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Bild: Geoff Livingston (CC BY-NC-ND 2.0)

Impuls

Kinder haften für ihre Eltern

Jan Skudlarek veröffentlicht am 02 März 2021 5 min

Verschwörungsdenken wird immer öfter zur familiären Belastungsprobe. Und dabei sind es zunehmend Kinder und Jugendliche, die ihre Eltern vor dem erkenntnistheoretischen Abgleiten bewahren wollen. Der Philosoph Jan Skudlarek über die Umkehr des Verantwortungsverhältnisses und über Wege aus der Höhle der „alternativen Fakten“.

 

Im Höhlengleichnis von Platon sitzen Gefangene in einer Höhle und halten – zwangsweise – Wandschatten für die Wirklichkeit. Die Trugbilder sind die einzige Normalität, die sie kennen. Bis ein mutiger Philosoph herabsteigt, die Gefangenen befreit und sie behutsam ins Licht führt, wo sie nicht mehr nur Schatten sehen, sondern jene Dinge, die sie werfen: die Wahrheit, die Wirklichkeit. Die Corona-Pandemie hat Erkenntnistheorie überraschend zeitgeistig gemacht. Jener Teil der Philosophie, der sich mit „Was ist wahr?“ und „Was ist wirklich?“ befasst, hat einerseits zwar eine stabile Fanbase, andererseits gibt es auch jene, die bei Wahrheitsproblemen gähnen oder gar einnicken. Welche Relevanz dieser philosophischen Disziplin jedoch zukommt, zeigt sich spätestens seit Anfang 2020.

Klar, wir hatten zuvor schon Jahre voller „Fake News!“ schreiender Präsidenten, herbeigelogener „alternativer Fakten“ und Menschen, die so ziemlich an allem gezweifelt haben, woran man nur zweifeln kann. Wer lang genug die YouTube-Universität besucht, stellt sogar die Erdform in Frage (Stichwort flat earth). Mit der Pandemie trafen uns indes neue Trugschlüsse, weitere Desinformationen und virale Verschwörungstheorien wie das redensartliche Brett vorm Kopf: Corona aus dem Labor, die Pandemie eine „Plandemie“, die Impfung als mit Mikrochips gespickter und prä-totalitärer Teil einer schlafschafigen Unterjochung. Und dann ist da noch QAnon, jene Verschwörungserzählung, deren kometenhafter Aufstieg internationales Kopfzerbrechen bereitet.

Dabei geht es um ein weltweites Pädophilennetzwerk und eine moralisch verdorbene Politikerkaste, die, vampirisch angehaucht, Kinderblut in Form des Verjüngungsserums „Adrenochrom“ trinkt. Selbstverständlich gibt es auch die Guten, die ebenjenes satanistische Machtnetzwerk bekämpfen – allen voran Donald Trump und vermutlich hunderttausende QAnon-Fußsoldaten, die im Internet für vermeintliche Gerechtigkeit sorgen. Sagte ich im Internet? Anhänger der Q-Theorie, die so heißt, weil ein anonymer Hinweisgeber namens „Q“ immer mal wieder aus dem inneren des Schweinesystems berichtet, stürmten am 6. Januar 2021 gewaltsam das US-amerikanische Kapitol. Der mittlerweile inhaftierte halbnackte Büffelmann aus dem Kapitol, der selbst ernannte „QAnon-Schamane“ Jake Angeli, ist nur einer von ihnen.

 

Innerfamiliärer Sprengstoff

 

Wer das für den Wahn von einigen Wenigen hält, dem sei gesagt, dass erstens die meisten nicht wahnhaft gestört sind und wir es zweitens mit einer Zahl im zweistelligen prozentualen Bereich zu tun haben. Umfragen zeigen regelmäßig, dass rund dreißig Prozent der Menschen etwas für Verschwörungserzählungen übrighaben. Zwanzig Prozent sind ihnen nicht abgetan und zehn Prozent sogar stark zugeneigt. Verschwörungsdenken ist also keine Einzelstörung, sondern ein Massenphänomen.

Zu Corona-Zeiten sorgt die konspirative Problematik nicht nur für pseudo-querdenkende Demonstranten, semi-amüsante DSDS-Jury-Rauswürfe und flüchtige Veganköche. Neben gesellschaftlich-medialen Verwerfungen gibt es die ganz persönlich Betroffenen, die privaten Schicksale. Was bei Kollegen vielleicht nur nervt, tut bei Freunden weh. Und richtig schmerzhaft wird es in der eigenen Familie. Wenn Mutter oder Vater die Pandemie für eine „Plandemie“ halten und Medien nur noch als „Lügenpresse“ firmieren, dann ist das innerfamiliärer Sprengstoff.

Immer häufiger haben wir es nämlich mit jungen Menschen zu tun, nicht selten noch Teenagern, die sich ratsuchend an Journalisten oder zum Thema Verschwörungstheorie arbeitende Menschen wie mich wenden und sagen: „Hilfe! Meine Eltern driften ab! Was soll ich tun? Wie kann ich ihn ihnen helfen.“ Auf dem Internetforum Reddit hat das Unterforum „QAnonCasualties“ mittlerweile fast 140 000 Mitglieder, die sich gegenseitig zuhören, Tipps geben und vor dem Hintergrund radikalisierter Freunde und Familienangehöriger trösten.

Die Pandemie führt in vielerlei Lebensaspekten zu einer Neuordnung der Verhältnisse. Früher waren es die Eltern, die versucht haben, Veränderungen in Verhaltens- und Denkweisen ihrer Zöglinge sensibel und wachsam zu deuten. Nimmt mein Kind Drogen? Spielt mein Kind Killerspiele? Muss ich mir Sorgen machen? Heute führt eine konspirativ bedingte Umkehrung des Fürsorge-Verhältnisses oft dazu, dass junge Menschen zunehmend belastet werden von Weltsicht und politischer Verortung ihrer Eltern. Liest mein Papa etwa bei Attila Hildmann? Bestellt Mama gerade Pumpernickel und Wasserfilter, nur für den Notfall? Muss ich mir Sorgen machen?

 

Abschied aus der Demokratie

 

Das Problem ist real und mitunter tragisch. Erst kürzlich schrieb mir jemand auf Twitter – natürlich nicht anonymisiert, sondern mit Doktortitel, Vor- und Zunamen – unter einem verschwörungstheorie-kritischen Post: „Ein so junger Mensch und so eine Systemratte! Unfassbar!“. Ein Blick auf sein Profil verrät: Auch er ist wohl jemandes Vater, jemandes Großvater. Ein offenbar halbwegs kluger Mann (und passionierter Bergsteiger). Wie umgehen mit solchen Mitmenschen? Was tun mit Q-lingen in der Familie?

Wir können jungen Menschen, die womöglich sogar noch bei ihren Eltern wohnen, leider kein Allheilmittel an die Hand geben. Nicht zuletzt sind prä-apokalyptische und konspirative Ansichten („Der Große Reset! Er steht bevor! Nur Q kann uns retten!“) meist das Ergebnis eines monate- oder jahrelangen Radikalisierungsprozesses. Will heißen: Die Schattenbilder, die an die Höhlenwand geworfen wurden, haben sich über die Jahre verfestigt. Doch wie bei Platon ist nicht alle Hoffnung vergebens. Wir müssen jeden Jugendlichen, jede Jugendliche, die es sich zum Ziel gemacht hat, ihre Eltern aus dem Bann der Trugbilder zu befreien, unterstützen. Es geht nämlich nicht nur um die Liebe zu Wahrheit. Es geht um das richtige Handeln, um moralische Lebenspraxis – immerhin lassen sich Impfverschwörungstheoretiker nicht impfen und wer Politiker für korrupte Kinderbluttrinker hält, verabschiedet sich aus der Demokratie.

Was viele Jugendliche heute innerfamiliär versuchen, ist also mehr als eine erkenntnistheoretische Übung, es ist ein Rettungsversuch. Jene, die in totmetaphorisierten Matrix-Bildern von der „Red Pill!“ und dem „Aufwachen!“ faseln, sind in Wahrheit diejenigen, die von Trugbildern geblendet sind und gerettet werden müssten. Dass es heutzutage gerade oft die Kinder sind, die sich einer Elternrettung verschreiben, statt sich ihrer eigenen Entwicklung zu widmen, ist alarmierend und traurig zugleich.

 

Frust und Sprachlosigkeit

 

Jugendliche brauchen unsere Unterstützung, wo es nur geht. Wie diese Unterstützung aussehen kann, ist allgemein nicht leicht zu sagen, weil die Fälle sich individuell so stark unterscheiden. Zunächst ist wichtig, den Jugendlichen zuzuhören und anzuerkennen, das überhaupt ein Problem besteht. Selbsthilfegruppen wie QAnonCasualties können wertvoll sein, gibt es doch immer Leidensgenossen, die sich besonders gut einfühlen können. Denn vielen Mitmenschen von außerhalb fällt es immer noch schwer, sich vorzustellen, wie viel Frust, Sprachlosigkeit und auch Wut in einer durch Verschwörungstheorien vergifteten Familienbeziehung stecken kann. Also: beistehen, emotional unterstützen, Gleichgesinnte suchen. Und auf weitere Hilfsangebote verweisen.

So hat etwa die Aufklärungsseite „Der Goldene Aluhut“ eine kostenlose Info-Broschüre erstellt, die einige wirksame Tipps und Tricks bei Themen Diskussionskultur bis Quellenrecherche enthält. Grundsätzlich ist es ratsam, möglichst sachlich und höflich zu bleiben – ein Gespräch aber auch (temporär) abzubrechen, wenn es zu belastend wird oder sich als aussichtslos entwickelt. Was wir tun und raten können, mag von Fall zu Fall variieren. Fest steht: Unterstützung und Hilfe sind notwendig, und zwar besser zu früh als zu spät. Sonst bleiben die Verschwörungstheoretiker Gefangene ihrer Trugbilder. Aber auch die Kinder bleiben sonst die Gefangenen ihrer Eltern. Zeit, die Höhle zu verlassen. •

 

Jan Skudlarek ist promovierter Philosoph und Publizist. Zum Thema erschien von ihm „Wahrheit und Verschwörung – Wie wir erkennen, was echt und wirklich ist“ (Reclam, 2019).

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