Epikureismus
Die Lehre von Epikur und seinen Schülern, vor allem Lukrez. Der Epikureismus beruht auf einer materialistischen Physik, derzufolge es nur Leere und Atome gibt. Die Atome sind die Bestandteile der Körper und der Welten, sie fügen sich in nicht vorhersehbarer Weise zusammen und lösen sich wieder auf. Alles Wissen beruht auf den Sinneseindrücken, die durch Zusammentreffen zwischen den Atomen des Körpers und den peripheren Atomen, nach Lukrez "Simulacren" genannt, des wahrgenommenen Objekts hervorgerufen werden. Die Seele, selbst aus Atomen zusammengesetzt, ist nach Auffassung dieser Lehre sterblich. Die Götter, deren Atome sich nicht auflösen können, sind demnach unsterblich und leben in Zwischenwelten, gleichgültig gegenüber dem Schicksal der Menschen. Die höchste Weisheit besteht darin, in der Gegenwart zu leben, weder den Tod noch die Götter zu fürchten, Schmerzen zu ertragen und Glückseligkeit zu erlangen, indem man versucht, die natürlichen und unabweisbaren Bedürfnisse (wie den Durst nach Wasser und den Hunger nach Brot) zu stillen, um die stabile Daseinslust eines gesunden Lebens zu erfahren. In moralischer Hinsicht ist der Epikureismus ein asketischer Hedonismus, also das Streben nach Lust (hēdonē), das praktiziert wird (askesis) auf eine Weise, in der die Vergnügungen ohne Exzess und mit vernunftgeleiteter Einsicht erlebt werden. Die Stoiker kritisieren den Epikureismus, karikieren ihre Gedanken und bezeichnen die Epikureer als triebgeleitete „Schweine“. Der vom Christentum verdrängte Epikureismus taucht dann erst in der Renaissance mit Erasmus und Montaigne wieder auf. Im 17. Jahrhundert greift außerdem Gassendi, ein Gegner der Kartesianer, die Gedanken Epikurs zur Atomphysik wieder auf. Im Zeitalter der Aufklärung lassen sich Diderot und von d‘Holbach von seinem Materialismus inspirieren, ebenso wie später im 19. Jahrhundert Marx, der seine Doktorarbeit über die Naturphilosophie von Demokrit und Epikur schreibt. Im 20. Jahrhundert schließlich stützt sich Francis Ponge, ein Dichter und Phänomenologe, auf Lukrez.