Der Fall Nancy Fraser – Mehr Komplexität wagen
Die Universität Köln hat ihre Einladung an Nancy Fraser zur Albert-Magnus-Professur widerrufen, was zu einem Aufschrei der deutschen Kritischen Theorie führte. Der Fall wirft Fragen über den Umgang mit Kritik am Staat Israel auf. Auch, weil eine ganz ähnliche Situation jüngst schon besser gelöst wurde.
Ein Beben geht durch den philosophischen Wissenschaftsbetrieb – mal wieder. Epizentrum der Erschütterung ist die Universität Köln, deren Rektorat die weltberühmte Sozialphilosophin Nancy Fraser gerade von der Albertus-Magnus-Professur ausgeladen hat. Die nach dem geistigen Gründervater der Universität benannte Professur ist eine Vorlesungsreihe, bei der Geisteswissenschaftler eingeladen werden, die sich in herausragender Weise um den wissenschaftlichen sowie gesellschaftlichen Diskurs verdient gemacht haben. Denker wie Martha Nussbaum, Bruno Latour, Noam Chomsky, David Wengrow, Giorgio Agamben und Eva Illouz gehören zu den Ehrenträgern. Grund für die Widerrufung der Einladung von Nancy Fraser ist eine Unterschrift der US-amerikanischen Philosophin unter dem Anfang November veröffentlichten Brief Philosophy for Palestine, in dem vor einem sich „entfaltenden Völkermord“ gewarnt, ein bestehendes Apartheidsystem angeklagt und für ein Boykott von Israel aufgerufen wird.
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