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Bild: United Archives International (Imago)

Vor 70 Jahren starb José Ortega y Gasset

Der Philosoph als Essayist

Dominik Pietzcker veröffentlicht am 18 Oktober 2025 5 min

Er war einer der letzten europäischen Intellektuellen, der den Habitus eines unangefochtenen Grandseigneurs pflegte. Keiner in seiner Generation schrieb eine elegantere philosophische Prosa als der polyglotte Spanier José Ortega y Gasset. Heute vor 70 Jahren ist der Philosoph und Soziologe, dem mit Der Aufstand der Massen eine der prägnantesten Diagnosen der modernen Gesellschaft gelang, gestorben. 

Ortega y Gasset (1883–1955) war der Spross einer Madrider Verlegerdynastie, der Vater Chefredakteur der Zeitung „El Imparcial“, die Mutter Verlagserbin. Er ging auf eine Jesuitenschule in Málaga, studierte in Bilbao und Madrid, später in Leipzig, Berlin und Marburg. Neukantianismus und Phänomenologie – Paul Natorp und Edmund Husserl – gaben ihm entscheidende philosophische Impulse. Von seinem Altersgenossen Martin Heidegger, dem er einige maliziöse Fußnoten zu Sein und Zeit widmete, zeigte er sich wenig beeindruckt. „Es gibt kaum einen oder zwei Begriffe bei Heidegger, die nicht auch in meinen Büchern vorkämen, zuweilen mit einer Priorität von dreizehn Jahren.“ Für den deutschen Idealismus und die Hegelsche Geschichtsphilosophie hingegen hegte Ortega zeitlebens eine besondere Vorliebe.

1932 schrieb Ortega in seinem Aufsehen erregenden Essay Um einen Goethe von innen bittend: „Das Gefühl des Schiffbruchs, da es die Wahrheit des Lebens ist, bedeutet schon die Rettung. Darum glaube ich einzig an die Gedanken Scheiternder.“ Ortega konstatierte nicht nur die schwindende Rolle klassischer und kanonischer Autoren in der modernen Welt. Stets hatte er auch die Sinnkrise Europas und die Möglichkeit – oder wohl eher Unmöglichkeit – ihrer Überwindung im Blick. „Europa glaubt an keine sittlichen Normen mehr.“

Doch woran glaubte Ortega? Die spanischen Intellektuellen seiner Generation waren mit dem nationalen Bedeutungsverlust und dem rapiden Niedergang des ehemaligen Weltreiches Spaniens konfrontiert. Wie der ältere Miguel de Unamuno gehörte auch Ortega zur sogenannten „Generation von 1898“. Spanien hatte alle überseeischen Kolonien, in der Karibik wie in Südostasien, an die aufstrebenden Vereinigten Staaten von Amerika verloren. Welche Rolle konnte die einstige spanische Großmacht noch spielen – zumal in ihrer wirtschaftlichen und politischen Marginalisierung? Ortega wollte nichts Geringeres als Spaniens reiches kulturelles Erbe von der westlichen Peripherie ins geistige Zentrum Europas rücken. Vom Anspruch einer intellektuellen Hegemonie, dieser Krankheit deutscher Philosophen, war er jedoch weit entfernt. Die stolze Selbstbehauptung des Denkens war für ihn eine existenzielle Notwendigkeit. „Leben ist Zwang zur Selbstdeutung.“

 

Meisterschaft und Stil

 

Eine überaus bezeichnende Anekdote: Als passionierter Raucher aschte Ortega y Gasset seine Zigarren einfach auf den Fußboden. Warum einen Aschenbecher benutzen, wenn es auch Perserteppiche gibt? Seine Schriften zeichnen sich durch eine fast jugendliche Unbekümmertheit aus – Indiz eines zwar bildungsgesättigten, doch völlig freien und unkonventionellen Denkens. Ortega vertraute einfach der eigenen philosophischen Intuition. Wo er über soziale oder politische Phänomene schrieb, ließ er empirische Aussagen zur Gänze außen vor. Statistik war offensichtlich unter seinem Niveau. Dies führte ihn zwar gelegentlich zu gewagten Induktionen, macht aber seine philosophische Prosa zu einem zeitlosen Lesevergnügen. Neben Montaigne ist er vielleicht der eleganteste philosophische Schriftsteller.

Ortegas reges Interesse an soziologischen und politischen Fragestellungen erinnert im deutschen Sprachraum an Arnold Gehlen, in Frankreich wäre er wohl am ehesten mit Raymond Aron zu vergleichen. Mit letzterem teilt er zudem die Leidenschaft für den Journalismus und die Freude an der Debatte. Für Ortega war der Diskurs mit Gegnern eine Art geistiges Degengefecht – ein Duell der freien Gedanken. Die Direktheit seiner Prosa, seine ironischen Pointen und die unmittelbare Erschließbarkeit seiner philosophischen Texte machten Ortega schon zu seinen Lebzeiten zum meistgelesenen und wirkungsmächtigsten spanischen Philosophen. Sein Hang zur aphoristischen Zuspitzung ist ebenso unnachahmlich wie unübersehbar. Gesellschaftliche Dekadenz deutete er anthropologisch: „Der Mensch erstickt im eigenen Reichtum.“ Das sitzt.

 

Masse, Macht und Mehrheit

 

Frühzeitig begann Ortega, parallel zu seiner akademischen Karriere als Universitätslehrer, Artikel, Feuilletons und Kommentare zum Zeitgeschehen zu publizieren. 1923 gründete er die bis heute existierende Monatszeitschrift „Revista de Occidente“, deren Herausgeber er bis zu seinem Tode blieb. Die „Revista“ vereinigte liberale und avantgardistische Intellektuelle und spielte für das geistige Leben Spaniens und Lateinamerikas eine vergleichbare Rolle wie die von T.S. Eliot herausgegebene Kulturzeitschrift „The Criterion“ in der angelsächsischen Welt. Es war die mutige Stimme der Zukunft in einem tendenziell konservativen und trägen Kulturbetrieb. Der liberale Ortega wurde zum Impulsgeber einer ganzen Generation aufstrebender Intellektueller. Für die „Revista“ schrieben Federico Garcia Lorca, Max Aub und Victoria Ocampo – große Namen der spanischen und argentinischen Avantgarde. Mit Ortega gut befreundet, gründete Ocampo, offensichtlich dem Vorbild der „Revista“ folgend, in den 1930er Jahren Argentiniens erste und maßgebliche Literaturzeitschrift „Sur“. Eine höchst fruchtbare intellektuelle Genealogie.

Ortegas berühmteste Schrift, der kultursoziologische Großessay Der Aufstand der Massen (1929), ist eine Zustandsbeschreibung der Industriegesellschaft in ihrer primitiven Tendenz, alles Natürliche zu eliminieren und statt singulärer, daher unvergleichlicher Leistungen das Messbare und Massentaugliche zu bevorzugen. „Dies ist das Zeitalter der Strömungen und des Mitgerissenseins.“ In seiner kritischen Einschätzung der Massengesellschaft stand Ortega nicht allein. Bei Sigmund Freud (Massenpsycholgie und Ich-Analyse, 1921), Walter Lippmann (Public Opinion, 1922) und Karl Jaspers (Zur geistigen Situation der Zeit, 1931) finden sich ähnliche Beobachtungen und Darstellungsweisen des modernen Zusammenlebens. Bis heute jedoch ist Ortegas Analyse eine der gelungensten: „Gesellschaft ist eine Macht, der das Individuum nicht zu trotzen vermag.“

Der Einzelne stehe auf verlorenem Posten und habe nur die Wahl zwischen bedingungsloser Partizipation oder vollständiger Marginalisierung. Vor allem die urbanen Massen seien propagandistisch leicht zu manipulieren. Was im Zeitalter von Social Media wie ein Allgemeinplatz anmutet, war in den 1920er Jahren immerhin eine neuartige gesellschaftliche Beobachtung. Der Massenmensch, so Ortega, lehne sittliche Normen ab. „Im Zentrum seiner Lebensführung steht der Anspruch, ohne moralische Bindungen zu leben.“ An all diesen Befunden hat sich bis in die Gegenwart wenig geändert.

 

Wirren der Zeit

 

Für Ortega besteht die Tragödie der modernen Gesellschaft in ihrer strukturellen Ablehnung des Individuellen. Philosophisches Denken wird durch Weltanschauung verdrängt. Als Beobachter und Kommentator des Zeitgeschehens wurde auch er in die politischen und ideologischen Wirren Europas hineingezogen. Kommunismus und Faschismus waren ihm gleichermaßen zuwider. Als bürgerlicher Republikaner hegte Ortega wenig Sympathie für den Franquismus. Während des spanischen Bürgerkriegs ging er ins Exil und kehrte erst 1948 wieder nach Madrid zurück. Die völlige Machtlosigkeit des Intellektuellen, und damit sein Ausgeliefertsein an die politischen Umstände, war ihm zu diesem Zeitpunkt längst bewusst.

Seine kulturphilosophischen Essays und soziologischen Betrachtungen lesen sich heute nicht nur als Kommentare zu einer untergegangenen Zeit. Vielmehr leuchtet in ihnen der Selbstbehauptungswille des Geistes in einer radikal materialistischen und ideologisierten Welt auf. „Wir denken, um am Leben zu bleiben.“ Bemerkenswert ist Ortegas weltliche Zugewandtheit und leidenschaftliche Lebensneugier. Als Gesellschaftsphänomen interessierte ihn die Jagd ebenso wie moderne Dichtung oder die Revision des romantischen Liebesbegriffs. Er selbst sprach von „geistiger Heiterkeit“ als der letzten Chance intellektuellen Überlebens. Seine Schriften, die eher weit aufgefächert als systematisch sind, strahlen diese alkyonische Souveränität philosophischen Denkens unvermindert aus. •

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