Netzlese
Fünf Klicktipps für den Sonntag. Diesmal mit dem Projekt Cybersyn, inneren Stimmen, der europäischen Asylpolitik, dem Pandemie-Management sowie der Paradoxie von Castingshows.
◉ In einem zweiteiligen, überaus interessanten Feature zeichnen Jakob Schmidt und Janis Funk auf Deutschlandfunk Kultur das Projekt Cybersyn nach, in dessen Zuge die chilenische Allende-Regierung mit Hilfe des englischen Unternehmensberaters und Kybernetikers Stafford Beer 1971 versuchte, eine Art sozialistische Echtzeit-Ökonomie aufzubauen. (Teil 1, Teil 2)
◉ Im New Yorker bespricht Katy Waldman Nathan Kross' Buch Chatter, in dem es um das Phänomen der inneren Stimme geht. Dabei stellt der Autor unter anderem eine seit Aristoteles geteilte Fehlannahme richtig, wonach ausuferndes Nörgeln eine befreiende Wirkung hätte. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall, weil die Stimme in unserem Kopf in der Regel das nachäfft, was wir oft aussprechen.
◉ Im Interview mit Zeit Online erläutert die Völkerrechtlerin Dana Schmalz, inwiefern das Asylrecht eine – im ambigen Sinne – demokratische „Zumutung“ darstellt, man in dessen Kontext ein System negativer Anreize geschaffen hat, „das im schlimmsten Fall zu einem Wettlauf darum führt, wo es Migranten am schlechtesten haben“ - und es dennoch in Teilen funktioniert.
◉ Das Börsenblatt veröffentlicht einen Auszug aus Slavoj Žižeks aktuellem Buch Pandemie! II - Chronik einer verlorenen Zeit, in dem der slowenische Philosoph erklärt, warum er sich nunmehr mit Fragen der landwirtschaftlichen Ernte auseinandersetzt und weshalb die Kontroversen über das richtige Pandemie-Management uns alle zu Philosophen machen.
◉ Thomas Hecken beschäftigt sich in der Pop-Zeitschrift mit Castingshows wie Deutschland sucht den Superstar, Germany’s Next Topmodel oder Der Bachelor und argumentiert, dass ihre kritische Einordnung als neoliberale Disziplinierungsmaschinen nur teilweise stimme, weil in ihrem Zentrum vielmehr jene paradoxe Anforderung des authentischen Schauspiels stehe, die Siegfried Kracauer vor 90 Jahren bereits in seinem Buch Die Angestellten beschrieb.