Jenseits der Traumhäuser
Donatella Di Cesare bestimmt die politische Position der Philosophie neu: weg vom starken Subjekt, hin zum „Anderen“ und Schwachen
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Von der politischen Berufung der Philosophie
Jenseits der Traumhäuser – Donatella Di Cesare bestimmt die politische Position der Philosophie neu: weg vom starken Subjekt, hin zum „Anderen“ und Schwachen

Machiavelli und der Krieg
Ist er das Ende oder vielmehr der Anfang aller Dinge? Und wirklich in jedem Fall ein vermeidbares Übel? Niccolò Machiavellis Werk über die „Kunst des Krieges“ widmet sich Themen von trauriger Aktualität: Berufsarmee oder allgemeine Wehrpflicht? Welche Bedeutung kommt der Religion und einer starken Führergestalt für den Kampfeswillen zu? Ist die Qualität der Waffen entscheidend oder die Ausbildung der Soldaten? Fragen, die seit Menschengedenken über Leben und Tod, über die Zerstörung alter oder die Schaffung neuer Staaten entscheiden. Bis in unsere heutige Zeit, ja unseren eigenen Kontinent hinein. Zwar mögen Machiavellis Antworten nicht immer unsere moralische Zustimmung verdienen. Sehr wohl aber unser politisches Interesse.
Imre Kertész: "Denken ist eine Kunst, die den Menschen übersteigt"
Die Redaktion des Philosophie Magazin trauert um Imre Kertész. In Gedenken an den ungarischen Schriftsteller veröffentlichen wir ein Interview mit ihm aus dem Jahr 2013.
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Nietzsche, Wittgenstein, Camus – es war die Philosophie, die Imre Kertész den Weg zur Literatur wies. Der ungarische Nobelpreisträger blickte in seinem, wie er selbst vermutete, „letzten Interview“ zurück auf ein Leben, das sich weder durch Konzentrationslager noch die kommunistische Zensur zum Schweigen verdammen ließ.
„Wissen Sie, ich habe viel über Ihre Fragen nachgedacht“, sagte Imre Kertész gleich zu Beginn, als er uns in seiner Wohnung in Buda, einem Stadtteil von Budapest, empfing. „Mir liegt daran, mit Ihnen ein schönes Interview zu führen, weil es vermutlich mein letztes sein wird.“ Dieser testamentarische Satz könnte makaber wirken, aber im Gegenteil: Seiner kurzatmigen Stimme zum Trotz leuchtet es in seinen Augen lebhaft und verschmitzt. Seit gut einem Jahrzehnt kämpft Kertész mit der Parkinsonkrankheit, Ursache zahlloser Schmerzen und Schwierigkeiten, von denen seine veröffentlichten Tagebücher berichten. Diese Krankheit zwang ihn, 2012 offiziell das Schreiben aufzugeben, und lässt ihm täglich nur wenige kurze Momente der Ruhe.
Es ist schwer, nicht gerührt zu sein bei der Begegnung mit diesem so geprüften und zugleich so zäh durchhaltenden Menschen, der unentwegt über die Paradoxa des Daseins als „Überlebender“ nachgesonnen hat. Imre Kertész wurde 1929 geboren. 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert, dann nach Buchenwald gebracht, wo er 1945 die Befreiung des Lagers erlebte. Den wesentlichen Teil seines Lebens hat er daraufhin unter dem kommunistischen Regime in Ungarn verbracht. Kertész begann Mitte der fünfziger Jahre zu schreiben. Zugleich toleriert vom Regime und sorgsam ferngehalten von der Öffentlichkeit, veröffentlichte er in äußerst überschaubaren Auflagen und kühl aufgenommen von der offiziellen Kritik Meisterwerke wie „Roman eines Schicksallosen“ oder „Der Spurensucher“. Erst mit dem Zusammenbruch des Ostblocks wurden seine Werke in aller Welt übersetzt und fanden internationale Anerkennung, gekrönt vom Literaturnobelpreis im Jahr 2002.
Wenn es eine weniger bekannte Dimension seiner Existenz gibt, dann ist es das Verhältnis des Schriftstellers zur Philosophie. Aus Leidenschaft, doch auch, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, übersetzte Imre Kertész zahlreiche deutsche Philosophen vom Deutschen ins Ungarische, unter ihnen Friedrich Nietzsche und Ludwig Wittgenstein. Die Lektüre dieser Autoren sowie die von Albert Camus und Jean-Paul Sartre hat unentwegt sein Werk genährt. Vor allem aus dem Wunsch heraus, sich über seine – intensive und beständige – Beziehung zur Philosophie zu äußern, stimmte Kertész unserer Interviewanfrage zu.

Durchbruch zum Anderen?
Die Philosophie der Moderne nimmt ein vereinzeltes Subjekt zum Ausgangspunkt. Der Andere ist für sie vor allem ein unlösbares Problem. Dieser metaphysische Skandal prägt unsere Kultur bis heute
Judith Butler und die Gender-Frage
Nichts scheint natürlicher als die Aufteilung der Menschen in zwei Geschlechter. Es gibt Männer und es gibt Frauen, wie sich, so die gängige Auffassung, an biologischen Merkmalen, aber auch an geschlechtsspezifischen Eigenschaften unschwer erkennen lässt. Diese vermeintliche Gewissheit wird durch Judith Butlers poststrukturalistische Geschlechtertheorie fundamental erschüttert. Nicht nur das soziale Geschlecht (gender), sondern auch das biologische Geschlecht (sex) ist für Butler ein Effekt von Machtdiskursen. Die Fortpf lanzungsorgane zur „natürlichen“ Grundlage der Geschlechterdifferenz zu erklären, sei immer schon Teil der „heterosexuellen Matrix“, so die amerikanische Philosophin in ihrem grundlegenden Werk „Das Unbehagen der Geschlechter“, das in den USA vor 25 Jahren erstmals veröffentlicht wurde. Seine visionäre Kraft scheint sich gerade heute zu bewahrheiten. So hat der Bundesrat kürzlich einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der eine vollständige rechtliche Gleichstellung verheirateter homosexueller Paare vorsieht. Eine Entscheidung des Bundestags wird mit Spannung erwartet. Welche Rolle also wird die Biologie zukünftig noch spielen? Oder hat, wer so fragt, die Pointe Butlers schon missverstanden?
Camille Froidevaux-Metteries Essay hilft, Judith Butlers schwer zugängliches Werk zu verstehen. In ihm schlägt Butler nichts Geringeres vor als eine neue Weise, das Subjekt zu denken. Im Vorwort zum Beiheft beleuchtet Jeanne Burgart Goutal die Missverständnisse, die Butlers berühmte Abhandlung „Das Unbehagen der Geschlechter“ hervorgerufen hat.
Trauen wir uns zu trauern
Beim Umgang mit der Corona-Pandemie bleibt für das Betrauern unseres Normalitätsverlusts kaum Zeit. Dabei könnte gerade das die politische Gemeinschaft stärken. Ein Denkanstoß von Stephanie Rohde.

Von Natur aus Böse?
Menschen werden in schwachen Momenten zum Tier, haben „Wutausbrüche“, laufen Amok. Lauert unterhalb der dünnen zivilisatorischen Schicht die wahre Natur des Menschen? Ein Theologe, ein Evolutionsbiologe und ein Psychoanalytiker geben Antwort
Wo ist das Kind, das ich war?
Eine unheimliche Erfahrung. Dieser Mensch auf dem Foto, der mit Zahnlücke in die Kamera lächelt, das soll einmal ich gewesen sein? Mit allen seinen überschüssigen Träumen, Ambitionen, Fragen und Plänen? Fast unmöglich, ein geklärtes Verhältnis zu den eigenen Anfängen zu finden. Jenseits von Nostalgie und romantischer Verklärung. Aber auch frei von der Illusion, die biografische Vergangenheit ganz hinter sich lassen zu können. Während die einen die Infantilisierung der Gesellschaft beklagen, fordern andere eine heilende Rückkehr zum inneren Kind. Ist der Weg ins Erwachsenenleben notwendig der einer Desillusion und Selbstentfremdung? Und was könnte das überhaupt heißen: erwachsen sein? Ein Dossier über eine Frage, die sich jeder stellen muss.