Airbnb oder die Kunst, Unpersönlichkeit zu kultivieren
Haben Sie schon einmal in einer Airbnb-Unterkunft gewohnt, die lediglich zur Vermietung bestimmt war? Man fühlt sich weder zu Hause noch als ob man bei jemandem zu Besuch wäre. Wie in einem Hotel – aber auch nicht wirklich. Besuchen wir mit Martin Heidegger und Hannah Arendt diesen Ort „dazwischen“.
Ein Airbnb ist ein Ort, der für die Vermietung an Urlauber eingerichtet wurde. Die Liste von Leistungen, die vom Gastgeber zur Verfügung gestellt werden – Bettwäsche, Klimaanlage, Handtücher – spiegelt diese pragmatische Einrichtung wider. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Ort „behaust“ ist. Ein kleiner Umweg über das Denken von Martin Heidegger kann uns helfen, diesen großen Unterschied zu verstehen. Nach dem Philosophen verfügt ein eingeräumter Ort über funktionale Gegenstände. Ein „behauster“ Ort hingegen ist viel intimer und persönlicher: Er ist eine kleine, geschützte Blase. „Das Wort Friede meint das Freie, das Frye, und fry bedeutet: bewahrt vor Schaden und Bedrohung, bewahrt – vor... d. h. geschont. […] Das eigentliche Schonen […] geschieht dann, wenn wir etwas […] entsprechend dem Wort freien: einfrieden,“ erklärt der Philosoph in einem Vortrag mit dem Titel Bauen, Wohnen, Denken, den er am 5. August 1951 hielt. Um ein Airbnb in einen vertrauten Ort zu verwandeln, genügt es nicht, eine Alarmanlage oder einen Zaun zu installieren. Der Bewohner muss sich vielmehr „zuhause“ fühlen. Denn „wohnen“ bedeutet für Heidegger „geborgen werden“, was wiederum „für die alltägliche Erfahrung des Menschen das im vorhinein, wie die Sprache so schön sagt, ‚Gewohnte‘“ voraussetzt. Wo das „Behausen“ uns auf vertrautes Terrain führt, kultiviert das „Einräumen“ praktische Kälte und Unpersönlichkeit. Dennoch ist der Pragmatismus der etwas kalten Airbnb-Einrichtung manchmal besser als das seltsame Gefühl, „bei jemandem“ zu wohnen, in der Intimität von Dingen, die jemand Anderem etwas bedeuten, etwa Familienfotos. Jeder muss selbst entscheiden, ob er lieber an einem Ort mit Wartezimmercharme oder zwischen den persönlichen Gegenständen einer anderen Person leben möchte.
Airbnbs sind nicht (immer) praktisch
Schlecht schallgedämmt, zusammengewürfelt, geschmacklich fragwürdig und vollgestopft mit defekten Gegenständen... Obwohl sie „eingerichtet“ worden sind, sind Airbnbs manchmal sehr unpraktisch. Wie lässt sich dieses Paradoxon erklären? „Denken wir für eine Weile an einen Schwarzwaldhof,“ schlägt Heidegger vor. Der Bauer, der sein Haus gebaut und eingerichtet hat, hat jahrelang auf dem Grundstück gelebt. Er arbeitet für sich selbst, für die Wohnlichkeit seiner eigenen Behausung. Aus diesem Grund achtet er auf jedes kleinste Detail. Er „hat den Hof an die windgeschützte Berglehne gegen Mittag zwischen die Matten in die Nähe der Quelle gestellt“ und das Dach angepasst, um sein Haus „gegen die Stürme der langen Winternächte“ zu schützen. So gewissenhaft der Eigentümer eines Airbnb auch sein mag, diese Detailgenauigkeit ist beim Bauen oder Einrichten einer Mietwohnung, von der er weiß, dass sie nie langfristig bewohnt werden wird, kaum möglich. Heidegger zufolge gibt es eine unauflösbare Verbindung zwischen dem „Bauen“ und dem „Wohnen“. Wenn ich mein Haus baue, bin ich bereits im Begriff, darin zu wohnen. Ich konstruiere und richte den Raum nach meinen Wünschen ein, indem ich mich in ihn projiziere. Ich gestalte bereits meinen zukünftigen Alltag. Ein Airbnb oder eine Mietwohnung einzurichten, bedeutet, das „Bauen“ vom „Wohnen“ zu trennen. Diese Trennung ist der Grund für die Unbequemlichkeit eines Ortes, der nicht für das tägliche Leben gedacht und gebaut wurde, sondern nur für ein paar Tage Urlaub.
Ein Leben mit zwei unterschiedlichen Zeitlichkeiten für die ständigen Bewohner
Im Sommer sehen die Dorfbewohner zahlreiche neue Nachbarn anrücken. Doch während diese von Airbnb eingeleitete Entwicklung viele Regionen in ländlichen Gebieten wieder neu belebt, werden sich dieselben Dörfer im Winter wieder leeren. Wie kann man ein nachhaltiges Zusammenleben in einem Dorf schaffen, wenn die Nachbarn nie länger als drei Wochen bleiben? Das Airbnb-Zeitalter untergräbt die Vorstellung vom Wohnen als „Bleibe“, also als Ort, an dem man sich für mehrere Jahre oder sogar für das ganze Leben niederlässt. Ein Haus, so Hannah Arendt in Vita Activa oder Vom tätigen Leben (1958), gehört in den Bereich des „Herstellens“. Es ist zum „Bleiben“ gemacht und gehört in den Bereich der "Dauerhaftigkeit". Es ist diese „dauerhafte“ Dimension, die uns Sicherheit und Orientierung im Alltag gibt. Es ist normal und sogar wünschenswert, von Zeit zu Zeit den Wohnort zu wechseln, insofern man die Mittel dazu hat. Weniger angenehm ist es, nur von Durchreisenden umgeben zu sein, wenn man selbst an seinem Wohnort bleibt. Wer lediglich in einer Umgebung von ständig wechselnden Nachbarn lebt, kann kein dauerhaftes, vertrautes und sicheres Nest „behausen“. Er ist selbst in einer zyklischen Spirale gefangen: von Sommermieten... und Wintereinsamkeit.