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Illustrationen: Paul Blow

Essay

Gestupst in ein besseres Leben?

Adrien Barton veröffentlicht am 01 Februar 2016 14 min

Sogenannte „Nudges“ sind überall: auf Zigarettenschachteln, in Selbstbedienungsläden und Krankenhäusern. Was sollen wir halten von diesen „Anstupsern“, die uns dazu bewegen wollen, Gutes zu tun?

 

Was haben am Boden eines Pissoirs aufgeklebte Fliegen, das Foto einer von Krebs zersetzten Lunge auf einer Schachtel Zigaretten und der Slogan der RATP, des Pariser Personennahverkehrs, „Bleiben wir höflich auf ganzer Linie“, gemeinsam? Antwort: Alle drei sind Nudges, oder wie man auch auf Deutsch sagen könnte, Anstupser: nicht verpflichtende, jedoch psychologisch effektive Eingriffe, die uns dazu bringen wollen, uns anständiger zu verhalten. Die Männer scheinen der Versuchung, auf die Fliege zu zielen, kaum widerstehen zu können, sodass weniger danebenlandet; wegen der unschönen Fotos ist der Zigarettenkonsum geringer; die Kampagne der Pariser Verkehrsbetriebe ermuntert uns, unsere Sitznachbarn zu respektieren. Steht hinter den Anstupsern eine öffentlich-rechtliche Institution (häufig der Staat), mit dem Ziel, das Individuum seinen Interessen gemäß zu lenken, spricht man von libertärem Paternalismus: „Paternalismus“, weil die Institution dem Individuum bei Entscheidungen Orientierungshilfen zu seinem Wohle gibt, wie ein Elternteil; „libertär“, weil das Individuum frei bleibt, anders zu handeln.

Vorsichtig ausgedrückt kann man sagen, dass das Konzept der Anstupser, das der Verhaltensökonom Richard H. Thaler und der Jurist Cass R. Sunstein entwickelt haben, international großes Gehör gefunden hat. Thaler hat den britischen Premier David Cameron beraten, was zur Gründung des Behavioral Insights Team führte, einer Kommission, die sich dem Einsatz von Nudges im Vereinten Königreich widmet. Sunstein war der Kopf der Kommission von Barack Obama, des Office of Information and Regulatory Affairs (OIRA). Eine „executive order“, ein Dekret des amerikanischen Präsidenten vom 15. September 2015, fordert die Bundesbehörden auf, die Ergebnisse der Verhaltensforschung in ihren Programmen zu berücksichtigen. Und auch in Merkels Kanzleramt ist eine Taskforce für Nudges aktiv. Es gibt zudem jede Menge wissenschaftlicher Literatur aus den Bereichen Philosophie, Psychologie, Wirtschaft, Rechtswissenschaft und Medizin, die das Nudging von allen Seiten durchleuchtet und es auf Nutzen und Stichhaltigkeit prüft.

Tatsächlich wirft das Nudging zahlreiche ethische und politische Fragen auf: Darf der Staat auf diese Weise Einfluss nehmen auf uns? Der Angst vor „Big Brother“ folgt die Vorstellung von „Little Brother“, der uns von Anstupser zu Anstupser sanft, aber bestimmt zu einer normierten Verhaltensweise drängt, wobei jede Anwandlung politischen Widerstands im Keim erstickt würde. Handelt es sich um eine unrechte Form der Manipulation und des psychologischen Totalitarismus? Ein kleiner Überblick in sechs Punkten.

 

Da haben wir den Salat: Die Entscheidungsarchitektur

 

Frühstückspause, Sie haben Hunger! Aber irgendetwas ist anders als sonst in der Kantine: Vor Ihnen steht eine Salatbar anstelle der gewohnten Auslage mit Pizza. Hmmm, ein Salat? Ist sonst eher nicht Ihr Geschmack, aber warum nicht? Ist mal was anderes und auch besser für die Linie. Als Sie sich der Kasse nähern, kommen Sie an dem verlegten Pizzastand vorbei. Kurz durchzuckt Sie der Gedanke, Ihren Salat gegen eine Pizza einzutauschen, aber Sie überlegen es sich schnell: Sie geben doch jetzt nicht Ihren schönen Salat wieder her – was man hat, das hat man! Während Sie an der Kasse stehen, erblicken Sie noch einen Korb mit knackigen Äpfeln. Her damit! Sie schnappen sich einen, etwas Obst wird Ihnen auch nicht schaden.

Diejenigen, die in der Kantine die Menüs vorbereiten, haben in die Entscheidungsarchitektur eingegriffen, also in den Kontext, in dem Ihre Wahl getroffen wird. Wissenschaftler der amerikanischen Universität in Cornell haben gezeigt, dass durch solche Maßnahmen der Konsum von Gemüse um 25 Prozent steigt, der von Obst um 18 Prozent – ein beachtlicher Beitrag zur Gesundheit des Verbrauchers. Diese Methoden sind nicht neu. Es handelt sich vielmehr um Aneignungen klassischer Marketingtechniken. Nur dienen Letztere für gewöhnlich der Gewinnsteigerung des Unternehmens (ob Sie nicht doch noch eine kleine Tüte Bonbons kaufen, während Sie in der Kassenschlange Ihres Supermarkts anstehen?) und nicht dem Wohl des Verbrauchers. Das Prinzip beruht darauf, mit den individuellen kognitiven Verzerrungen zu spielen. Dazu gehört die Trägheit: Wir neigen dazu, Entscheidungen mangels anderer Alternativen zu treffen – so wie mit dem Salat im Eingangsbereich der Kantine.

Zum anderen spielt, was man im Englischen den „endowment effect“ – den Besitztumseffekt – nennt, eine wichtige Rolle: Haben wir etwas erworben, messen wir ihm mehr Wert bei. Habe ich mich also einmal für den Salat entschieden, ist es „mein“ Salat, und den rücke ich nicht so schnell wieder raus, nicht mal für eine leckere Pizza! Wie verhindert man aber, dass solche Arrangements in ethisch nicht hinnehmbare Manipulationen ausarten? Man könnte die Eingriffe transparent machen – die Kantine könnte klar ankündigen, welches Ziel sie verfolgt und mit welchen Mitteln sie das tut, etwa durch einen Aushang am Eingang. Menschen, deren Interessen nicht mit denen der Mehrheit zusammenfallen, könnten sich auf diese Weise und mit diesem Wissen dem Einfluss dieses Eingriffes entziehen – der Anstupser bliebe ein Anstupser, und nicht ein Tritt in den Hintern!

 

Genuss oder Sucht? Fragliche Heuristik

 

„Rauchen verursacht Lungenkrebs“, „Rauchen in der Schwangerschaft schadet Ihrem Kind“, „Rauchen kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen“. Sie können nicht sagen, Sie hätten es nicht gewusst! Aber wie akzeptabel sind diese Hinweise auf Zigarettenschachteln? Man hätte sein Leben schon in einer Höhle verbracht haben müssen, um von den Gefahren des Rauchens noch nie gehört zu haben. Kann man den Rauchern ihr kleines Glück nicht einfach lassen? Schließlich ist es ihre Entscheidung, wenn sie im Wissen um die Folgen für ihre Gesundheit rauchen!

Andererseits, wenn vermutlich alle Erwachsenen um die Gefahr der Zigarette wissen, so muss das nicht auf ein beispielsweise siebenjähriges Kind zutreffen, dessen Neugier von einer Schachtel Zigaretten angeregt wird. Weiter dienen die abschreckenden Hinweise nicht nur dazu zu informieren, sondern auch dazu, Entscheidungen auf subtilere Art und Weise zu beeinflussen. Wir entscheiden in der Tat häufig intuitiv statt wohlüberlegt, und zwar mittels schneller Entscheidungsprozesse, die man als heuristisch bezeichnet. Die „Repräsentativitätsheuristik“ lässt uns vor Handlungen zurückschrecken, mit denen wir reflexhaft unheilvolle Konsequenzen in Verbindung bringen. Wir fürchten uns mehr vor Flugzeugunglücken, über die in den Medien gerne lang und breit berichtet wird, als vor Autounfällen, selbst wenn die gefährlichste Strecke einer Reise von Paris nach New York die Autofahrt zum Flughafen Charles-de-Gaulle ist. Die Warnhinweise auf der Schachtel hämmern uns die Gefahren der Zigarette ein und zielen darauf ab, unsere Intuition so zu strukturieren, dass der Verbraucher weniger raucht.

Aber ist diese Art von Einflussnahme ethisch vertretbar? Man könnte hier zwei Möglichkeiten der Rechtfertigung erwägen. Die erste könnte sich auf das Prinzip des Nichtschadens stützen: Die Entscheidung fürs Rauchen bleibt selten ohne Folgen für die anderen, 2004 schätzte man, dass passives Rauchen 1 Prozent der Gesamtmortalität in der Welt ausmachte (alle Ursachen zusammengenommen), eine beachtliche Zahl angesichts eines Risikos, dem die Opfer nie zugestimmt haben. Wenn man also nicht immer nur allein raucht, handelt es sich demnach nicht um eine „persönliche Entscheidung“. Eine zweite Möglichkeit zu argumentieren wäre die paternalistische, die empfiehlt, die Menschen dahingehend zu unterstützen, dass sie entsprechend ihren Interessen handeln. Ein Großteil der Raucher beteuert, mit dem Rauchen aufhören oder wenigstens den Konsum reduzieren zu wollen, schafft es aber aufgrund der Nikotinabhängigkeit nicht. Indem man die Menschen antreibt, weniger zu rauchen, kommen sie ihrem Ziel näher. Aber soll man diese Wünsche ernst nehmen? Das ist eine philosophische Frage, zu der auch die Biochemie der Sucht ihren Teil beiträgt.

 

Was der Arzt sagt: Einfluss kleinster Wahrscheinlichkeiten

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