Erasmus – 35 Jahre humanistische Reise
Seit 35 Jahren verhilft das Förderprogramm jungen Erwachsenen zu mehr Mobilität innerhalb Europas und hält so eine kontinentalphilosophische Tradition am Leben, die schon Michel de Montaigne pflegte: Die Bildungsreise.
Das 1987 ins Leben gerufene Austauschprogramm hat es bereits 12 Millionen jungen Studierenden ermöglicht, durch Europa zu reisen. Und die Zahl wird weiter steigen, denn die Europäische Kommission hat das Programm Erasmus+, wie es seit Januar 2014 offiziell heißt, für den Zeitraum von 2021 bis 2027 bereits mit einem Budget von 26,2 Milliarden Euro ausgestattet. Fast doppelt so viel wie für die Jahre 2014 bis 2020 (14,7 Milliarden).
Neben der Begeisterung, die das Programm bei jungen Europäern auslöst, ist Erasmus – Akronym für „European Community Action Scheme for the Mobility of University Students“ – vor allem das würdige Erbe einer alten kontinentalphilosophischen Tradition: der Lernreise, die im Zentrum des humanistischen Denkens der Renaissance stand.
Erasmus auf Erasmus-Reise
Mit seinem Namen ehrt das Programm den Renaissance-Philosophen Erasmus von Rotterdam (1466-1536). Als Gelehrter, der sich sowohl mit den antiken Denkern als auch mit der christlichen Theologie auskannte, war Erasmus der Archetyp des Erasmusstudenten. Er wurde in Rotterdam geboren, machte seinen Doktor in Theologie an der Sorbonne in Paris und reiste nach Löwen, England und Italien. Unterwegs korrespondierte er unermüdlich mit den klügsten Köpfen seiner Zeit: dem französischen Humanisten Guillaume Budé, dem englischen Theologen John Colet oder dem protestantischen Reformer Philipp Melanchthon. Apropos Protestantismus: Obwohl Erasmus den Exzessen der römischen Kirche stets kritisch gegenüberstand, lehnte er die von Martin Luther eingeleitete protestantische Reformation ab – im Namen der geistigen Einheit Europas. Der Name Erasmus steht daher auch für eine Überzeugung: Ohne Ideenaustausch zwischen den großen Geistern Europas, kann es keine Einheit des Kontinents geben.
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