Aladin El-Mafaalani: „Die Tat von Hanau und jene des NSU sind grundsätzlich anders zu bewerten“
Am heutigen 19. Februar jährt sich der rechtsextreme Terroranschlag von Hanau zum zweiten Mal. Im Interview erläutert Aladin El-Mafaalani, warum wir die psychische Verfassung des Täters thematisieren sollten, um ähnliche Anschläge zu verhindern, und man dadurch die rassistische Motivation der Tat nicht verharmlost.
Herr El-Mafaalani, am 19. Februar 2020 ermordete Tobias R. aus rassistischen Motiven in Hanau neun Menschen. Ihre Namen waren Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kenan Kurtović, Vili-Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Auch zwei Jahre nach der Tat ringen die Angehörigen mit der Polizei Hessen um Aufklärung, die sich in der Tatnacht unangemessen verhalten hat und bei der Aufarbeitung über weite Strecken unkooperativ bleibt. Hat die Polizei als Institution ein Rassismusproblem?
Mangels Forschung sage ich Ihnen an dieser Stelle, was meine Haltung zu dieser Frage ist, meine gut belegbare Haltung: Der Rassismus in der Polizei war vor dreißig Jahren sicher viel ausgeprägter als heute. Dass wir um all die bestehenden Missstände und Vorkommnisse wissen, hat natürlich mit journalistischer Recherche zu tun. Aber wer sind die Quellen dieser Berichte? Innerhalb der Polizei gibt es unheimlich viele Menschen, die diese Probleme sehen und sich irgendwann an Journalisten wenden. Und zwar, weil sie merken, dass sie innerhalb der Vorgesetztenstrukturen und der internen Wege und Verfahren nicht weiterkommen. Zudem darf man nicht übersehen, dass die Polizei tendenziell eine konservativere Institution ist. Deshalb laufen manche Dynamiken langsamer ab als in anderen Teilen der Gesellschaft. Aber dass die Entwicklung komplett in die falsche Richtung gehen würde, sehe ich überhaupt nicht. Es ist eine umkämpfte Institution und wir sehen dort die Tendenzen, die sich derzeit insgesamt abspielen: Eine Öffnung, eine Sensibilisierung für das Thema und gleichzeitig ein starker Versuch der Vereinnahmung von rechts außen.
Sie beschreiben die deutsche Polizei insgesamt als eine „tendenziell konservativere Institution“. Konkret auf die Polizei Hessen geblickt, scheint sich allerdings ein anderes Bild zu ergeben. So waren beispielsweise 13 der 19 rechtsextremen Polizeibeamten aus der aufgelöstem SEK-Einheit in der Tatnacht am 19. Februar 2020 in Hanau im Einsatz. Das ist schon stramm rechts, oder?
Wenn wir über die hessische Polizei und die Vorgänge in der Tatnacht sprechen, ergibt sich natürlich ein völlig anderes Bild. Auch, dass viel zu häufig Menschen in Polizeigewahrsam sterben, wobei eine Häufung in bestimmten Polizeiwachen erkennbar ist, ist wahr. Wenn wir über Hanau sprechen, müssen wir uns aber auch klarmachen, dass am 19. Februar 2020 in einer Nacht so viele Menschen umgekommen sind wie bei keinem anderen rechtsextremen Terroranschlag seit Jahrzehnten. Tobias R. hat an einem Abend so viele Menschen umgebracht wie der gesamte NSU in über einem Jahrzehnt. Natürlich ist das alles außergewöhnlich hinterfragenswert und muss detailliert aufgearbeitet werden. Auch, dass sich Rechtsextreme in der Polizei immer stärker engagieren oder dass der zentrale Tatort, eine Shisha-Bar, gerade von Innenpolitikern dämonisiert wurde. Das Verhalten von Polizei und Politik ist besonders besorgniserregend und enttäuschend.
Kommen wir auf den Täter zu sprechen: Einem posthum angefertigten psychologischen Gutachten zufolge litt dieser an paranoider Schizophrenie. Welche Rolle messen Sie als Rassismusforscher der psychischen Verfassung eines solchen Täters bei?
Klar ist, dass dieser rechtsextreme Terroranschlag rassistisch motiviert war. Es gibt andere terroristische Anschläge, die islamistisch, also religiös motiviert sind. Würden wir all diese Taten zusammennehmen und uns ansehen, in welcher psychischen Verfassung die jeweiligen Täter waren, dann würden wir wahrscheinlich in einem großen Teil der Fälle zu einem ähnlichen Ergebnis kommen – nur würden wir wahrscheinlich bei religiös-fundamentalistischen Terroristen nicht die individuelle Erkrankung betonen. Allerdings muss man auch sagen, dass die angstschürende öffentliche Diskussion über Migranten dazu führen kann, dass Menschen mit schwerwiegenden psychischen Problemen Verfolgungswahn entwickeln und gewalttätig werden. Wichtig zu betonen ist an dieser Stelle aus soziologischer und psychologischer Perspektive, dass die Tat von Hanau und jene des NSU grundsätzlich anders zu bewerten sind.
Inwiefern?
Die NSU Mitglieder sind sehr taktisch vorgegangen. Da gab es eine extreme Radikalisierung sowie Ideologisierung, ein planvolles Handeln mit großer Vernetzung und den Versuch, auch selbst weiterhin Propaganda zu machen. Der NSU bestand also aus lupenreinen Rassisten mit politischer Agenda und einem großen Gewaltpotenzial. Der Täter von Hanau hingegen war nach heutigem Stand nicht besonders vernetzt, hatte keine lange rechtsextreme Vergangenheit, war auch nicht auf die Radikalisierung anderer aus und war eben auch psychisch krank. Hanau war also durchaus eine rassistisch motivierte Gewalttat mit dem Charakter eines Amoklaufs. Die Morde des NSU hingegen waren von Rassisten umfassend geplante, organisierte, vernetzt vollzogene gezielte Attentate. Ich halte das für einen wichtigen Unterschied.
Lassen Sie uns auf diesen Unterschied weiter eingehen. In den USA gibt es den Begriff des „stochastischen Terrorismus“. Massenkommunikationsmittel werden demnach verwendet, um indirekt Einzelpersonen zu terroristischen Akten zu bewegen. Das Zur-Tat-Schreiten ist dann „statistisch vorhersehbar, aber individuell unvorhersehbar.“ Als stochastischer Terrorist gilt dabei nicht der, der zur Tat schreitet, sondern die Person, die die entsprechenden Signale über die Medien sendet. Halten Sie das für einen sinnvollen Begriff?
Genau diese Strategie nutzte auch der Daesch, um neue Attentäter anzuwerben. Es wurden Anleitungen und Verschwörungsideologien in die verschiedensten Foren gepostet, damit Menschen sich dann von allein radikalisieren und entsprechend handeln. Ich finde den Begriff auch deshalb sinnvoll, weil er den Blick darauf lenkt, was wir zur Prävention solcher Taten tun können. Die Frage lautet also, wie wir Menschen schützen können, die sich in prekären und vulnerablen Situationen befinden. Es geht hier um Menschen, die nicht unbedingt psychisch krank, sondern einfach psychisch belastet sind. Sei es, weil jemand aus dem Umfeld gestorben ist, es finanzielle Sorgen gibt oder ähnliches. In diese Richtung der Prävention und Früherkennung zu gehen, ist zentral, weil wir es sowohl beim Rechtsextremismus als auch beim Islamismus mit Dezentralisierungsstrategien zu tun haben. Wenn man so will, ließe sich resümieren, dass rechtsextreme und islamistische Terroristen die Individualisierung des „Westens“ hassen und darauf paradoxerweise mit einer Individualisierung des Terrorismus reagieren. Das Ziel ist, ohne viele Spuren und indirekt dafür zu sorgen, dass die schwächsten Glieder sich radikalisieren und Gewalt ausüben, sogenannte „einsame Wölfe“.
Studien zeigen auch, dass Menschen, die an paranoider Schizophrenie leiden, bis zu acht Mal gewaltbereiter sind als Menschen ohne derartige Erkrankung. Um noch deutlicher zu werden: Ein Drittel der in Deutschland verübten Terroranschläge ging von Menschen mit psychischer Erkrankung aus. Wäre also ein bedeutender Teil der Terrorabwehr ein dichteres Netz aus psychischer Versorgung?
Der Grund dafür, dass der Verfassungsschutz heute sagt, Rechtsextremismus ist das größte Problem, liegt schlicht und ergreifend daran, dass er die Kontrolle in diesem Bereich verloren hat. Und die kriegt er auch ohne Pädagoginnen und Pädagogen, ohne Psychologinnen und Psychologen nicht zurück, weil es eben diese Strukturen im Internet gibt, über die wir gerade gesprochen haben. Wir brauchen dieses Netz aus psychologischer Betreuung dringend. Es ist eben nicht mehr damit getan, wenn einfach nur die bekannten Straftäter beobachtet werden. Die Radikalisierung passiert heute oft so dezentral, dass immer mehr Menschen zu Tätern werden, die den Behörden vorher gänzlich unbekannt waren.
Sie sagen, dass diese Personen den Behörden vorher unbekannt waren. Weiß man denn, ob den Leuten in ihrem Umfeld etwas aufgefallen ist?
Es gibt im Umfeld der Täter praktisch immer Menschen, die etwas merken, was sich allerdings meist zu spät herausstellt. Deshalb gibt es mindestens zwei Faktoren, die nicht unbedingt Radikalisierung verhindern, sehr wohl aber krasse Gewaltausbrüche und Morde. Erstens muss die Bevölkerung für diese Form von dezentraler Radikalisierung sensibilisiert werden. Und zweitens muss der Zugang zu Anlaufstellen so barrierefrei und einfach wie möglich sein, damit Menschen aus dem Umfeld schnell Hilfe hinzuziehen können. Auf diese Weise konnten Gewalttaten im Zusammenhang mit Islamismus übrigens in den letzten Jahren enorm reduziert werden. Und das nicht, weil der Verfassungsschutz alle potenziellen Terroristen außer Gefecht gesetzt hätte, sondern weil diese präventiven Strukturen gegriffen haben.
Sind Menschen mit geistiger Erkrankung eigentlich empfänglicher für rassistisches Gedankengut?
Für Terroristen kann man das durchaus sagen. Dabei haben Einzeltäter (wie der Hanau-Attentäter) häufiger schwerere psychische Störungen als Gruppentäter (NSU), bei denen eher biografische und sozialisationsbedingte Besonderheiten ins Gewicht fallen. Das gilt im Übrigen für jede Ideologie, also gleichermaßen für rechtsextreme wie für religiöse Terroristen.
Ist es denn problematisch, dass die psychische Verfassung der Täter rassistisch motivierter Angriffe in der Berichterstattung eine so große Rolle einnimmt? Bagatellisiert man die rassistische Dimension der Verbrechen?
Die Tat von Hanau bagatellisiert man überhaupt nicht, wenn man über die psychische Verfassung des Täters spricht. Im Gegenteil kann man so darauf hinweisen, dass Tobias R. sich seine rassistische Motivation ja nicht selbst ausgedacht hat – und auch der Tatort „Shisha-Bar“ ist weder zufällig noch aufgrund der psychischen Verfassung gewählt worden. Diese rassistische Motivation ist in unserer Gesellschaft ja nicht nur latent vorhanden, sondern wird auch wieder immer lauter vertreten. Im Hinblick auf rechten Terrorismus bagatellisiert man damit gar nichts. Im Gegenteil erkennt man durch eine derartige Thematisierung sogar noch deutlicher, dass die Situation höchst komplex ist: Es gibt den NSU, der, wie bereits erwähnt, bestens vernetzt, organisiert, planvoll, egoistisch, rassistisch, ideologisch usw. vorging. Dann gibt es rechtsextreme Tendenzen in der Polizei, auf die wir eingangs auch schon hingewiesen haben. Und dann gibt es eben noch psychisch kranke Menschen, die selbst die schlimmsten Taten nicht ausschließen, weil sie das Gefühl haben, dass sie nichts mehr zu verlieren haben. Das sind drei ganz unterschiedliche Phänomene, die alle drei real sind und das Problem mit rassistischer Gewalt so komplex machen.
Seit diesem Mittwoch steht fest, dass der 11. März künftig ein nationaler Gedenktag für Opfer terroristischer Gewalt sein wird. Halten Sie diese Art der Kollektiverinnerung für sinnvoll? Oder sollte man rassistischen, islamischen und sonstigen Terror nicht in einen Topf werfen?
Ein solcher nationaler Gedenktag verkörpert ja die Idee einer Kollektiverinnerung an alle Opfer gleichermaßen, die ich tatsächlich für sehr sinnvoll halte. Aber im Augenblick hat man nicht das Gefühl, dass alle Befürworter der offenen Gesellschaft auf der einen und alle Feinde der offenen Gesellschaft auf der anderen Seite stehen. Nur in einem solchen Fall würde ein solcher Tag der Kollektiverinnerung funktionieren. Bisher ist eher noch die Unterscheidung zwischen Mehrheitsgesellschaft (ohne Migrationshintergrund) und Minderheitsgesellschaft (mit Migrationshintergrund) grundlegend für die meisten Menschen in Deutschland. Daher holt man mit einem solchen Tag emotional sicher nicht all die Menschen ab, an die man sich richten möchte.
Also wären Sie eher gegen einen solchen Gedenktag?
Nein, denn ein solcher Gedenktag für Opfer terroristischer Gewalt kann eine Entwicklung anstoßen, also zu dem Bewusstsein hinführen, nämlich dass in einer offenen Gesellschaft die Mehrheitsgesellschaft aus Befürwortern der offenen Gesellschaft besteht und die Minderheiten die Feinde der offenen Gesellschaft darstellen: Rechtsextreme, Rassisten, Nationalisten, religiöse Fundamentalisten und Populisten. Diese Differenz zwischen offen und geschlossen verläuft quer durch religiöse, ethnische und nationale Zugehörigkeit und Herkunft. Dies ist aber noch lange nicht Bestandteil des deutschen Selbstbildes. Das liegt auch daran, dass etwa Muslime nach „Sarrazin“ und den vielen Pannen bei NSU und Hanau skeptisch gegenüber der Gesellschaft insgesamt sind. Andersherum sind sehr viele Menschen besorgt aufgrund der zunehmenden Sichtbarkeit von muslimischen Symbolen und Muslimen. Diese „falsche“ Polarität könnte durch einen solchen nationalen Gedenktag aufgebrochen werden. Dann muss man aber auch dieses Ziel mit dem Gedenktag verfolgen und nicht meinen, dass mit dem Gedenktag dieses Ziel erreicht wäre.•
Aladin El-Mafaalani ist Soziologe und Professor für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft an der Universität Osnabrück. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt 2020 den Preis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Sein jüngstes Buch „Wozu Rassismus?“ ist 2021 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.
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