Das Ende der Mühsal?
Künstliche Intelligenz steigert alte Ängste: Uns geht die Arbeit aus! Die Maschinen werden uns beherrschen! Dabei liegt in der technischen Entwicklung eine Chance, die schon Karl Marx formulierte. Um sie zu nutzen, müssten wir die Gesellschaft neu denken. Ein Essay von Richard David Precht.
Macht der technische Fortschritt im Zeichen der Vollautomatisierung die Arbeitswelt besser oder schlechter? Man kann diese Geschichte von zwei Seiten erzählen. Am Anfang der ersten steht ein Fantast: Andrew Ure, Arzt, Astronom und Chemiker, berüchtigt dafür, dass er Tote mit Elektroschocks zum Leben erwecken wollte, und das mutmaßliche Vorbild für Mary Shelleys Frankenstein. 1835 überrascht Ure die gelehrte Welt Englands mit einem Werk über die Ökonomie der Zukunft: „Philosophy of manufactures, or, an exposition of the science, moral, and commercial economy of the factory system of Great-Britain“. In England wälzt gerade die erste industrielle Revolution die Welt um; der Manchesterkapitalismus grassiert. Doch Ures biologische Fantasie sieht darin mehr als nur eine unermessliche Steigerung von Produktion und Profit. Vor seinen Augen erscheint die Fabrik als belebtes Wesen, als ein „riesiger Automat, der aus zahlreichen mechanischen und mit Verstand begabten Organen zusammengesetzt ist, die in Übereinstimmung und ohne Unterbrechung tätig sind, wobei all diese Organe einer treibenden Kraft unterworfen sind, die sich von selbst bewegt.“ Wenn sich der menschliche Körper nicht zu unsterblichem Leben erwecken lässt, so schafft doch die menschliche Technik ihr unsterbliches Eigenleben – die Vorlage aller posthumanistischen Fantasien.
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