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Bild: Jeremy Bezanger (Unsplash)

Impuls

Vorbild Kevin Kühnert

Svenja Flasspoehler veröffentlicht am 14 September 2022 4 min

Kevin Kühnert hat Twitter verlassen und richtig gehandelt. Die Erzeugung vermeintlicher Wahrheiten durch polemische Überbietung beschädigt die Meinungsbildung von Politikern und Journalisten, meint Svenja Flaßpöhler.

 

Seit Kühnerts Entscheidung regiert nicht nur bei Twitter, sondern auch in großen Tageszeitungen Spott und Häme. „Ein Generalsekretär, der sich entdigitalisiert, ist für den Job einfach ungeeignet“, kommentiert ein User. Claudius Seidl haut in der FAZ in dieselbe Kerbe: „(W)er von diesem Strukturwandel der Öffentlichkeit überfordert ist, sollte nicht unbedingt in der Politik etwas werden wollen.“ 

 

Miese Diskussionskultur

 

Mit dem „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ – der Journalist zitiert hier den Titel eines Hauptwerks von Jürgen Habermas – ist „die miese Diskussionskultur“ (Seidl) gemeint, die Kühnert selbst als Grund für seine Entscheidung angibt: „Ich finde einfach, dass die Diskussionskultur, wie sie auf Twitter stattfindet, und die Art und Weise, wie dort Gesellschaft repräsentiert oder, ich würde sagen absolut gar nicht repräsentiert wird, dass das zu Fehlschlüssen und Irrtümern in politischen Entscheidungen führt. Zumindest habe ich das bei mir selbst festgestellt, dass ich eine verzerrte Wahrnehmung von Wirklichkeit habe, wenn ich zu viel Zeit in dieser App verbringe.“

Rekonstruieren wir noch einmal kurz den Auslöser für Kühnerts Entscheidung. Der SPD-Generalsekretär hatte in einem Interview über die Frage, ob Deutschland Kampfpanzer liefern sollte, gesagt, „dass wir nicht schleichend hineingezogen werden wollen in den Krieg, dass wir Russland nicht dazu animieren wollen, völlig irrational am Ende zu handeln und noch ganz andere Staaten anzugreifen.“ Eine Aussage, die bei Twitter zu einem Shitstorm und Äußerungen wie diesen führte: „Eine SPD, die von Mini-Gas-Gerds geprägt wird, ist zum Verzweifeln.“ Oder: „Der Argumentation von Kevin Kühnert folgend, bekommen Frauen also selten Hilfe, wenn sie sexuell belästigt werden, weil man den Täter nicht provozieren will? Spannend.“ Oder: „Vielleicht realisieren die Leute jetzt mal endlich, was Kevin Kühnert für eine Flachpfeife ist.“ Oder: „Kevin Kühnert nicht mehr hier – sehr gut Arbeit gespart.“ Darunter ein Bild von einem Revolver. 

 

Entgleisung wird belohnt

 

Ja, es gibt auch kluge Kommentatoren bei Twitter. En gros aber herrscht, durch die begrenzte Zahl von gerade mal 280 Zeichen und einen Algorithmus, der Entgleisungen belohnt, Polemik, die mitunter in Hass abgleitet. Das Wort Polemik geht aufs Griechische zurück und meint Krieg, Streit. Wer polemisiert, will nicht durch Argumente überzeugen, sondern angreifen, und zwar die Person. Wie die Tweets, die auf Feind Kühnert zielen, zeigen, erzeugt das soziale Netzwerk einen regelrechten Überbietungswettbewerb polemischer Äußerungen: Wer haut Kühnert am dollsten und lustigsten in die Pfanne? Der Effekt: Der Grund des In-die-Pfanne-Hauens wird überhaupt nicht mehr Gegenstand der Auseinandersetzung. Er wird als unhinterfragt wahr vorausgesetzt. 

Die „verzerrte Wahrnehmung der Wirklichkeit“ durch Twitter, die Kühnert beklagt, verdankt sich maßgeblich diesem Mechanismus. Worüber es offen und sachlich zu debattieren gälte, gerinnt zu einem Axiom, einer Wahrheit, die offenbar so klar ist, dass sie keinen Beweis braucht. Die Twitter-Wahrheit im Fall Kühnert lautet: Die Gefahr einer Eskalation zu benennen heißt, sich zum Putin-Handlanger zu machen und eine – so lautet ein nachgerade inflationär gebrauchter Vorwurf in unseren Tagen – ‚Täter-Opfer-Umkehr‘ zu betreiben. 

Wie leicht Twitter-Axiome von Journalisten aufgegriffen werden, die sich – neben Politikern – zuhauf bei Twitter tummeln, zeigt wiederum Claudius Seidls Polemik eindrücklich. Kühnert habe in besagtem Interview, so Seidl süffisant, „ein bisschen viel Verständnis für Putin und nicht so viel für die Ukraine gezeigt“ – ein Satz, der suggeriert, dass es hier nicht mehr zu sagen gibt und dem Autor viel Beifall bei Twitter einbringen wird.

 

Mit Polemik in die Apokalypse

 

Dass es sich hier bei Lichte betrachtet allerdings um keine unumstößliche Wahrheit, sondern um eine Behauptung handelt, die mit guten Gründen bezweifelt werden kann, zeigt sich schnell, wenn man ein wenig am polemischen Lack kratzt. Wenn Kühnert die Gefahr militärischer, atomarer Eskalation benennt, dann hat er kein „Verständnis für Putin“. Er legitimiert weder gegenwärtiges noch potenziell zukünftiges Handeln des russischen Machthabers, sondern er artikuliert eine real existierende Möglichkeit, die das Vorstellungsvermögen von Twitter-Usern offenbar so sehr übersteigt, dass man einen atomaren Weltkrieg ernsthaft mit sexueller Belästigung vergleicht. Wer über das Risiko, dass Putin irrational handeln und damit eine globale Katastrophe auslösen könnte, noch nicht einmal nachdenken, es nicht in die Erwägungen mit einbeziehen will, bestätigt, was der Philosoph Günther Anders bereits 1959 in seinen Thesen zum Atomzeitalter festhielt: „Die Apokalypsegefahr, in der wir leben, erreicht den Höhepunkt ihrer Bedrohlichkeit dadurch, daß wir nicht darauf eingerichtet, also unfähig sind, uns die Katastrophe auszumalen.“ 

Kevin Kühnert gehört zu denen, die nicht der „Apokalypse-Blindheit“ (Anders) verfallen sind. Und er hat den Mut gefunden, die Konsequenz aus jenen „Fehlschlüssen“ und „Irrtümern“ zu ziehen, die Twitter begünstigt. Ein Generalsekretär, der sich entdigitalisiert, ist ein Vorbild, das wir gerade in diesen Zeiten unbedingt brauchen. •

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