Kafka – Der Briefliebhaber
Der Briefwechsel mit Felice Bauer zeigt: Kafka ist kein entrückter Sonderling, sondern Grenzgänger und Brückenbauer. Doch gelingt ihm die postalische Erweiterung der Wirklichkeit?
Entgegen der üblichen Auffassung besaß Kafka, der „Junggeselle der Weltliteratur“, eine charmante und einnehmende Art gegenüber Frauen. Ein glückliches Leben zu zweit blieb ihm dennoch versagt, was meist als Konsequenz seiner Selbstzweifel und seines Schaffensdrangs gedeutet wird. Für Kafka stehen „Leben“ und „Schreiben“ in einem unvereinbaren Widerstreit zueinander. Sie bilden das unentrinnbare Entweder-oder, zwischen dessen Fronten er sich eingespannt sieht, ohne je den rettenden Mittelweg zu finden. Wenn Philosophieren, wie Montaigne festhält, sterben lernen heißt, ist Kafka über diesen Punkt gar hinaus: Er will schon gestorben sein, um endlich schreiben zu können. Jedenfalls würde er sich seinem Werk am liebsten in völliger „Abgeschiedenheit“ widmen, „nicht ‚wie ein Einsiedler‘“, so Kafka selbst, „das wäre nicht genug, sondern wie ein Toter“.
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Die neue Sonderausgabe: Der unendliche Kafka
Auch hundert Jahre nach seinem Tod beschäftigt und berührt Franz Kafka. Fast unendlich erscheint der Interpretationsraum, den sein Werk eröffnet.
Der philosophischen Nachwelt hat Kafka einen Schatz hinterlassen. Von Walter Benjamin und Theodor Adorno über Hannah Arendt und Albert Camus bis hin zu Giorgio Agamben, Gilles Deleuze und Judith Butler ist Kafka eine zentrale Referenz der Philosophie. Überlädt man ihn damit zu Unrecht mit posthumen Deutungen? Vielleicht. Sein Werk lässt sich aber auch als Einladung lesen, seine Rätselwelt zu ergründen und im Denken dort anzuknüpfen, wo er die Tür weit offen gelassen hat.
Hier geht's zur umfangreichen Heftvorschau!

Rüdiger Safranski: „Kafka pflegt einen Absolutismus der Literatur“
Existenzielle Schuldgefühle plagten Kafka, der heute vor 100 Jahren gestorben ist. Ihr Ursprung, meint Rüdiger Safranski, liegt im Konflikt zwischen Leben und Schreiben. Im Gespräch erläutert er, wie Kafka beide Pole fast versöhnt und was seine Texte philosophisch so ergiebig macht.

Kafka – Stationen eines Lebens
Franz Kafka war nicht nur Schriftsteller, sondern auch Liebhaber, Bruder, Jude, Angestellter, Briefschreiber, Kinogänger.
Die ihn prägenden Beziehungen, historischen Ereignisse und seine wichtigsten Werke zeigt dieser Überblick.

Gregor Schneider: „Wir können viel von Sterbenden lernen“
Für sein Projekt Ars Moriendi platziert der Künstler Gregor Schneider digitale Abbilder von Sterbenden im Münchner Stadtraum. Wir haben mit ihm über die Sichtbarkeit des Todes und Avatare als Grenzgänger zwischen den Welten gesprochen. Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.

Sarvepalli Radhakrishnan (1888–1975)
Staatspräsident, Brückenbauer und einflussreicher Religionsphilosoph
Dirk Oschmann: „Was mit Freiheit zu gewinnen wäre, bleibt unklar“
Das Versprechen der Freiheit ist ein zentraler Baustein der Moderne. In Kafkas Romanen zeigt sie dagegen ihre Schattenseite, erklärt Dirk Oschmann. Ein Gespräch über das Vertrautsein mit der Welt, Amerika als Strafkolonie und Kafkas „Stufen der Scheinbarkeit“.

Aktbilder eines Romans
Am 12. Mai jährte sich der Geburtstag des Ausnahmekünstlers Joseph Beuys zum 100. Mal. Aus diesem Anlass zeigt das Hessische Landesmuseum Darmstadt dessen Erweiterung von James Joyce Ulysses ins Erotische.

Kafka als Zeichner
Franz Kafka schrieb nicht nur Weltliteratur, wie ein Band mit seinen Zeichnungen enthüllt. In diesen Werken zeigt sich der Humor des großen Schriftstellers. Dieser Text ist zuerst bei Monopol erschienen.
