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Bild: Gallerystock/ Westend61/Corwin von Kuhwede

Impuls

Mein Leben als Liste

Catherine Newmark veröffentlicht am 15 August 2015 6 min

Der gehetzte Mensch der Gegenwart droht sich in kleinteiligen Aufgabenstellungen zu verlieren. Mit den Philosophen John Dewey und Wilhelm Dilthey lässt sich begreifen, wie aus vielen kleinen Zielen dennoch ein sinnvolles Ganzes wird.

 

Manchmal kommt es mir so vor, als sei mein Leben eine einzige Liste. Ferien planen. Steuererklärung ausfüllen! Neue Lampe fürs Wohnzimmer kaufen. Regelmäßig joggen. Drei Kilo abnehmen. Hochzeitsgeschenk für Anna und Michael finden … Lauter kleine Aufgaben, ordentlich notiert auf Zetteln und in Notizbüchern. Das zerstreute Ich der Moderne greift gerne danach. Sie liegen auf Schreibtischen oder hängen an Kühlschränken, werden gerne wochenlang ignoriert und gelegentlich energisch erneuert: To-do-Listen, die uns an all unsere kurzfristigen Aufgaben und mittelfristigen Ziele erinnern. Sie sind Gedächtnisstütze und mahnende Instanz zugleich, sie entlasten unseren Kopf und setzen uns zugleich unter Handlungsdruck. Dinge auf ihnen durchzustreichen, erfüllt uns meist mit größter Befriedigung.

Und das, was nicht durchgestrichen werden kann, lässt sich doch fein säuberlich auf eine neue Liste übertragen … Nicht allein die Tatsache aber, dass sich, sobald ich eine Liste als erledigt in den Papierkorb werfen kann, bereits wieder die nächste füllt, lässt mich hin und wieder am Zweck des Ganzen zweifeln. Nein, auch die Frage, ob all dieser Aktivismus und all diese pragmatische Zielstrebigkeit wirklich etwas mit dem Ziel meines Lebens in einem größeren Sinn zu tun hat, lässt mich nachts nicht gut schlafen. Das Abarbeiten kleiner Ziele mag lebenspraktisch notwendig und überdies psychologisch befriedigend sein. Aber wie verhalten sich diese kurzfristigen und kleinen Zielsetzungen des Alltags zum großen Ziel des Lebens? Hat mein Leben überhaupt ein übergeordnetes Ziel? Und wenn ja: welches

 

Unterwegs zur Vollkommenheit

 

Die klassischste aller philosophischen Antworten auf diese Frage ist diejenige von Aristoteles, und sie lautet: ja. Es gibt für Menschen ein höchstes Gut, auf das wir hinstreben, ein allen kleinen Zielen übergeordnetes Endziel, und das ist das Glück. Aristoteles zufolge ist das eine empirische Tatsache: Alle Menschen wollen glücklich sein, das heißt „gut leben“ und „gut handeln“. Auch wenn sich nicht alle Menschen, wie er in seiner Nikomachischen Ethik ausführt, einig sind, worin dieses „gut leben“ besteht. Manche suchen es etwa irrtümlicherweise in „etwas Sichtbarem und Greifbarem, wie Lust, Reichtum oder Ehre“. Für den Philosophen ist hingegen klar: Glück ist nicht ein Besitz, es kann nicht im Materiellen oder bloß Äußerlichen gesucht werden. Das Ziel des Menschen liegt vielmehr in der Selbstvervollkommnung, in der tugendhaften Tätigkeit, die seinem Wesen gemäß ist. Aristoteles bezeichnet darum die Kontemplation, die intellektuelle Tätigkeit der Seele, als vollkommenste Form des menschlichen Glückes: Die geistige Beschäftigung ist die spezifischste menschliche Eigenschaft und ihre Ausübung bringt ihn am ehesten zur Vollkommenheit. Er gesteht aber auch zu, dass es durchaus tugendhaftes und mithin gutes, glücklich machendes Verhalten in vielen Teilbereichen gibt – von der staatsbürgerlichen Betätigung in der Politik über die Ausübung verschiedener Berufe und Künste bis hin zum guten Erfüllen alltäglicher Pflichten. 

Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass antike Athener To-do-Listen anfertigten: Mit Aristoteles könnte ich durchaus meine Aufgabenlisten als Hilfestellung sehen beim kontinuierlichen Bemühen, mein Leben nicht nur irgendwie, sondern eben auch gut zu bewältigen. Das Erreichen kleiner Ziele führt zwar für Aristoteles nicht zum Endziel Glück, steht aber mit ihm in Verbindung, insofern es auch „tugendhaft“ ist: Wenn ich meine Steuern pünktlich zahle, erfülle ich die Tugend der Bürgerin. Wenn ich rechtzeitig meine Gardinen wasche, die Tugend der Hausfrau. Und in diesem tugendhaften Verhalten zu meinen kleinen Zielen liegt zumindest eine erste Stufe des „gut handeln“ und „gut leben“, das Aristoteles mit dem Glück identifiziert.

Aber ist „gut handeln“ und „glücklich sein“ nicht ein allzu abstraktes Ziel? Und vor allem: Können wir modernen Menschen mit unseren zersplitterten Biografien und unserem höchstens noch brüchigen Glauben an einen sinnvoll geordneten Kosmos wirklich noch ein höchstes Gut, das unserem Leben einen übergeordneten Sinn gibt, zum Leitziel nehmen? Aristoteles’ Vorstellung von einem Guten, das für alle Menschen wesentlich ist, konnte im Mittelalter als summum bonum von seinen scholastischen Interpreten mühelos in einen theologischen Weltzusammenhang eingeordnet werden, weil sie insgesamt von einer sinnvollen und zielgerichteten Welt ausgeht.

 

Pragmatisches Denken

 

Dass es kein übergeordnetes „höchstes Gut“ braucht, das alle meine Ziele auf ein Ziel hin ordnet, hat nachdrücklich der amerikanische Pragmatist John Dewey vertreten. Das antike griechische Zieldenken bezeichnet er etwa in Erfahrung und Natur (1925) als naiv: Ein übergeordnetes, gleichsam statisches Ziel, auf das wir unsere Handlungen ausrichten, entspricht schlicht nicht unserer psychischen Realität. In Wahrheit gestaltet sich unser Leben viel kleinteiliger. Nicht nur „konstruieren“ wir das für uns jeweils Gute ständig selbst. Nein, auch die Ziele, die wir anstreben, entstehen erst im Zusammenhang mit Handlungen, die zu ihnen führen. Dewey spricht von „ends-in-view“, also „Zielen in Sichtweite“, als denjenigen Zielen, die uns nahe genug sind, dass wir konkret auf sie hinarbeiten können.

Ob wir diese Ziele verfolgen, hängt nicht nur davon ab, ob wir sie in einer Situation gerade als wünschenswert erachten, sondern auch davon, ob wir die Mittel haben, sie zu erlangen. Unsinnig wäre es Dewey zufolge, ein Ziel anzustreben, das wir nicht erreichen können. Vielmehr nehmen wir uns immer nur Ziele vor, die tatsächlich in Reichweite sind; wenn nötig, ändern wir sie ab. Ist das Leben also eine bloß lose Folge von jeweils erreichbaren Zielen? In gewisser Weise ist Dewey der ideale Denker der sich stets wandelnden To-do-Liste. Was zu lange auf meiner Liste bleibt, weil ich nicht schaffe, es umzusetzen, wird gestrichen – wahrscheinlich war es sowieso nicht das richtige Ziel.

 

Ziel im Rückspiegel

 

Etwas beunruhigend an diesem pragmatischen Zugang zum Thema Ziel ist freilich, dass er keine Antwort auf die Gefahr der totalen Verzettelung in sinnlosen Kleinzielen liefert. Jenseits der Ordentlichkeit der eigenen Ziellisten und dem gerade machbaren Umsetzen derselben – müsste es da nicht doch irgendeine größere Ordnung des Ganzen geben? 

Eine mögliche Antwort liefert der Lebensphilosoph Wilhelm Dilthey, der sich um 1900 intensiv mit der Frage nach dem „Verstehen“ als dem Grundkonzept der Geisteswissenschaften beschäftigte. Dilthey zufolge ist die „Selbstbiografie“ die höchste Form des Verstehens, weil in ihr der Verstehende einen direkten Zugang zu seinem Gegenstand hat: sich selbst. Autobiografisches Erzählen ist aber für Dilthey nicht etwa bloß gefühlsmäßige Nabelschau, sondern der Versuch, die einzelnen Ereignisse, Erlebnisse und Handlungen in der erinnernden Rückschau in einen größeren Sinnzusammenhang einzubetten – ihnen sozusagen ex post ein Ziel zu geben: „Es wird ein Zusammenhang aufgesucht, der nicht in der bloßen Relation von Ursachen und Wirkungen besteht. Will man ihn aussprechen, so hat man nur Worte für ihn wie Wert, Zweck, Sinn, Bedeutung.“ (Das Erleben und die Selbstbiographie) Dilthey zufolge können wir also zwar nicht in der Gegenwart, aber doch zumindest in der Rückschau einen übergeordneten Sinn und ein Ziel, auf das alles hinlief, für unser Leben herstellen.

Wer nicht wie manche Stars schon mit 17 seine Autobiografie schreibt (oder wie Boris Becker im Alter von 45 bereits zwei geschrieben hat), wird sich in der Frage nach dem Ziel des Ganzen also gedulden müssen. Erst im fortgeschrittenen Alter können wir, egal ob in Buchform oder mündlich, diejenige Erzählung finden, aus der klar wird, auf welches große Ziel unser Leben, alle unsere kleinen Ziele und Hoffnungen, letztlich hinführte. Mit Dilthey müssten wir also zugeben: Bevor es gelebt wurde, können wir gar nicht wissen, was das Ziel unseres Lebens eigentlich war. In der Zwischenzeit schreiben wir weiter unsere kleinen Ziele auf Listen. In der Hoffnung, dass sie sich in der Summe irgendwann zu einem größeren Ziel fügen. Eine zumindest in Ansätzen tröstliche Perspektive. •

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