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Bild: Bildschirmaufnahme © Música para despertar

Impuls

Tanz der Sinne

Hannah Attar veröffentlicht am 24 November 2020 4 min

In einem sich viral verbreitenden Video erinnert sich eine an Alzheimer erkrankte Frau dank der Schwanensee-Musik plötzlich an ihre frühere Karriere als Ballerina. Das ist nicht nur äußerst bewegend, sondern berührt auch die philosophische Streitfrage nach dem Verhältnis von Körper und Geist.

 

Ein Clip, der sich in den letzten Wochen viral verbreiten konnte, aber nichts mit Corona oder amerikanischen Präsidentschaftswahl zu tun hat, muss etwas Besonderes sein. Dabei zeigt das Video Primera Bailarina zunächst nichts weiter, als eine hochbetagte Frau in einem Rollstuhl, die Kopfhörer trägt. Als Marta Cinta jedoch die ersten Töne von Tschaikowskis Schwanensee vorgespielt bekommt, deutet die ehemalige Balletttänzerin sichtlich bewegt die Choreografie des weltberühmten Stücks mit ihren Armen an. Nach einem kurzen Moment schüttelt sie allerdings kaum merklich den Kopf und lässt ihre Hände wieder in den Schoß sinken. Der nebenstehende Pfleger küsst ihr den Handrücken und ermutigt sie fortzufahren. Daraufhin hebt sie erneut an und lässt ihre Arme voller Anmut und Präzision tanzen.

Das Video wurde von der Initiative Música para Despertar (was sowohl „Musik zum Aufwachen“ als auch „Musik zur Aufmunterung“ bedeutet) veröffentlicht, deren Mitglieder Seniorenheime wie jenes von Marta Cinta in Valencia besuchen, um an Alzheimer erkrankten Bewohnern Musik vorzuspielen. Bei vielen Betroffenen aktiviert Musik nämlich tiefsitzende Erinnerungen und stimuliert das Muskelgedächtnis. Bewegungsabläufe also, die früher so oft ausgeführt wurden, dass sie buchstäblich in Fleisch und Blut übergegangen sind. Der rund drei minütige Clip wirkt dabei so faszinierend, weil man Zeuge einer (erneuten) Verbindung von Körper und Geist wird. Dass diese Bereiche nicht voneinander getrennt zu denken sind, davon war auch Paul Ricoeur überzeugt. So sind für den französischen Philosophen Erinnerungen nicht nur rein geistiger Natur, sondern schreiben sich auch in den Körper ein.

 

Gegen den Dualismus

 

Auf die Frage, was die Identität eines Menschen ausmacht, gibt Ricoeur dementsprechend eine klare Antwort: Ein Mensch wird sowohl von seinen körperlichen sowie seinen geistigen Tätigkeiten bestimmt. Von all dem also, was mittels Handlungen, Ritualen und Umgangsformen das Leben strukturiert und den Körper formt. In besonderem Maße trifft dies auf Musiker zu, deren tägliche Übungen zu einer immer geschmeidigeren Führung des Bogens oder einer immer größeren Spreizkraft der Finger auf den Tasten führen. Und auch bei Tänzern wird diese Verbindung deutlich. Zielt deren Training doch ebenso darauf ab, Bewegungsabläufe stets noch präziser ausführen zu können. Deshalb, so Ricoeur, liege auch Rene Descartes schlicht falsch. Letzterer ging davon aus, dass Körper und Geist strikt voneinander getrennt seien (Dualismus) und der Körper dabei nicht viel mehr als eine bloße Hülle für den ihm deutlich überlegenen Geist wäre. Für Ricoeur ist hingegen klar: Weder ist der Geist ohne Körper zu denken, noch kann sich der Körper unabhängig vom Geist formen.

 



 

Damit richtet Ricoeur sich indes nicht nur gegen Descartes, sondern auch dezidiert gegen John Locke. Der englische Denker hatte nach dem Aufkommen des Begriffs vom „Individuum“ im 17. Jahrhundert als einer der ersten Philosophen darüber nachgedacht, was die Identität eines Menschen ausmacht. Locke zufolge ist das vor allem eines: die Erinnerung. Getreu dem Motto: Ich bin das, woran ich mich erinnere. Ein Argument mit radikalen Folgen. So würde ein Mensch, der sein Gedächtnis verliert, nicht nur seine Fremdsprachen, die Gesichter seiner Lieben und sein Kurzzeitgedächtnis einbüßen, sondern auch seine Identität. 

Als Illustration dieser These führt Locke folgendes Gedankenexperiment an: Eines schönen Tages wacht ein Prinz im Körper eines Schusters auf. Noch immer erinnert er sich zwar an all die Dinge, die er als Prinz erlebte, befindet sich aber in einem gänzlich fremden Körper. Nun lautet die Frage, ob man sich weiterhin vor ihm verneigen solle, der Prinz im Körper des Schusters also noch immer ein Prinz ist? Oder wäre es vielmehr angemessen, man brächte ihm löchrige Schuhe zur Reparatur? Für Locke ist die Antwort eindeutig: Wenn dieser Mensch Erinnerungen an gebratene Rebhühner und vergoldete Türknäufe hat, handelt es sich um den Prinzen. Ganz egal, in welchem Körper er auch steckt.

 

Treue zur Vergangenheit

 

So wie John Locke eine völlige Autonomie des Geistes über den Körper anzunehmen, sei jedoch unsinnig, meint Ricoeur, da schließlich auch der Vorgang der Erinnerung ein körperlicher sei. In seinem 1990 im Original erschienenen Buch Das Selbst als ein Anderer fragt Ricoeur deshalb rhetorisch: „Wie könnte die Erinnerung des Prinzen den Körper des Schuhmachers in Bezug auf Stimme, Gesten, Körperhaltungen nicht beeinflussen?“ 

Kommt man vor diesem Hintergrund auf den Fall von Marta Cinta zurück, besteht im Hinblick auf den Quell ihrer präzisen Gesten also kein Zweifel, dass Ricoeur recht hat: Die Erinnerung der ehemaligen Ballerina ist nicht rein geistig, sondern geistig und körperlich zugleich. Die Musik erinnert sie an ihr Training als Tänzerin, an jene unendlich oft erprobten Bewegungsabläufe, die sich durch die Wiederholungen tief in ihren Körper eingeschrieben haben. Oder mit Ricoeur gesprochen: „Mit der Erinnerung ist der Ehrgeiz und der Anspruch verbunden, der Vergangenheit treu zu werden“.

Und vielleicht ist es genau das, was dieses Video so berührend macht: Marta Cintas sichtlich anstrengende Bemühung, sich an die Choreografie zu erinnern, die sie in ihrem Leben schon so viele Male getanzt hat – sowie die erleichternde Verwunderung darüber, dass dies tatsächlich gelingt. Oder nochmals mit Ricoeur gesprochen: „Es gibt ein Erstaunen über das Gefühl, dass ‚dieser‘ Körper auf den Rhythmus des Walzers reagiert“. •

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