Wer war Theodor W. Adorno?
Der bekannteste Vertreter der Kritischen Theorie ist eine widersprüchliche Persönlichkeit. Er schreibt den Intellektuellen „unverbrüchliche Einsamkeit“ vor, wird jedoch in den 1960er-Jahren auch in den Massenmedien Radio und Fernsehen zum Star; und als Studierende 1969 das Frankfurter Institut besetzen, lässt der Ordnungskritiker es von der Polizei räumen.
KINDHEIT
Theodor W. Adorno wurde 1903 in Frankfurt geboren. Seine Mutter war die gefeierte Opernsängerin Maria Calvelli-Adorno, sein Vater der erfolgreiche jüdische Weinhändler Oscar Alexander Wiesengrund. Der junge Adorno wuchs in wohlhabenden Verhältnissen auf. Im Jahr 1921 begann er sein Studium der Soziologie, Philosophie und Psychologie an der Universität Frankfurt. Außerdem erhielt er in den 1920er-Jahren Kompositionsunterricht bei dem Starkomponisten Alban Berg in Wien. Ganz in die Fußstapfen seiner Mutter tretend, strebte er zunächst eine musikalische Karriere an und arbeitete als Komponist und Musikkritiker. 1931 reichte er schließlich eine philosophische Habilitationsschrift an der Universität Frankfurt ein.
EXIL
Adorno, der die Gefahren des aufkommenden Nationalsozialismus früh erkannte, entschied bereits in den frühen 1930er-Jahren, Deutschland zu verlassen. Die Jahre 1934 bis 1937 verbringt er in Oxford, wo er unter anderem seinen Essay „Über Jazz“ unter dem Pseudonym Hektor Rottweiler verfasste. Es ist eine schonungslose Kritik der zeitgenössischen Massenkultur, die seine Analyse der „Kulturindustrie“ vorbereitete, jedoch auch auf starke Gegenkritik stieß. 1938 entschied er sich, mit seiner Frau Gretel Adorno nach New York überzusiedeln. Hier wurde er erstmals Vollmitglied des Instituts für Sozialforschung und beginnt vor allem in enger Zusammenarbeit mit Max Horkheimer, an einigen der wichtigsten Schriften der Kritischen Theorie zu arbeiten. Dies ist einerseits die „Dialektik der Aufklärung“, die 1947 in Amsterdam – im Exilverlag Querido – verlegt wird. Adorno und Horkheimer verfassen diese monumentale Schrift als Antwort auf die Schrecken des Nationalsozialismus und auf die Frage, wie es sein kann, dass der gesellschaftliche Fortschritt diese nicht besser, sondern barbarischer macht. Sie untersuchen die Bedingungen des Faschismus, der in ihrer Interpretation aus der Mitte der Zivilisation erwächst. Ihr Blick richtet sich deshalb nicht auf bestimmte Individuen oder Klassen, sondern auf gesellschaftliche Strukturen. Der Grundgedanke lautet: Sosehr Aufklärung auch die Grundlage für die Freiheit und Vernunft der Menschen in der modernen Gesellschaft ist, so ist in ihrem ordnenden, mathematischen Denken doch auch der Keim für das Böse angelegt. Damit verstehen sie Geschichte nicht mehr in einem teleologischen Sinne, wie zuvor Hegel oder Marx, sondern als dialektischen Prozess, in dem auch immer wieder der Rückschritt in die Barbarei droht. Außerdem führt das Institut für Sozialforschung in dieser Zeit unter Adornos Leitung die „Studien zum autoritären Charakter“ durch, die diesen Gedanken eine empirische Grundlage geben sollen. Die F-Skala (Faschismusskala) analysiert anhand von empirischen Umfragen zugrunde liegende Persönlichkeitsstrukturen, um zu ermitteln, warum Menschen zu faschistischem Gedankengut neigen.
SPÄTE JAHRE
Nach dem Ende des Krieges und reiflicher Überlegung kehrt Adorno wieder nach Deutschland zurück und beginnt in Frankfurt zu lehren. 1952 wird er unter Horkheimers Leitung stellvertretender Geschäftsführer des wieder neu eröffneten Instituts für Sozialforschung, 1958 übernimmt er dessen Position. Während der Studierendenproteste in den 1960er- und 1970er-Jahren wird er häufig dafür kritisiert, nicht radikal genug zu sein, beziehungsweise seinen Worten keine dringend notwendigen Taten folgen zu lassen. Adorno hingegen sieht im Denken den eigentlichen radikalen Akt: In der Theorie könne man die herrschende Ordnung anklagen oder gar stürzen. Die „Dialektik der Aufklärung“ erscheint erst 1969 in Deutschland, nachdem sie zuvor nur als Raubdruck unter Studierenden verbreitet worden war. Sie hat das politische Denken in Westdeutschland seitdem maßgeblich beeinflusst. 1966 schreibt Adorno ein weiteres Hauptwerk: Die „Negative Dialektik“. Drei Jahre später stirbt er im Alter von 65 Jahren in der Schweiz. •
HAUPTWERKE
„Dialektik der Aufklärung“ – 1944
„The Authoritarian Personality“ – 1950
„Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben“ – 1951
„Negative Dialektik“ – 1966
„Ästhetische Theorie“ – 1970