Direkt zum Inhalt
Menu Top
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Philo.live!
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
  • Kulturanzeiger
rechercher
 Philosophie Magazin - Impulse für ein freieres Leben
Menu du compte de l'utilisateur
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Philo.live!
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
  • Kulturanzeiger
Tag - Body

Bild: Wikipedia

Essay

Tradition als Trend

Ella-Luna Kirschner veröffentlicht am 21 Oktober 2025 6 min

Aktuell lässt sich in den sozialen Medien ein Rückgriff vieler Frauen auf klassische Weiblichkeitsvorstellungen feststellen. Mädchenhafte Modephänomene und die klassischen Beziehungsdynamiken sind wieder attraktiv. Was steckt hinter diesem scheinbar unüberlegten Rückschritt?

Im medialen Diskurs, dominiert durch Trendbewegungen auf TikTok und Co., setzt sich zunehmend eine neue Norm durch: die Hyper-Verweiblichung. Frauen in ihren Zwanzigern zeigen sich unter dem Hashtag #coquette mit Perlen und Schleifchen im Haar, sogenannte „Clean-Girls” zelebrieren ihre tägliche Hautpflege-Routine und in Video-Anleitungen zu „dark femininity” gibt es Tipps, wie die innere feminine Energie angezapft werden kann, um möglichst elegant und reizvoll aufzutreten.

Das verwundert. Nicht nur, weil klassische Geschlechtercharakteristika heute dank global-vernetzten Feminismusdiskurs mehr denn je umstritten sind. Sondern auch, weil noch vor 5 bis 10 Jahren eine kommerzielle Abwendung von klassischer Weiblichkeit zu beobachten war. Mode-Marken warben insbesondere für Frauen mit möglichst lässig-legerer Kleidung. Kurze Haare wurden zum Trend und androgynes Auftreten zum Phänomen. Auch medial erfolgte eine Mentalitätsänderung hinsichtlich geschlechternormierter Standards. Filme und Jugendromane porträtierten nicht selten eine „unklassische” Protagonistin. Katniss Everdeen, Alaska, Bella Swan – viele kulturindustrielle Produkte warteten mit dem komischen, dem ausgestoßenen, dem exzentrischen und skurrilen Mädchen auf. In Foren wie Tumblr und Instagram fühlten sich durch feminine Stereotypen verunsicherte Mädchen gesehen – und steigerten ihre Andersartigkeit zu einem neuen Standard: der „Ich bin nicht wie andere Mädchen”-Typus war geboren. 

 

Mediale Hyper-Verweiblichung

 

Selbstinszenierung und die krampfhafte Suche nach einer individuellen Identität, gepaart mit der katalysatorischen Kraft geschlossener Online-Communities, etablierten einen neuen Typ Mädchen: laut, ungestüm, maskulin und vor allem ganz klar „nicht wie die anderen Mädchen”. Kultiviert durch die Abgrenzung von klassisch femininen, sich schminkenden und Popmusik-interessierten Divas wurde Weiblichkeit entwertet, verbannt und verhöhnt. „Pferdemädchen“ war eine Beleidigung, und die Farbe Pink oft ein No-Go. 10 Jahre später nun also die medial gegenläufige Hyper-Verweiblichung. Ist die 180-Grad-Wendung vieler junger Frauen eine Konterrevolution – ein Bruch mit der unkonventionellen Konvention ihrer eigenen Pre-Teen-Zeit? Schleifen im Haar und T-Shirts mit dem Aufdruck „I’m just a Girl!“ (Ich bin doch nur ein Mädchen) lassen vermuten, dass die einst verwehrte kindliche Mädchenhaftigkeit nachgeholt und in einer Hyperfeminisierung ausgelebt wird.

Reine Nostalgie kann es aber nicht sein, denn der Trend der Hyper-Verweiblichung stoppt nicht bei ästhetischen Mode- oder Selbstpflege-Tipps. Auch die medial porträtierte Lebensplanung vieler junger Frauen unterliegt einem radikalen Wandel. Dem Girlboss-Feminismus, der Frauen um 2020 herum dazu bewegte, ökonomische Oberhand zu ergreifen, weicht die komplette Verweigerung des Erwerbssystems. Sogenannte Trad-Wives (traditionelle Ehefrauen) teilen in den Medien die Entscheidung gegen eine Karriere und für das Eingehen einer heteronormativ-traditionellen Beziehung, in der ausschließlich der Mann für die finanzielle Unterstützung sorgt. In Videos und Blogbeiträgen propagieren die (oft aber nicht ausschließlich amerikanischen) Frauen das patriarchal-klassische Rollenbild der kinderpflegenden Frau und Haushälterin. 

Die „traditionellen Ehefrauen” rufen ihre weiblichen Zuschauerinnen dazu auf, sich Männern unterzuordnen, ihre Karrieren zu beenden und gegen ein Leben für Kind und Haus einzutauschen. Wer glaubt, es handele sich hierbei um eine exklusive Erscheinung rechts-konservativer Räume, irrt – die Beiträge werden millionenfach geklickt und schnell haben die Trad-Wives eine kleine Schwester: die Stay-at-Home-Girlfriends (Partnerinnen, die zu Hause bleiben), die sich sowohl unpolitisch als auch teilweise progressiv positionieren. Sie sind zwar im Gegensatz zu ihren verheirateten Mitstreiterinnen nicht im klassischen Sinne gebunden und lehnen die traditionelle Unterordnung ab, geben aber ebenfalls ihre eigene Karriere auf, um ihrem Partner in 40-sekündigen TikToks anschaulich dokumentiert die Wäsche, das Essen und den Haushalt zu machen. Dass die von vielen Generationen feministischer Kämpfe errungene selbständige Erwerbsarbeit heute so konsequent abgelehnt wird, mag befremden. Doch die Ernüchterung darüber, dass die eigene Erwerbsarbeit kaum Befreiung schaffen kann, solange Care-Arbeit fortwährend Frauensache bleibt, ist nachvollziehbar. Der Rückzug aus dem Erwerbssystem, während die Dokumentation der eigenen Care-Arbeit durch Werbeverträge gleichzeitig zu Geld gemacht werden kann, erscheint bei dieser Betrachtung weniger unsolidarisch. 

 

Rückzug ins Private

 

Klassische Beziehungsmodelle, frühe Familiengründung und ein festes Eigenheim gelten also scheinbar immer mehr als erstrebenswertes Ideal für viele junge Paare. Der Wunsch nach dem Leben auf dem Land mit der Kernfamilie und einem Selbstversorger-Garten steht dabei quer zu der Vermarktungsstrategie des Kapitalismus, der jungen Menschen Ungebundenheit, exzessiven Konsum und das Leben in schicken Metropolen verheißt. Das Zurückkehren zu traditionellen Rollen lässt sich dabei womöglich als entschiedener Versuch lesen, sich einem schnelllebigen, ungewissen Erwerbssystem ohne erkennbare Wertschöpfung zu entziehen. Denn dass die Generation Z vom Erwerbssystem desillusioniert ist, ist ein offenes Geheimnis. Außerdem erzeugen die stark politisch aufgeladenen Zeiten eine übergreifende Unsicherheit. Verstärkt durch die von Social Media ausgelöste und kaum zu umgehende Dauerbeschallung scheint ein Rückzug in die private Sphäre für viele attraktiv. So findet ironischerweise durch die Rückkehr zu tradierten Systemen eine Ablehnung des Systems statt; eine Transformation unter Rückbezug.

Der Rückzug mag plausibel erscheinen; für viele Feministinnen ist er jedoch problematisch. Die finanzielle Abhängigkeit von einem Mann birgt die Möglichkeit einer schiefen Ebene, die einengende Beziehungsdynamiken nach sich ziehen könnte, denen die jeweiligen Frauen aufgrund fehlender finanzieller Ressourcen letztlich nicht entfliehen können. Die Befürchtungen bezüglich der unterdrückten Position, in die sich Frauen bewusst begeben, beziehen sich jedoch nicht nur auf die traditionell verankerte Lebensplanung der Trad-Wives oder der Stay-at-Home-Girlfriends. Auch die erläuterten Trenderscheinungen bezüglich oberflächlicher (Selbst-)Gestaltungsentscheidungen sehen manche Stimmen kritisch. Schleifchen im Haar und die Betonung der eigenen Mädchenhaftigkeit würde die eigene Unselbstständigkeit und Abhängigkeit betonen. 

Die bewusste Hingabe in klassische Rollenklischees begünstigt so nicht nur die eigene Unterdrückung. Zusätzlich wird queeren Diskursen, die Geschlechterbindung von Charaktereigenschaften auflösen wollen, der Wind aus den Segeln genommen. Gerade durch die Reinkarnation klassischer Weiblichkeit in Mode, Beziehungen und Lebensstil würde der Feminismus einen massiven Rückschritt erleben, tönt es aus der Fraktion queer-progressiver Feministinnen. Die Neoliberalen und Choice-Feministinnen hingegen halten diese Kritik für anmaßend; denn die Wahlfreiheit der Frau wird von dieser Fraktion als oberstes Ziel des Feminismus proklamiert. Und wenn frau informiert und eigenständig entscheidet, sich in eine finanzielle oder anderweitige Abhängigkeit zu begeben, ist das Absprechen dieser Entscheidung ein Verbrechen gegen den Feminismus selbst.

Schlussendlich ist gar nicht mehr klar, was denn nun eigentlich wünschenswert für die weibliche Hälfte der Gesellschaft wäre. Vielen Menschen ist nicht mehr recht ersichtlich, wie moderner Feminismus überhaupt zu definieren ist. Außerdem macht die Tiktokisierung von Feminismus bald jede zur Expertin, die einen social media Account besitzt und pastellfarbene Infobildchen teilt. Der Masse an meinungsdurchmischten Fakten ist gar nicht mehr Herrin zu werden. Sich eine faktengedeckte und pluralistisch-informierte Meinung zu bilden erfordert Zeit und Muße, die bei der Aussicht, ohnehin auf Kritik am eigenen Handeln zu stoßen, vermutlich nur noch selten aufgebracht wird. Ein naheliegender Schritt unter anderen scheint daher, sich aus der politischen Positionierung zum Frausein zurückzuziehen. Denn wenn jede erdenkliche Identität eine Möglichkeit ist (oder das zumindest suggeriert wird), entsteht schnell Unsicherheit über die eigene Rolle; ganz besonders, wenn der Akt der eigenen Positionierung mit so viel politischen und persönlichen Implikationen verknüpft ist. Der Rückgriff auf klassische Weiblichkeit als bekannte und erlernte Identität ist also womöglich Ausdruck des Wunsches nach Klarheit und der Ermüdung durch ein stark wechselhaftes Wirrwarr an politischen Positionen.

Es lässt sich feststellen: Tradition zieht, und das nicht nur bei den neuen Konservativen. Denn Bekanntes beruhigt. Und in Zeiten eines rapide expandierenden Kapitalismus, beschleunigter Lebensstile und diversifizierten politischen Diskursen ist eine verlässliche Konstante eine Seltenheit. Ob nun der Rückzug aus dem Erwerbssystem oder aus rahmensprengenden politischen Diskursen –  offensichtlich ist, dass junge Frauen vermehrt auf klassische Weiblichkeitsvorstellungen zurückgreifen. Und dies oft, ohne damit ein Statement setzen zu wollen; lediglich aus dem Wunsch nach Selbstverwirklichung oder als Ausdruck einer Identität, die in hyperpolitischen Zeiten einen festen Anhaltspunkt bietet. •

  • E-Mail
  • Facebook
  • Linkedin
  • Twitter
  • Whatsapp
Anzeige
Tag - Body

Weitere Artikel

Artikel
7 min

Der Grenzgänger

Theresa Schouwink 08 November 2024

Adam Bast (Adam Bast) übt als Jäger in Brandenburg eine Tätigkeit aus, die als Sinnbild archaischer Männlichkeit gilt. Zugleich identifiziert er sich als queer, also als jemand, der nicht der klassischen Geschlechterordnung entspricht. Wie passt das zusammen?

Der Grenzgänger

Artikel
2 min

Mikrorenten: Ruhestand für zwischendurch

Charlotte Littgen 25 April 2025

Immer mehr junge Menschen legen zwischen ihren Arbeitsanstellungen längere Pausen ein. Der Trend könnte eine Alternative zum klassischen Rentenkonzept sein.

Mikrorenten: Ruhestand für zwischendurch

Impulse
6 min

Hyperfeminität: Empowerment oder Unterwerfung?

Cara Platte 24 Juni 2024

Der Feminismus ist rosa! Spätestens seit dem Kino-Phänomen „Barbie“ werden hyperfeminine Darstellungen gefeiert.  Ist das ein gefährlicher Rückschritt zur traditionellen Weiblichkeit?

Hyperfeminität: Empowerment oder Unterwerfung?

Gespräch
3 min

Marie-Luisa Frick: „Man sollte Selbstdenken nicht undifferenziert heroisieren“

Svenja Flasspoehler 16 November 2020

Corona und Terror rufen die Ideale der Aufklärung wieder auf den Plan und stellen die Demokratie gleichzeitig hart auf die Probe. Die Philosophin Marie-Luisa Frick, deren Buch Mutig denken (Reclam) gerade erschienen ist, erklärt vor diesem Hintergrund, was wir heute noch von den Aufklärern lernen können.
 

Marie-Luisa Frick: „Man sollte Selbstdenken nicht undifferenziert heroisieren“

Impulse
6 min

Die Unsterblichkeit des Souveräns

Friedrich Weißbach 08 Mai 2023

Die Krönung von Charles III. mag wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten gewirkt haben. Wer aber genauer hinsieht, wird feststellen, dass moderne Demokratien auf demselben Souveränitätsdenken gründen wie die Monarchie. Mit weitreichenden Folgen, meint Friedrich Weißbach.

Die Unsterblichkeit des Souveräns

Gespräch
12 min

Angelika Neuwirth: „Der Koran ist vielstimmig“

Catherine Newmark 13 September 2018

Nach traditionellem muslimischen Verständnis ist der Koran zur Gänze Gottes Wort. Aber auch die klassische islamische Korankunde untersucht die einzelnen Teile auf ihre Entstehungszeit und unterscheidet zwischen früheren, mekkanischen, und späteren, medinischen Suren. Die große Koranforscherin Angelika Neuwirth erläutert, wie sich in der zeitlichen Abfolge der Suren eine theologische Diskussion nachverfolgen lässt, die christliche, jüdische und alte arabische Einflüsse aufnimmt und weiterentwickelt.

Angelika Neuwirth: „Der Koran ist vielstimmig“

Artikel
13 min

Pankaj Mishra: "Die deutsche Erfahrung ist für die Welt zentral"

Wolfram Eilenberger 01 Oktober 2017

Erotik und Erniedrigung, Romantik und Terrorismus, klassische Bildung und globaler Nihilismus. Pankaj Mishras Denken führt scheinbare Gegensätze zusammen, ohne dabei eine versöhnende Vermittlung anzustreben. Gespräch mit einem Mann, dessen Zorn ihn zu neuen Einsichten führt.


Impulse
6 min

Die Nacht der Hexen

Arlene Güthenke 30 April 2025

Am 30. April feiert man vielerorts die Walpurgisnacht. Einst eine keltische Tradition, ganz ohne Hexen, hat sie einen Wandel durchlaufen, der auch mit männlichen Machtstrukturen zusammenhängt.

Die Nacht der Hexen

Anzeige
Tag - Body
Hier für unseren Newsletter anmelden!

In einer Woche kann eine ganze Menge passieren. Behalten Sie den Überblick und abonnieren Sie unseren Newsletter „Denkanstöße“. Dreimal in der Woche bekommen Sie die wichtigsten Impulse direkt in Ihre Inbox.


(Datenschutzhinweise)

Jetzt anmelden!
Anzeige
Tag - Body

Fils d'ariane

  1. Zur Startseite
  2. Artikel
  3. Tradition als Trend
Philosophie Magazin Nr.Sonderausgabe 34 - September 2025
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Herbst 2025 Sonderausgabe 34
Vorschau
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Rechtliches
  • Werbung
  • Datenschutzerklärung
  • Impressum
Soziale Netzwerke
  • Facebook
  • Instagram
  • Twitter
  • RSS
Philosophie Magazin
  • Über uns
  • Unsere App
  • PhiloMag+ Hilfe
  • Abonnieren

3 Hefte frei Haus und PhiloMag+ Digitalzugang für nur 20 €

Jetzt ausprobieren!