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Bild: Philomag Redaktion

Adventskalender

Die Kunst, immer Recht zu behalten: Kniff Nr. 3

Nicolas Tenaillon veröffentlicht am 03 Dezember 2025 2 min

Hitzige Debatten am Familientisch sind zu Weihnachten keine Seltenheit. Was es da braucht, ist argumentatives Geschick. Die Kunst ist schließlich, nicht nur Recht zu haben, sondern die anderen auch davon zu überzeugen. Unser Adventskalender hält 24 Kniffe bereit, die schon die großen Denker für sich nutzten. Heute: Behaupten Sie das Gegenteil.

 

Das Verfahren

 

Beim Angriff wird wie folgt vorgegangen: Sie übernehmen das Argument Ihres Gesprächspartners Wort für Wort, um es in sein Gegenteil zu verkehren. Beispielsweise vertritt ihr Gegenüber die Ansicht: „Das ist ein Kind. Man muss nachsichtig mit ihm umgehen.“ Antworten Sie: „Eben weil es ein Kind ist, sollte man keinesfalls nachsichtig mit ihm sein! Sonst wird es nämlich nie erwachsen.“ Schopenhauer zufolge ist dies die eleganteste aller rhetorischen Finten, weil dabei mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Wirkung erzielt wird. In der Tat – die bloße Verwendung des Wörtchens „eben“, verbunden mit einer Verneinung, macht Sie zum strahlenden Sieger der Debatte. Das Material des Arguments hat Ihnen ja bereits Ihr Gegner geliefert, ein Umstand, der nicht unwesentlich zu seiner Demütigung beiträgt.

Die meisten großen Philosophen beherrschten dieses Verfahren aus dem Effeff – Hegel etwa, der darauf bedacht ist, die Freiheit nicht mit der Moral in eins zu setzen: Das Kant’sche Diktum „du kannst, denn du sollst“ dreht er in seiner Wissenschaft der Logik einfach um, wenn er schreibt: „Du kannst nicht, eben weil du sollst. Denn im Sollen liegt ebenso sehr die Schranke als Schranke.“ (I, § 141). Dieser als retorsio berüchtigten Argumentationsfinte gebührt ein Ehrenplatz in der Philosophiegeschichte. Denn jeder große Geist musste sich zunächst als rebellischer Schüler gegen seinen Meister beweisen.

 

Die Abwehr

 

Um sich gegen dieses demütigende Verfahren zur Wehr zu setzen, genügt es, die eigene Ansicht unverzagt zu bekräftigen. Sie drehen das von Ihrem Gegner verdrehte Argument erneut um. Im oben angeführten Streitfall über Kindererziehung würde der Verteidigungsschlag also lauten: „Eben gerade weil autoritäre Erziehung zu nichts führt, muss man nachsichtig sein.“ Damit signalisieren Sie, dass Sie die Gegenthese bereits durchdacht und verworfen haben. Allerdings sollten Sie bei den Worten „eben gerade“ auf eine subtil modulierte Stimmlage achten. Betonen Sie hier keinesfalls zu stark! Denn dann wäre zu offenkundig, dass sich die Schlagkraft Ihres Arguments aus der bloßen Verneinung speist.•


Übersetzt von Marianna Lieder
 

 

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