Wundersame Freiheit
Sind Wunder noch möglich? Ja, doch ereignen sie sich weder in der Welt der Wissenschaft noch in der Sphäre der Religion – sie werden im Reich der Freiheit vollführt, der Politik, des menschlichen Handelns.
In Zeiten tiefgreifender Krisen scheint es oft, als könnte uns nur noch ein Wunder retten. Das hat, trotz Wissenschaft und hochentwickelter Technik, für viele Menschen nicht an Gültigkeit verloren. So rief Papst Franziskus in einer „Enzyklika Laudatio Si”, einem Programmdokument der katholischen Kirche aus dem Jahr 2015, dazu auf, für das Wunder einer „globalen ökologischen Umkehr“ zu beten. Doch selbst außerhalb kirchlicher Programmschriften ist der Begriff des Wunders noch immer stark mit theologischer Bedeutung aufgeladen. Man wartet auf einen Messias oder eine übermenschliche Kraft, die unsere aus den Fugen geratene Welt wieder auf Kurs bringt.
Doch wie lässt sich der Begriff des Wunders eigentlich definieren? Will man verstehen, wie das Wunder im Allgemeinen aufgefasst wird, lohnt sich zunächst ein Blick ins Wörterbuch. Dem Duden zufolge ist ein Wunder ein „außergewöhnliches, den Naturgesetzen oder aller Erfahrung widersprechendes und deshalb der unmittelbaren Einwirkung einer göttlichen Macht oder übernatürlicher Kräfte zugeschriebenes Geschehen“ und ein „Ereignis, das Staunen erregt“. Interessant (und für die weitere Betrachtung bedeutsam) ist dabei, dass der Duden als erstes Anwendungsbeispiel für das Wort die Wendung „Wunder tun, wirken“ angibt.
Aus diesem alltäglichen, impliziten Verständnis des Wunders lassen sich einige zentrale Merkmale ableiten. Erstens, erscheint ein Wunder immer in der Form eines Ereignisses. Man kann die schöne Naturlandschaft zwar als wunderbar empfinden, doch die stille Natur stellt an sich noch kein Wunder dar. Zweitens ist ein echtes Wunder unergründlich. Es hat keinen Grund und folgt keinen Gesetzen. Es scheint, als ob es aus dem Nichts auftaucht. Schließlich deutet – im scheinbar paradoxen Verhältnis zum vorherigen Punkt – das alltägliche, unreflexive Verständnis des Wunders darauf hin, dass dieses durch ein Tun, eine Handlung hervorgebracht wird.
Nun hat die Philosophie den Begriff des Wunders schon vor langer Zeit aus strategischen Gründen aufgegeben und ihn der Religion und Esoterik überlassen. Es scheint: Wer an ein so verstandenes Wunder glaubt, der könne nicht zugleich Materialist oder Realist sein. Dabei konstatierte schon Aristoteles, der manchen als erster „Materialist“ nach Platon gilt, in seiner Metaphysik, dass die Philosophie mit der Bewunderung beginnt – und diese Bewunderung ist ihrerseits stets eine subjektive Reaktion auf das Wunder. Was also ist aus diesem Ursprung der Philosophie geworden?
Kann man heute noch am Wunder festhalten? Wer dies möchte, muss lernen, das Wunder neu zu denken: Es gilt, seinen theologischen Ballast abzustreifen und es in einen kritischen, zeitgemäßen Begriff zu transformieren. Das bedeutet, das Wunder nicht als ein Phänomen zu verstehen, das von transzendenten Strukturen – sei es Gott oder die heute vergöttlichte Natur und Wirtschaft – hervorgebracht wird. Sondern es als eine immanente Möglichkeit zu begreifen, die sprichwörtlich in unseren Händen liegt.
Wunder nach dem Tod des Gottes
Dass dies keine leichte Aufgabe ist – also an das Wunder zu glauben und dabei ein Realist zu sein – zeigt der russische Schriftsteller und Denker Fjodor Dostojewski. Im Jahr 1880 erschien sein vielleicht berühmtester Roman, Die Brüder Karamasow. Bereits im ersten Teil dieses Romans thematisiert Dostojewski das Verhältnis zwischen Realismus (den er mit einer streng positivistischen, wissenschaftlich geprägten Weltsicht gleichsetzt) und dem Glauben an Wunder (den er ausschließlich im christlich-orthodoxen Sinne versteht). Für Dostojewski schließen sich diese beiden Positionen aus: „Nicht Wunder machen einen Realisten gläubig. Der echte Realist, sofern er nicht gläubig ist, wird immer die Kraft und die Fähigkeit finden, nicht an Wunder zu glauben. Und wenn ein Wunder unbestreitbar vor ihm steht, wird er eher seinen Sinnen misstrauen, als die Tatsache zuzugeben.“
Für Dostojewski können Realisten, die sich strikt an die Wissenschaft halten, niemals an Wunder glauben. Sie unterwerfen die Realität den festen Gesetzen der Physik, Chemie und Biologie – und heute könnte man auch die Sozial- und Geisteswissenschaften hinzufügen. Wenn etwas Unvorhersehbares geschieht – etwa eine spektakuläre Entdeckung oder ein geschichtliches Ereignis – versuchen Wissenschaftler, dieses Phänomen durch bestehende Gesetzmäßigkeiten zu erklären und tragen damit, um es mit Max Weber zu sagen, zur Entzauberung der Welt bei.
Für Dostojewski ist damit klar: Man muss an Gott glauben, damit ein Wunder überhaupt möglich ist. Doch was er dabei übersieht, ist, dass das wissenschaftliche Denken vieles vom Religiösen übernimmt. Sowohl der vulgäre wissenschaftliche Materialismus – ein Ziel von Dostojewskis Kritik – als auch die Religion suchen nach den Ursachen verschiedener Ereignisse. Der Unterschied besteht lediglich darin, wo man diese Ursachen verortet: in der Natur oder im Himmelreich. Umgekehrt bedeutet das: Wie in der Wissenschaft gilt auch für die Religion, dass es strenggenommen keine Wunder geben kann, wenn es einen Gott gibt. Denn alles, was geschieht, geschieht gemäß dem Willen Gottes und ist somit prädestiniert. Letztlich hat das Christentum selbst zur Entzauberung der Welt beigetragen, wie bereits Nietzsche erkannte: Wenn es einen allmächtigen Gott gibt, ist alles bereits erklärbar und verstehbar.
Kapitalismus als Wundermaschine
Als die Religion einen Prozess der Selbstentzauberung in Gang gesetzt hat, ist der theologisch geprägte Glaube an das Wunder nicht verschwunden, sondern in andere Bereiche verlagert worden. So sind die Atavismen des theologischen Denkens nicht nur in den Naturwissenschaften zu finden, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine zentrale Rolle spielten, sondern auch in der Wirtschaft und zwar im späteren Kapitalismus.
So wurde Ende Januar 2025 in China eine neue Künstliche Intelligenz namens DeepSeek vorgestellt. Sie wurde mit einem vergleichsweise geringen Budget von nur wenigen Millionen Dollar entwickelt – deutlich weniger als die Summen, die bei ihren amerikanischen Konkurrenten wie Google oder OpenAI (dem Unternehmen hinter ChatGPT) investiert wurden.
Als DeepSeek auf den Markt kam, sorgte es für eine regelrechte Erschütterung in der Tech-Branche. Der US-Chiphersteller Nvidia, der die zentralen Mikrochips für KI-Systeme liefert, erlitt den größten Tagesverlust in der Geschichte: Rund 600 Milliarden US-Dollar an Börsenwert gingen verloren. In diesem Ereignis lag etwas Wundersames. Ein neues Unternehmen trat scheinbar aus dem Nichts hervor – ohne große Ressourcen, ohne Marktmacht – und besiegte, ganz wie in der biblischen Geschichte, als „David“ den „Goliath“ der großen amerikanischen Tech-Konzerne. Es schien, als gäbe es keinerlei rationale Grundlage dafür, dass ein solches Unternehmen überhaupt entstehen, geschweige denn erfolgreich sein könnte – und doch ist es nun da. Der französische Philosoph Gilles Deleuze war einer derjenigen, die erkannten, dass im Kapitalismus etwas Wundersames steckt. Um dieses Phänomen zu fassen, prägte er den Begriff der „Wundermaschine“ (les machines miraculeuses).
Der Kapitalismus selbst ist eine solche Maschine: Er produziert unablässig Neues, verwandelt die Welt, transformiert die Natur. Er besitzt eine schöpferische Kraft, die man fast mit der eines großen Künstlers – oder gar mit einer göttlichen Macht – vergleichen könnte. Denn um den Profit zu maximieren und damit selbst im Spiel zu bleiben, müssen die Unternehmen ständig neue Techniken, Methoden und Technologien hervorbringen.
Wie Deleuze es in seiner esoterischen, oft schwer zugänglichen Sprache in seinem Opus-Magnum Anti-Ödipus formuliert: Der Körper ohne Organe — ein Begriff, den man hier als Kapital oder Kapitalismus lesen könnte — „ist nicht Gott – ganz im Gegenteil. Doch die Energie, die ihn durchströmt, ist göttlich: wenn sie den gesamten Produktionsprozess an sich zieht und als seine wunderwirkende, verzauberte Oberfläche dient, indem sie ihn in jede einzelne seiner Disjunktionen einschreibt.“
In dieser Perspektive erscheint der Kapitalismus nicht nur als ökonomisches System, sondern als eine Art metaphysische oder gar theologische Kraft – eine Maschine, die zugleich zerstört und erschafft, entfremdet und verzaubert, produziert und verwundert. Doch Deleuze hat sehr genau erkannt, dass der Kapitalismus kein echtes Wunder hervorbringen kann. Er kann zwar so erscheinen, doch bei näherem Hinsehen wird deutlich: Alles folgt bestimmten Gesetzen – den Gesetzen des technischen Fortschritts und der Marktlogik. Es ist also ein Irrtum, den Kapitalismus zu vergöttlichen und ein Wunder in seiner Entwicklung zu sehen – ein Irrtum, dem wir in der späten Moderne, nach dem „Tod Gottes“, nur allzu leicht verfallen. Ein wahres Wunder muss – und kann – an einem anderen Ort gesucht werden.
Das Wunder und der Zufall
Wenn ein Wunder weder im Bereich der Religion noch in Wissenschaft oder Wirtschaft zu finden ist – wo dann? Eine Möglichkeit wäre in der Politik, oder, mit anderen Worten, im Bereich der menschlichen Freiheit. Immanuel Kant erkannte zwei zentrale Aspekte der Freiheit, die in alltäglichen Diskussionen oft übersehen werden. Erstens, Freiheit ist nicht mit bloßer Willkür zu verwechseln. Während Willkür zufällig ist, ist Freiheit an das Gesetz der Vernunft gebunden – sie ist immer gesetzmäßig. Genau dadurch erscheint sie als notwendig. Nun besteht der wichtigste Unterschied zwischen den Gesetzen der Vernunft und anderen Formen von Gesetzen – seien es Natur-, Staats-, Wirtschafts- oder göttliche Gesetze – aber darin, dass die Gesetze der Vernunft immanent sind, also aus der Vernunft selbst hervorgehen, während die anderen Gesetze stets transzendent, also von außen vorgegeben, sind. Zweitens, Freiheit ist kein innerer Zustand, keine Eigenschaft des Bewusstseins oder des Körpers. Sie entsteht erst im Handeln und benötigt auch den anderen Menschen – eine Gemeinschaft, die dieses Handeln beeinflussen kann.
Die Philosophin Hannah Arendt, die als bedeutendste Kantianerin des 20. Jahrhunderts gilt, hat die Verbindung zwischen Freiheit und Wunder besonders eindrücklich herausgearbeitet. In ihrem Aufsatz Freiheit und Politik von 1958 geht sie auf die Bestimmung des Politischen ein. Dabei zählt sie dessen Eigenschaften auf, die alle eng miteinander verbunden sind. Unter anderem bemerkt Arendt, dass Politik immer in der Öffentlichkeit stattfindet, stets Handeln voraussetzt – und zwar solches, das etwas Neues hervorbringt. Arendt betont, dass Neuanfänge immer etwas Wunderbares in sich tragen. Dabei löst sie sich ausdrücklich von einem religiösen Verständnis des Wunders. Sie zeigt, dass auch in der modernen Wissenschaft von „neuen Anfängen“ die Rede ist – von Ereignissen, die den normalen Lauf der Dinge unterbrechen: etwa die Entstehung des Universums oder das Auftreten organischen Lebens aus unbelebter Materie. Auch diese könnten, so Arendt, als „Wunder“ begriffen werden – allerdings im metaphorischen Sinne. Warum?
Arendt zieht eine klare Grenze zwischen dem, was in der Natur als Zufall erscheint, und dem, was im Bereich menschlicher Angelegenheiten, nämlich in der Politik, als Wunder geschieht. Letzteres setzt ein handelndes Subjekt voraus. Wie Arendt schreibt: „Der entscheidende Unterschied zwischen den ‚unendlichen Unwahrscheinlichkeiten‘, auf denen alles Leben auf der Erde und alles natürlich Wirkliche beruht, und den Ereignis-Wundern innerhalb menschlicher Angelegenheiten ist natürlich, dass es hier einen Wundertäter gibt, den wir kennen – dass der Mensch nämlich auf eine höchst geheimnisvolle Weise dafür begabt scheint, Wunder zu tun. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch nennen wir diese Begabung das Handeln.“
Ist Arendts Verständnis des Wunders nicht eine säkularisierte und philosophisch herausgearbeitete Form des alltäglichen Verständnisses? In der Tat entspricht es genau den Grundeigenschaften des Wunders, die zu Beginn aufgezählt wurden: Es erscheint stets in der Form eines Ereignisses, es bricht mit der Gesetzmäßigkeit – sei sie natürlicher oder göttlicher Art – und es ist immer an ein Tun, an eine Handlung, gebunden. Wie schon im Wörterbuch angedeutet, gilt: Das Wunder muss getan, muss verwirklicht werden. Die Definition des Wunders, die von Arendt stammt, hilft uns, zwischen scheinbaren und echten Wundern zu unterscheiden. Nehmen wir erst ein Beispiel des falschen Wunders: Am 13. Juli 2024 überlebte der damalige Präsidentschaftskandidat Donald Trump ein Attentat, durch eine zufällige Bewegung seines Körpers im richtigen Moment. Viele deuteten das Ereignis religiös: als göttlichen Schutz oder als Beweis übermenschlicher Kräfte Trumps. Doch nach dem Verständnis von Arendt war sein Überleben kein „Wunder“ im eigentlichen Sinn. Trumps Bewegung war unwillkürlich, unbeabsichtigt – sie war keine Handlung, sondern ein Zufall. Ein „wahres Wunder“ im Sinne menschlicher Freiheit liegt nicht im Bereich des Zufälligen, sondern im bewussten Handeln für das Neue, das Unerwartete und das Notwendige — wie es schon Immanuel Kant verstanden hat.
Ein starkes historisches Beispiel solcher Handlung liefert die französische Revolution (1789-1799). In seiner Rede vom 7. Mai 1794 vor dem Nationalkonvent – kurz vor seinem tragischen Tod – sprach Maximilien de Robespierre, einer der führenden Köpfe der Revolution, davon, dass in einem neuen Staat „alle Laster und der Snobismus der Monarchie“ durch neue Tugenden wie Freiheit, Gleichheit und Aufrichtigkeit ersetzt werden müssten. Letztere nannte er die „Wunder der Republik“. Daraufhin fragte Robespierre: „Welche Art von Regierung kann diese Wunder verwirklichen?“. Seine Antwort war entschieden: „Nur eine demokratische Regierung.“ Denn nur diese Regierungsform kann die notwendigen Bedingungen, oder den Spielraum für das Entstehen der freien Handlung der Menschen fördern: und durch solches Handeln entsteht das Wunderlichste. Die moderne Forschung versucht, die Französische Revolution durch verschiedene Faktoren zu erklären: wirtschaftliche, biographische, historische und sogar natürliche (wenn man das Wetter und sogar die Sternkonstellationen in Betracht zieht). Doch bleibt in diesem Ereignis etwas, das sich jeder Erklärung entzieht: die Dimension der menschlichen Freiheit. In diesem Sinne stellt die Französische Revolution ein Wunder dar: ein Ereignis, ein Neuanfang, der durch freie menschliche Handlung hervorgebracht wurde und zugleich den Raum für zukünftiges Handeln eröffnete.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Revolution schließlich in die Terrorherrschaft der Jakobiner mündete. Mit Diktatur und Terror wurde die Öffentlichkeit – der Raum freier Handlung – verschlossen und die Bedingungen der Möglichkeit des Wunders abgeschafft. Damit endete das Ereignis, das die ganze Welt begeisterte und bewunderte: Von Haiti, wo 1791 im Anschluss an Frankreich eine der ersten dekolonialen Revolutionen stattfand, bis nach Königsberg, wo Immanuel Kant bemerkte, dass die Revolution „den Gemütern aller Zuschauer (die nicht selbst in diesem Spiele mit verwickelt sind) eine Theilnehmung dem Wunsche nach, die nahe an Enthusiasm grenzt“ erweckt.
Wie lässt sich das alles in einem Satz zusammenfassen? Das Wunder entsteht immer dort, wo im Namen der Freiheit gehandelt wird. Man muss nicht religiös sein, um an Wunder zu glauben. Nur Determinist oder, was im Grunde dasselbe ist, Fatalist, darf man nicht sein. •
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