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Bild: Gina Haller und das Schauspielhaus Bochum, Foto: © Brüggemann/Holtgreve/Kruse/Ostkreuz

Impuls

Wie viel Redefreiheit ist zu viel?

Stefan Rinner veröffentlicht am 09 April 2025 6 min

Freie Meinungsäußerung ist ein hohes Gut. Wenn sie jedoch zum Deckmantel für abwertende und manipulative Rede wird, untergräbt sie die Freiheit. Eine sprachphilosophische Einordnung. 

 

Am 14. Februar 2025 warf der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, JD Vance, in seiner Rede auf der Sicherheitskonferenz in München europäischen Staaten einen zu restriktiven Umgang mit der Redefreiheit vor. Die Botschaft: Man solle sich hier ein Beispiel an den Vereinigten Staaten nehmen, insbesondere unter der Trump-Regierung. Tatsächlich pflegen die Vereinigten Staaten historisch einen äußerst liberalen Umgang mit der Redefreiheit und gerade die Trump-Regierung hat ein Interesse daran, die Grenzen des Sagbaren weiter auszudehnen; zumindest da, wo es ihrer rechtspopulistischen Rhetorik förderlich ist (anderenfalls schreckt sie selbst vor Zensur nicht zurück). 

 

Die Grenzen des Sagbaren verschieben

 

Die Rede auf der Sicherheitskonferenz kurz vor den Wahlen in Deutschland war als Unterstützung europäischer Parteien gedacht, die ein ähnliches Ziel verfolgen, nicht zuletzt der AfD. Dabei ist der Umgang mit der Redefreiheit in den Vereinigten Staaten aus sprachphilosophischer Sicht problematisch – auch abgesehen von den Versuchen der Trump-Regierung, die Grenzen des Sagbaren weiter zu verschieben. So liegt ihm u.a. ein falsches Verständnis von sprachlicher Abwertung und Manipulation zugrunde.

Die Redefreiheit ist im 1. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten festgeschrieben. Eingeschränkt wird sie nur durch einige (wenige) Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. So können Einschränkungen der Zeit, des Ortes und der Art und Weise zulässig sein, wenn diese unabhängig vom Inhalt der Rede gerechtfertigt werden können und es genügend alternative Zeitpunkte, Orte bzw. Weisen gibt, denselben Inhalt zu vermitteln. Einschränkungen bezüglich des Inhalts von Rede bestehen so gut wie gar nicht. Ausnahmen sind Verleumdung und die Aufforderung zu unmittelbar bevorstehenden gesetzwidrigen Handlungen.

 

Eingebetteter Liberalismus

 

Gegen ein solches ultraliberales Verständnis von Redefreiheit wird oftmals eingewendet, dass die meisten Verwendungen von abwertender und manipulativer Sprache sowie die Verbreitung von Falschinformationen unter dem Deckmantel der Redefreiheit stattfinden können. Die Schäden, die dies für eine Demokratie nach sich zieht, so das Argument, können nicht zuletzt im Kontext der Präsidentschaft Donald Trumps abgelesen werden, ganz zu schweigen von den psychologischen und sozialen Schäden, welche die Verwendung abwertender und manipulativer Sprache bei einzelnen Bürger:innen verursacht.

Aus diesen Gründen pflegen die meisten europäischen Demokratien einen restriktiveren Umgang mit der Redefreiheit. So schränkt Deutschland Artikel 5 des Grundgesetzes zur Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft durch § 130 des Strafgesetzbuches zur Volksverhetzung ein. Dieser verbietet es u.a., andere Menschen böswillig zu beschimpfen, verächtlich zu machen und dadurch in ihrer Würde zu verletzen. Solche Einschränkungen der Redefreiheit haben in Europa und insbesondere in Deutschland nicht zuletzt historische Gründe.

Dennoch werden sie oftmals kritisch gesehen. Ein häufig vorgebrachtes Argument ist, dass Einschränkungen, welche den Inhalt von Rede betreffen, letztlich zu mehr Schäden führen, als sie verhindern, zumal man Regierungen nicht zutrauen kann, genau und unparteiisch zwischen „schlechter“ und „guter“ Rede zu unterscheiden. Die beste Weise, abwertender und manipulativer Rede zu begegnen, sei mehr Rede in Form von Gegenargumenten und Richtigstellungen, z.B. in Form von Faktenchecks.

 

Mills Ultraliberalismus

 

Ein solches Argument für einen ultraliberalen Umgang mit der Redefreiheit findet sich bereits bei John Stuart Mill. Nun muss man Mill zugutehalten, dass er nicht in Zeiten des Internets und der sozialen Medien gelebt hat, wo einem Elon Musk eine Plattform wie X mit fast 200 Millionen Followern zur Verfügung steht. Niemand, der den dort verbreiteten Auffassungen mit Gegenargumenten begegnen möchte, hat eine vergleichbare Reichweite, was liberale Überlegungen à la Mill ad absurdum führt. Und selbst wenn wir die Ungleichheit in der Reichweite außer Acht lassen, liegt dem ultraliberalen Verständnis von Redefreiheit noch immer ein viel zu naives Bild von abwertender und manipulativer Sprache zugrunde, das sie auf eine Ebene mit argumentativer Rede stellt, wie wir sie zumeist in den Wissenschaften finden und zurecht einfordern. Es besteht in der Sprachphilosophie mehr oder weniger Einigkeit dahingehend, dass zumindest ein Großteil abwertender und manipulativer Sprache diesen Standards nicht gerecht wird. Lassen Sie mich dies am Beispiel des so genannten impliziten Gehalts veranschaulichen.

Wie Tali Mendelberg in dem Buch The Race Card argumentiert, war es vor den 1930er Jahren im amerikanischen politischen Diskurs akzeptiert, rassistische Einstellungen auszudrücken (inklusive der Verwendung abwertender Ausdrücke). Bis zu den 1960er Jahren ist diese Norm der Ungleichheit immer weiter erodiert, um dann, so Mendelberg, umzuschlagen: Offener Rassismus wurde zunehmend inakzeptabler und die meisten Wähler:innen wollten weder vor anderen noch vor sich selbst als rassistisch gelten. Dies hat dazu geführt, dass rassistische Einstellungen in politischen Diskursen vermehrt implizit ausgedrückt wurden. Etwas vereinfacht gesagt, unterscheidet sich der implizite Gehalt einer Äußerung darin von ihrem explizitem Gehalt, dass Letzterer negiert oder verneint werden kann („Das stimmt nicht“). Implizitem Gehalt zu begegnen, ist meist mit einem erheblich größeren sprachlichen Aufwand verbunden. Eine Art von implizitem Gehalt, die dies verdeutlicht, sind Voraussetzungen.

Wenn ich auf eine Äußerung von „Selbst Deutsche können lesen“ mit „Das stimmt nicht“ reagiere, dann habe ich damit nicht den abwertenden Gehalt der Äußerung verneint, dass die intellektuellen Fähigkeiten von Deutschen nicht besonders ausgeprägt sind. Vielmehr bestreite ich, dass Deutsche lesen können. Dies hängt damit zusammen, dass der abwertende Gehalt vorausgesetzt wird, während explizit nur behauptet wird, dass Deutsche lesen können. Um der abwertenden Voraussetzung zu begegnen, ist deshalb ein etwas größerer sprachlicher Aufwand vonnöten, wie z.B. „Hey warte mal, was heißt hier ‚selbst‘. Deutsche sind genauso klug wie wir“. Ähnliches gilt für die Verwendung so genannter Dogwhistles, einer Form von kodierter Sprache, der sich Politiker:innen oftmals bedienen, um eine bestimmte Wählergruppe anzusprechen, ohne dass dies für die Allgemeinheit ersichtlich ist.

 

Einfallstor für Manipulation

 

Das zeigt, dass es sprachliche Mechanismen gibt, die es Adressat:innen deutlich erschweren, abwertenden und manipulativen Inhalten in Form von Gegenrede zu begegnen, weshalb das Millsche Argument hier zu kurz greift. Daraus folgt nicht, dass jede implizite Abwertung bzw. Manipulation rechtlich verboten werden sollte. Ähnlich wie bei den Einschränkungen expliziter Rede in Demokratien mit einer restriktiveren Handhabung der Redefreiheit, wie Deutschland, könnte die Schwere der Abwertung bzw. Falschinformation (z.B. Holocaustleugnung) auch bei impliziter Rede durchaus eine Rolle spielen. Die obigen Beispiele legen jedoch nahe, dass Formen impliziter Rede bei einer bestimmten Schwere der Abwertung bzw. Falschinformation selbst bei einem ultraliberalen Verständnis von Redefreiheit, wie in den Vereinigten Staaten, nicht mehr rechtlich geschützt sein sollten. Zumal es andere Wege gibt, denselben Inhalt zu vermitteln, z.B. eine explizite Äußerung von „Deutsche haben keine besonders ausgeprägten intellektuellen Fähigkeiten“.

Nun könnte der Nutzen solcher Einschränkungen auf den ersten Blick nicht ganz ersichtlich sein. Wenn es weiterhin möglich ist, abwertende und manipulative Inhalte explizit zu äußern, was wird dann für Länder, die einen ultraliberalen Umgang mit der Redefreiheit pflegen, gewonnen, wenn wir deren implizite Vermittlung einschränken? Zum einen haben wir soeben gesehen, dass es in sprachlicher Hinsicht einfacher ist, explizitem Gehalt zu begegnen, als dem, was mit einer Äußerung implizit gesagt wird. Zum anderen besteht in westlichen Gesellschaften, wie Mendelberg sagen würde, noch immer eine Norm der Gleichheit, so dass die explizite Äußerung abwertender Einstellungen zumindest keine breite gesellschaftliche Akzeptanz findet. Dies unterstreicht die Wichtigkeit, gerade in Ländern mit einem ultraliberalen Umgang mit der Redefreiheit, wie den Vereinigten Staaten, neben einer rechtlichen Einschränkung bestimmter Verwendungen von impliziter Rede, die Grenzen des (explizit) Sagbaren weiter zu verteidigen. Das einzige Mittel hierfür ist und bleibt der Widerspruch. •

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