Rezepte zum Einschlafen
Was tun, wenn die ersehnte Nachtruhe partout nicht eintreten mag? Drei Methoden zum Eindämmern von Pythagoras, Emmanuel Lévinas und Emil M. Cioran.
Selbstbesinnung
mit Pythagoras
Pythagoras von Samos
(6. Jh. v. Chr.)
Ließen sich Sorgen doch so einfach ablegen wie die Kleider vor dem Schlafengehen. Doch weit gefehlt: Das eigene Gewissen scheint mit dem Bett unter einer Decke zu stecken und erwartet einen spätestens dort. Der Albtraum fängt so oft schon an, noch ehe man schläft. Einem hässlichen Nachtmahr gleich sitzt uns das Gewissen auf der Brust, drückt, zwickt und raunt uns das alte Lied von Schuld, Versagen und unseren Unzulänglichkeiten zu. Man mag nun versuchen, sich die Ohren zuzuhalten, die Sorgen zu verdrängen und „an etwas Schönes“ zu denken. In der Praxis führt das allerdings meist dazu, dass sich die unerwünschten Gedanken noch unerbittlicher aufdrängen. Empfehlenswerter ist es, dem Rat Pythagoras’ zu folgen: „Lass den Schlaf nicht zu deinen sanften Augen kommen, ehe du jedes Werk des Tages dreimal durchdacht hast.“ Statt sich dem Grübeln auszuliefern oder es gar zu bekämpfen, akzeptiert man, dass Sorgen und Zweifel nach Aufmerksamkeit verlangen. Es gilt, sich noch vor dem ersten Einschlafversuch bewusst mit ihnen auseinanderzusetzen. Der Spieß wird so einfach umgedreht: Die drückende Last der Selbstvorwürfe wird in ein beruhigendes Ritual der Reflexion gelenkt. Nicht zufällig erfährt die Praxis des Journaling Konjunktur. Im Akt des Schreibens wird der Schlaflose wieder Herr im eigenen Haus und entledigt sich seiner Sorgen auf dem Papier. Wenn die diffusen Ängste einmal geordnet und an einem Ort gebannt sind, kann das Buch samt Gewissensbissen zugeschlagen und beiseitegelegt werden. Von der Last des Alltags befreit, sollte der Schlaf nicht mehr lange auf sich warten lassen. Dann darf man sich auf einen besonders erholsamen Schlummer freuen, denn: „Welch ein Schlaf stellt sich nach der Selbsterkundung ein! Wie friedvoll, wie tief und sorglos“, wusste schon Seneca.
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