Kann das nicht die Maschine machen?
Schon bald könnten wir digitale Zwillinge von uns selbst für verschiedene Lebensbereiche einsetzen, die für uns verhandeln, flirten und arbeiten. Doch ist das eine wünschenswerte Vorstellung – oder der erste Schritt hin zu einer sterilen Ego-Gesellschaft?
Eric Yuan, der Chef des Videokonferenz-Diensts Zoom, hat eine Vision: Er will virtuelle Klone von Individuen erschaffen, die einen in verschiedenen Situationen vertreten. Während man am Strand liegt, schickt man einfach einen KI-Klon in die Videokonferenz, eine digitale Version des Selbst, die die Powerpoint-Folien auch um sieben Uhr morgens voller Elan präsentiert. E-Mails, Telefonate, Konferenzen – das ganze „Business Bullshit“, wie der Organisationssoziologe André Spicer das leere Gerede nennt, könnte die Maschine erledigen.
Bisher nutzt jeder dasselbe Sprachmodell. In Zukunft, so Yuan, werden wir jedoch personalisierte Versionen eines Chatbots in Gestalt digitaler Zwillinge haben: ein maßgeschneidertes Modell, das anhand unserer Kommunikationsdaten lernt, wie wir selbst zu sprechen pflegen. Mehr noch: Das KI-Modell soll unsere Schwächen erkennen und ausbessern. Wenn man nicht so durchsetzungsfähig in Verkaufsgesprächen ist, tunt man einfach die Parameter und sendet eine schneidigere Version in Verhandlungen. Wie beim Cheaten in Computerspielen, wo man die Performance eines Avatars aufmotzt.
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