wer sie verstehen will, sollte am Begriff der Klasse festhalten.
Auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es Das junge Politik-Lexikon, das „750 politische Begriffe für Kinder ab dem Grundschulalter“ erklärt. Einer davon: „Klassengesellschaft“. Der Beitrag kommt zu folgendem Schluss: „Heute spricht man nicht mehr von ‚Klassen‘, sondern von unterschiedlichen Gesellschaftsschichten oder sozialen Umfeldern“. Kategorischer ließen sich die soziologische Forschung und die gesellschaftspolitische Debatte der vergangenen Jahre kaum ignorieren. Denn von Klassen sprechen nicht mehr nur Marxisten. Angesichts massiv steigender sozialer Ungleichheit setzt sich die Gewissheit durch, dass die Klassengesellschaft nie fort war. Sie hat jedoch ihre Gestalt verändert.
Die Industrien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts schwanden in Westdeutschland seit dem Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre rapide. Weil der weiße, männliche Industriearbeiter als Norm galt, schien dessen Niedergang gleichbedeutend mit dem Ende einer ganzen sozialen Klasse. Zieht man dagegen die Trennung von Produktionsmitteln und die abhängige Lohnarbeit als Kriterien heran, dann war die Arbeiterklasse in der Geschichte der BRD nie größer als heute.
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