Die Simpsons: Das Orakel von Springfield?
Die gelbe Zeichentrickfamilie genießt den Ruf, immer wieder die Zukunft „vorhergesagt“ zu haben. Zuletzt bei der Vereidigung von Kamala Harris. Woher diese vermeintlich hellseherische Kraft kommt, lässt sich mithilfe des Philosophen Roland Barthes erklären.
Violetter Mantel, weiße Perlenohrringe, weiße Perlenkette. Als Kamala Harris jüngst zur amerikanischen Vizepräsidentin vereidigt wurde, wiesen viele User in den sozialen Netzwerken umgehend darauf hin, dass Harris' Garderobe erstaunlich stark an jemanden anderen erinnere. Und zwar an Lisa Simpson. In der im Jahr 2000 erstmals ausgestrahlten Simpsons-Folge Bart to the Future wird die hochbegabte Tochter der gelben Zeichentrickfamilie nämlich zur US-Präsidentin gewählt und trägt tatsächlich ein ganz ähnliches Outfit. Somit scheinen Die Simpsons abermals unter Beweis gestellt zu haben, dass die Serie eine geradezu unheimliche Fähigkeit besitzt, die Zukunft „vorherzusagen“.
Schon seit längerem kursieren unzählige Listen im Netz, die erstaunt aufzählen, wie viele Ereignisse die Zeichentrickserie vermeintlich hellseherisch vorwegnahm. Einer der bekanntesten Fälle findet sich ebenfalls in der Folge Bart to the Future aus dem Jahr 2000. Kurz nachdem Lisa ihr Amt als Präsidentin angetreten hat, teilt sie ihrem Beraterstab mit, dass man ein riesiges Haushaltsloch von „Präsident Trump“ geerbt habe. Doch haben Die Simpsons nicht nur die Präsidentschaft Trumps kommen sehen, der sich seiner Zeit ja „nur“ als Immobilienmogul und Medien-Star verdingte, sondern eine ganze Reihe von politischen, wissenschaftlichen oder popkulturellen Ereignissen antizipiert. Um nur einige Beispiele zu nennen: Defekte Wahlmaschinen in den USA, das Zusammengehen von Disney und 20th Century Fox, die Masse des Higgs-Bosonen, die Griechenland-Krise, den Pferdefleisch-Skandal oder Lady Gagas Halbzeitshow beim Super Bowl.
Stellt sich freilich die Frage: Wie ist das zu erklären? Purer Zufall? Gute Autorinnen und Autoren, die das richtige Gespür für den kommenden Zeitgeist besitzen? Oder handelt es sich schlicht um einen Ausdruck des Infinite-Monkey-Theorems, einem Gedankenexperiment, auf welches in den Simpsons selbst auch einmal angespielt wird und das besagt: Eine endlos auf Schreibmaschinen tippende Horde Affen würde schon aus reinen Wahrscheinlichkeitsgründen irgendwann alle Werke Shakespeares verfasst haben. Auf Die Simpsons übertragen: Läuft die 1989 gestartete Zeichentrickserie schlicht schon so lange, dass es stochastisch geradezu zwangsläufig erscheint, dass manche der dort durchgespielten Szenarien retrospektiv Ähnlichkeiten mit der Realität aufweisen?
Unermüdliche Annäherung
All diese Aspekte spielen sicherlich eine Rolle. Gleichwohl gibt es noch zwei weitere Gründe, die erklären, warum Die Simpsons so oft die Zukunft vorherzusagen scheinen. Und diese beiden Gründe lassen sich mithilfe einer Unterscheidung erklären, die von dem französischen Philosophen Roland Barthes stammt und von David L.G. Arnold in dem 2009 auf Deutsch erschienenen Sammelband Die Simpsons und die Philosophie (Piper) in Beziehung zur Zeichentrickserie gesetzt wurde. In Arnolds Essay „Und der Rest schreibt sich von selbst“ – Roland Barthes sieht die Simpsons geht es zwar nicht explizit um die seherischen Qualitäten von Homer, Lisa und Co., gleichwohl hilft der hier veranschlagte Rekurs auf Barthes auch in dieser Frage weiter.
In seinem Buch 1970 erschienenen Buch S/Z differenzierte Roland Barthes nämlich zwischen „lesbaren“ bzw. „klassischen“ Texten auf der einen und „schreibbaren“ bzw. „pluralen“ Texten auf der anderen Seite. „Lesbare“ Texte, Barthes gibt hier das Beispiel einer Kurzgeschichte Balzacs, sind demnach in sich abgeschlossen, sie laden den Leser nicht zum Spekulieren, Weiterdenken oder Assoziieren ein, sondern können lediglich „passiv“ rezipiert werden. Plurale Texte sind das Gegenteil, ihnen kann man sich gleichermaßen aktiv wie assoziativ annähern. Oder wie Barthes bemerkt: Bei „schreibbaren“ Texten bedeutet Lesen „Sinne finden, und Sinne finden, das heißt sie benennen. Aber diese benannten Sinne werden zu anderen Namen herangefügt, die Namen rufen sich, versammeln sich, und ihre Ansammlung will aufs neue benannt werden […]: eine Benennung im Werden, eine unermüdliche Annäherung, eine metonymische Arbeit.“
Vor diesem Hintergrund zeigt sich, dass Die Simpsons als pluraler Text konstruiert sind. Das narrative Prinzip der Zeichentrickserie ist stark auf das „Weiterschreiben“ durch die Zuschauer ausgerichtet. Unentwegt tauchen Assoziationen, Konnotationen und Anspielungen auf, die weitergedacht und interpretiert werden können. Dieser buchstäbliche Hang zum Spielerischen hat zunächst auch mit ganz formalen Aspekten der Serie zu tun. Ist sie doch – wie die allermeisten anderen Cartoons auch – als series konzipiert. Das heißt: Jede Folge startet gewissermaßen wieder bei null und kann für sich gesehen werden. Im Unterschied zu serials – wie beispielsweise How I met your mother oder auch Gute Zeiten, schlechte Zeiten – folgt man bei series also grundsätzlich keiner fortlaufenden Geschichte und steht damit viel weniger unter erzählerischen Kohärenzanforderungen. Dementsprechend sind series wie Die Simpsons bereits formal weniger abgeschlossen und damit potentiell auch pluraler, können also viel stärker mit verschiedenen Ebenen, Themen und Assoziationen hantieren und Folge für Folge ganz unterschiedliche Plots und Schwerpunkte entwerfen.
Der Cartoon im Cartoon
Letzteres vermögen Die Simpsons aber auch deshalb, weil es sich eben um eine Zeichentrickserie handelt, die viel weniger an erzählerische Wahrscheinlichkeitserwartungen gebunden ist als ihre menschlichen Pendants. Konkreter: Im Gegensatz zu Friends, Seinfeld oder Curb your Enthusiasm sind Die Simpsons (noch) viel stärker von Plausibilitätskriterien befreit. So wird Homer beispielsweise kurzzeitig hochbegabt, weil er sich einen zuvor im Gehirn feststeckenden Wachsmalstift entfernen lässt; Lady Gaga taucht plötzlich mit ihrer eigenen Party-Eisenbahn auf oder Lisa wird in einem Zukunftsszenario eben Präsidentin. Diese formalen Möglichkeiten der „Pluralisierung“ des Textes, also dem Schaffen von permanenten Assoziationsräumen, intrikaten Konnotationen und „weiterzuschreibenden“ Szenarien, scheinen die Autorinnen und Autoren der Simpsons auch ganz bewusst zu nutzen, was sich exemplarisch an einer gleichermaßen selbstreferentiellen wie meta-ironischen Szene aus der 1993 ausgestrahlten Episode The Front zeigt.
In dieser Folge, auf die David L.G. Arnold auch in dem Titel seines erwähnten Essays verweist, werden Bart und Lisa unwahrscheinlicher Weise zu Autoren der von ihnen geliebten Trickfilmserie Itchy & Scratchy, einer Art brutalen Pulp-Fiction-Version von Tom & Jerry. Nachdem die beiden Simpsons-Geschwister sich auf einen Friseursalon als Ort der Story geeinigt haben, schlägt Lisa vor, dass Itchy doch Scratchys Kopf mit einer Rasierklinge abschneiden könne. Bart findet das zu vorhersehbar und empfiehlt stattdessen: „Itchy schmiert Scratchy statt Shampoo Barbecue-Sauce in die Haare, dann öffnet er eine Schachtel mit fleischfressenden Ameisen, und der Rest schreibt sich von selbst.“ Und genau das ist es, was Die Simpsons immer wieder machen: Sie schaffen Szenarien und Assoziationen, die sich „von selbst schreiben“, also durch den Zuschauer weitergedacht und assoziiert werden. Es handelt sich also um Zeichen-Trick im besten semiotischen Sinne.
Das zeigt sich auch im Verlauf dieser Szene. Die von Bart und Lisa verfasste Itchy & Scratchy-Folge geht nämlich wie folgt weiter: Scratchys Kopf wird bis auf die Knochen von den Ameisen abgefressen, woraufhin Itchy ihn mittels einem am Friseurstuhl befindlichen Sprunghebel durch die Decke in das nächste Stockwerk katapultiert. Dort landet Scratchys abgenagter Schädel punktgenau in dem Fernsehapparat der darüber liegenden Wohnung. In dieser sitzt ein dickleibiger Elvis-Imitator auf dem Sofa, der einen kurzen Moment auf Sratchys im Fernseher befindlichen Knochenschädel schaut und schließlich sagt: „Ach, die Sendung finde ich beknackt“. Daraufhin zieht der Elvis-Imitator einen Revolver und schießt auf das TV-Gerät. So absurd das Szenario anmutet, das sich hier meta-mäßig in einem Cartoon (Itchy & Scratchy) innerhalb eines Cartoons (Die Simpsons) entfaltet, ruft das Zusammenspiel des dicken Elvis-Imitators, dem Fernsehen, der Schusswaffe sowie der ausgestellten Gewalt doch eine Reihe intrikater Assoziationen auf den Plan. So ließe sich die Szene etwa als Anspielung auf die welk gewordenen Seiten des „American Dream“ lesen. Oder womöglich auch ganz anders.
Mythos des Alltags
Was dieses Beispiel verdeutlicht: Die Simpsons sind als äußerst „pluraler“ Text konzipiert, der immer wieder mit Konnotationen jongliert und Szenarien entwirft, worin wiederum ein Grund besteht, dass Die Simpsons bisweilen so hellsichtig erscheinen. Durch ihre formale sowie inhaltliche Erzählstruktur schafft die Serie fortlaufend buchstäbliche Anschlussfähigkeiten, sodass sie nicht nur ad hoc interpretierbar ist, sondern potentiell auch aus der Retrospektive neu kontextualisiert werden kann. Und dieses Strukturprinzip der Simpsons erhöht schlicht die Wahrscheinlichkeit von hellsichtigen „Vorhersagen“. Wobei hier aber nicht nur die Produzenten-, sondern auch die Rezipientenseite entscheidend ist.
Der zweite wichtige Grund, dass Die Simpsons so sehr als comichaftes Orakel wahrgenommen werden, liegt nämlich in der Haltung der Zuschauer. Letztere begreifen Die Simpsons implizit ebenso als „pluralen“ Text, sie wollen also bestimmte Vorhersagen entdecken. Spätestens mit der Antizipation von Donald Trumps Präsidentschaft ist die vermeintlich hellseherische Dimension der Serie zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung avanciert. Oder um den vielleicht bekanntesten Begriff Roland Barthes' zu benutzen: Die Simpsons sind zum Mythos des Alltags geworden. Lässt man bei der Serie doch nicht nur außer Acht, welche „Vorhersagen“ alle nicht eingetroffen sind, sondern sucht gleichermaßen aktiv wie akribisch nach den kleinsten Anzeichen, mittels derer Ereignisse durch die Serie vorweggenommen worden sein könnten. Und das führt dazu, dass sich auf den im Netz kursierenden Listen eine Reihe von Prognosen finden, die genau besehen gar keine sind.
Dass Die Simpsons in einer 1993 ausgestrahlten Episode etwa die Corona-Pandemie geahnt hätten, entpuppt sich beispielsweise als haltlose Übertreibung, da in der Folge zwar eine aus Asien eingeschleppte Grippe eine Rolle spielt, aber mehr dann auch nicht. Ähnlich verhält es sich mit vielen anderen vermeintlichen Vorhersagen, etwa jener, dass eine 1995 gesendete Folge die Apple-Watch prophezeit hätte, da hier jemand in eine technisch avancierte Uhr spricht. Selbst wenn man das irgendwie als „Vorhersage“ gelten lassen wollte, was schon zweifelhaft genug wäre, müsste diese dann freilich eher David Hasselhoff als Knight Rider zugerechnet werden, der bekanntlich schon in den 80ern durch seine Uhr kommunizierte.
Wille zur Wahrheit
Zumal sich die Rezeptionshaltung der Simpsons mittlerweile nicht nur in Überinterpretationen erschöpft oder große Toleranzspielräume lässt, das von Homer vorhergesagte Gewicht des Higgs-Bosonen kommt beispielsweise nur ungefähr hin, sondern sich das Verhältnis von Serie und zukünftiger Realität teilweise auch umgedreht hat, die Serie also selbst Realität schafft. In einer 1999 ausgestrahlten Folge spielt etwa „Tomacco“ eine zentrale Rolle, ein süchtig machendes Gemüse, das aus der Kreuzung von Tabak und Tomaten entstand. Ein Fan der Simpsons nahm sich dieses zum Vorbild und züchtete 2003 tatsächlich eine „Tomacco“-Pflanze. Herrscht bei der Wahrnehmung der Zeichentrickserie mittlerweile also ein eigentümlicher Wille zur Wahrheit, verwundert es schließlich nicht, dass viele Menschen in diesem Kontext auch immer wieder auf Fälschungen hereinfallen.
Direkt nach dem Sturm auf Kapitol durch die Anhänger Donald Trumps kursierte auf Facebook und Twitter beispielsweise ein Bild, welches zeigen sollte, dass die Serie den randalierenden Q-Schamanen vorhergesehen habe. Allein: Es entpuppte sich schnell als schnöde Photoshop-Manipulation. Ebenso wird ein kurzer Simpsons-Youtube-Clip aus dem Jahr 2015, in dem Donald Trump tatsächlich als gezeichnete Figur auftritt, im Netz oft der oben zitierten Folge von 2000 zugerechnet. In letzterer wird der amerikanische Ex-Präsident tatsächlich aber nur kurz erwähnt, tritt jedoch nicht als Person auf.
Insofern liegt das Geheimnis der vermeintlich hellseherischen Kräfte der Simpsons nicht nur in ihrer „pluralen“ Bauart, sondern ist auch und vor allem darin begründet, dass die Serie mittlerweile zu einem sich selbst reproduzierenden Mythos geworden ist, an den man glauben will. In einer metaphysisch zunehmend obdachlosen Zeit, die zumindest gefühlt immer mehr verschwörungstheoretische Dämonen gebiert, erscheint der Glaube an die prognostische Kraft einer gelben Zeichentrickfamilie aber immerhin demokratisch vergleichsweise gut verkraftbar. •
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