Baerbocks Taschenspielertrick
Verbote fördern die Innovation? Mit dieser Behauptung praktiziert die Grünen-Vorsitzende einen Paternalismus, den bereits der Philosoph Isaiah Berlin kritisch analysierte, meint Nora Bossong.
Die Zeit drängt, wenn wir die Klimakatastrophe noch verhindern wollen, das ist bei allen demokratischen Parteien in der Bundesrepublik angekommen. Uneinig ist man sich allerdings, wie die Transformation zu einer klimaneutralen Gesellschaft zu schaffen ist. Verbote würden die Innovation befeuern, sagte die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock im Wahlkampf und ging damit rhetorisch einen halben Schritt auf ihre liberale Konkurrenz zu. Innovation ist schließlich ein Wort, das der FDP gefällt, zu Verboten dagegen führen sie gemeinhin keine Liebesbeziehung. Aber passen die beiden Begriffe wirklich gut zusammen?
Mit staatlichen Eingriffen in alle möglichen Lebensbereiche, so die liberale Sorge, geben wir Stück für Stück unsere individuelle Freiheit auf. Nun taugt andererseits der Glaube, staatliches Handeln würde sich aus ökonomischen Prozessen heraushalten, lediglich fürs Reißbrett eines Laissez-faire-Kapitalismus, nicht für die bundesrepublikanische Wirklichkeit, in der seit je Innovation mal unterstützt, mal aber auch verhindert wird, Beispiel Braunkohlesubventionierung. Somit beschreibt Baerbock nur einen Ist-Zustand, und doch bleibt etwas Unbehagliches an ihrer Verknüpfung von Innovation und Verbot, zumindest wenn wir ihn so verstehen, dass wir Verbote mögen sollten, da sie uns in dem unterstützen, was wir eigentlich erstreben.
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Kommentare
Und wieso nicht? Dass die Freiheit des freien Marktes die Probleme des Weltklimas nicht lösen wird ist wohl klar, darum muss die Politik einen gewissen Paternalismus praktizieren, sonst macht es das Klima selbst. Dass dies selbst in diesem Stadium, wo die neue Regierung noch gar keine unliebsamen Beschlüsse gefasst hat schon so unpopulär ist, dass selbst in dieser reflektierten Zeitschrift ein solcher etwas hingebogener Artikel erscheint, erstaunt mich.
Und ja, Not macht erfinderisch - und innovativ. Wenn wir aber auf die Not warten, die der Klimawandel für uns noch vorgesehen hat, ist es zu spät für Innovationen. Der Klimawandel ist eben ein so zäher langsamer Prozeß, der nicht mit dem schnelllebigen Wunsch des Menschen nach akuter Freiheit einhergeht. Darum wird es ohne Verbote nicht gehen. Und es lässt sich sehr wohl beides vermischen, wieso auch nicht. Ob die Not zur Innovation aus verboten herrührt oder aus Naturgewalten ist dabei völlig nebensächlich.
Ich wünsche mir nur, dass der Wähler/die Wählerin erkennt, dass es nicht die FDP ist, die diese Innovationen der Zukunft anstößt, sondern der Realismus der Grünen.
Ich befürchte allerdings, dass die Grünen genau deswegen bei der nächsten Wahl als die Miesmacher abgestraft werden, die der FDP und allen Bürgern alle mäglichen Freiheiten genommen haben.
Ein überflüssiger Arktikel
Der Grundgedanke ist richtig, aber es dürfen dabei nicht die "Betroffenen"-Ebenen verwechselt werden. Es ist ist etwas grundsätzlich anderes, Bananenkonsum oder das Fahren eines SUV zu verbieten als einen Energieversorger zu zwingen, ein Kohlekraftwerk abzuschalten und es ist etwas anderes, jemanden den Gebrauch von klimaschädlichem Haarspray zu verbieten oder die Herstellern dazu zu zwingen, kein FCKW mehr zu verwenden. Letzteres führt tatsächlich zu Innovationen. Deshalb ist die wesentliche Stoßrichtung von Annalena Baerbock (und der Grünen), klimaschädliche RAHMENBEDINGUNGEN zu verändern, eben auch mit Verboten.