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Bild: © CC-by-SA 2.0 Ryohei Noda

Am Abgrund der Moderne

Antonia Grunenberg, im Interview mit Catherine Newmark veröffentlicht am 09 Juli 2015 10 min

Hannah Arendt hat nicht nur die totalitäre Herrschaft analysiert, sondern auch die Traditionsbrüche beschrieben, die diese ermöglichte. Traditionsbrüche, die auch in Arendts eigenem Leben und Arbeiten Spuren hinterließen – und sie sehr sensibel für jegliche Gefahren in Demokratien machten. Was können wir heute noch in der Auseinandersetzung mit Arendts Arbeiten lernen? Ein Interview mit der Gründerin des Hannah Arendt-Zentrums Antonia Grunenberg.

Frau Grunenberg, Sie haben als Gründerin und langjährige Leiterin des Hannah-Arendt-Zentrums in Oldenburg sehr viel für die Rezeption von Hannah Arendt in Deutschland getan. Im Moment bereiten Sie eine Ausgabe des Nachlasses von Hannah Arendt vor. Äußerst erfreulich, aber ist es nicht erstaunlich, dass es eine solche nicht schon längst gibt?

Ja, man kann sagen, es ist spät. Zwei Gruppen arbeiten seit Jahren an der Vorbereitung dieser Ausgabe, unser Archiv umfasst ja den gesamten Nachlass, es gibt zum Teil noch Probleme mit der Finanzierung, welche die Sache verlangsamen.

Ist Hannah Arendt in gewisser Weise immer noch nicht richtig angekommen in Deutschland?

Es ist merkwürdig. Es gibt immer wieder Versuche, sie in den Kanon aufzunehmen, beispielsweise in Sammelbänden zur neuen politischen Theorie. Und es gibt öffentliche Anerkennung: Hannah Arendt wird im Bundestag zitiert, es gibt Straßen, die nach ihr benannt sind. Ein Menschenrechtsanwalt für Flüchtlinge hat sich unlängst auf ihre berühmte These berufen, wonach es „das Recht (gibt), Rechte zu haben“. In den philosophischen Seminaren aber wird sie nur höchst selten gelehrt. Von der Politikwissenschaft, die zunehmend eher statistisch orientiert ist, ganz zu schweigen. In der Soziologie ist sie nie erschienen.

Woran liegt das? Daran, dass sie – anders als andere geflohene Denker – nach 1945 nicht nach Deutschland zurückgekehrt ist?

Das mag dazu beigetragen haben – diejenigen Gelehrten und Künstler, die nicht aus dem Exil zurückgekommen sind, hatten noch mehr Mühe, als diejenigen, die zurückgekehrt sind, in Deutschland Anerkennung zu finden. Aber ich glaube, es gibt weitere Faktoren, die ebenso wichtig waren. Mal ganz abgesehen davon, dass es, zumindest in der Vergangenheit, für die philosophische Kanonisierung nicht hilfreich war, eine Frau zu sein – bei Arendt kommt sicher hinzu, dass sie Jüdin und dass sie streitbar war. Im posttotalitären Westdeutschland war man wenig darauf bedacht, vertriebenen jüdischen Gelehrten ihre Anerkennung wiederzugeben. In der DDR spielte Arendt sowieso nur in der Samisdat-Szene überhaupt eine Rolle. Es kommt hinzu, dass Arendt prinzipiell transdisziplinär arbeitete, also über die Disziplingrenzen hinausging. Wenn Sie sich das Buch „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ anschauen, so ist es eine Mischung aus historischer Erzählung, philosophischer Reflexion und einer historiografischen Analyse. Ihre Analyse war so vielschichtig angelegt, dass ein Teil ihrer deutschen und amerikanischen Kollegen, die auf dem gleichen Gebiet arbeiteten, sich geradewegs provoziert und in ihrer Standesehre angegriffen fühlten.

Wie kommt sie zu diesem Methodenmix? Schließlich ist sie doch eine klassisch ausgebildete Philosophin?

Also bei Arendt würde ich von einer begründeten systematischen Verweigerung traditioneller wissenschaftlicher Methodologie sprechen. In dieser Verweigerung liegt eine radikale Methodenkritik an den klassischen Wissenschaften und der Philosophie – eine bewusste Abwendung auch. Arendt hat das immer wieder betont – unter anderem in dem berühmten Fernsehinterview mit Günter Gaus aus dem Jahr 1964. Sie wolle sich nicht Philosophin nennen, sondern sie betreibe „politische Theorie“. Da spricht mitnichten weibliche Bescheidenheit oder gar Koketterie. Vielmehr begründet sie ihre Position folgendermaßen: Für sie sei die Philosophie eine „weltlose“ Wissenschaft geworden, der sie nicht angehören wolle. Diese Abwendung von der Welt in der Philosophie, die Flucht in die Metaphysik, bei gleichzeitiger Andienung an die Macht, die sich im 20. Jahrhundert in geradezu verheerender Weise in Europa gezeigt hat, dieser Bankrott der europäischen Intelligenz, deren Protagonisten die Welt des Alltags und der kleinen Leute ebenso verachteten wie die konkrete Aufgabe des politischen Denkens – und die sich gleichzeitig bei den Höfen der Macht andienten, davon distanzierte sich Hannah Arendt entschieden.

Ihre Absage an die Philosophie wäre also eine Reaktion auf die Erfahrungen während der Nazizeit, die Tatsache, dass sich in den 1930er-Jahren fast alle akademischen Philosophen der Diktatur angepasst, wenn nicht sogar angedient haben?

Das beginnt schon viel früher. In dem zitierten Interview verweist sie auf Platon, der sich, der Überlieferung nach, einbildete, den Diktator von Syrakus erziehen zu können. Doch bleiben wir in der Neuzeit: Der Zerfall der europäischen Intelligenz lässt sich bis in die Zeit der vorvorigen Jahrhundertwende zurückverfolgen. Arendt hat das als junge Studentin erlebt und als bodenlose Hybris diagnostiziert: Philosophen, die beanspruchten, eine Gesamtlösung für die Menschheit zu finden. Heidegger, mit dem sie ja eine enge Beziehung verband, ist in gewisser Weise paradigmatisch für diese Art von Philosophieren. Einerseits dekonstruierte Heidegger systematisch die traditionelle Metaphysik; andererseits gehörte er zu denen, die eine radikale Umkehr für das Abendland anstrebten, sich angeekelt von der Realpolitik abwendeten, im großen metaphysischen Schwung den Untergang des Abendlands erklärten, um dann die Lösung in totalitären Bewegungen und Regimen zu suchen. Diese Abwendung vom Politischen bei gleichzeitigem Machtopportunismus gegenüber faschistischen beziehungsweise totalitären Herrschaftssystemen, das ist es, was Arendt als fatale Tendenz nicht nur der Philosophie, sondern der gesamten europäischen Intelligenz diagnostiziert. Die Philosophie hatte kein Interesse am politischen Raum, an einer Öffentlichkeit, in der debattiert wird, an einem politischen „Wir“, das handelt. Dieser weltabgewandte, zum Teil hybride Gestus der wissenschaftlichen Intelligenz bei gleichzeitiger Herrschaftshörigkeit beförderte die Entstehung des Totalitarismus. Arendt hat das seit „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, das zuerst 1951 auf Englisch, 1955 dann in der überarbeiteten deutschen Fassung erschien, immer wieder angeprangert.

Das Totalitarismus-Buch ist wahrscheinlich Arendts berühmtestes und einflussreichstes Werk. Was macht für Arendt „totale Herrschaft“ aus?

Arendt analysiert in den beiden ersten Kapiteln, die je eigene Bücher sein könnten und zum Teil auch getrennt erschienen sind, minutiös den Zerfall der politischen Strukturen und des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Zeitalter des modernen europäischen Antisemitismus und des Imperialismus. In ihrer Sicht demontierten sich die bürgerlichen Gesellschaften jener Zeit von innen her selbst. Die politische Öffentlichkeit, das heißt die Parteien und Organisationen, schwächten sich gegenseitig – was blieb, waren die „Massen“, die sich nicht selbst politisch organisierten, aber jederzeit durch Propaganda und Ideologie als „Mob“ mobilisiert werden konnten. Was die totale Herrschaft letztlich ausmacht und sie in Arendts Sicht von Diktaturen und autoritären Regimen unterscheidet, das ist die zentrale Stellung des Terrors und der Ideologie im gesamten Herrschaftssystem: Im letzten Kapitel des 3. Teils („Ideologie und Terror: Eine neue Staatsform“), das sie nachträglich geschrieben hat, bezeichnet Arendt den „Terror als das eigentliche Wesen der totalitären Herrschaft“. Entscheidend ist dabei, dass der totalitäre Terror nicht willkürlich ist, sondern klar ideologisch geprägt.

Was unterscheidet Arendts Analyse von anderen Theorien des Totalitarismus?

Andere einflussreiche Totalitarismustheorien, wie etwa die von Carl Joachim Friedrich, von Ernst Fraenkel oder von Franz Neumann und anderen, haben sich vor allem auf die Veränderungen der Herrschaftsorganisation und Herrschaftspraxis in Politik und Wirtschaft konzentriert. Das methodologisch Interessante an Arendts Vorgehen besteht darin, dass sie bei aller Detailarbeit nicht nur eine konkrete Analyse der totalen Herrschaft und ihrer Elemente unternimmt, sondern, auf der Suche nach den Hintergründen, diese auch in eine grundsätzliche Kritik der Moderne und des modernen Welt- und Selbstverständnisses einbettet. 1953 hat sie das in dem Aufsatz „Verstehen und Politik“ so formuliert: „Für diejenigen, die sich für die Frage nach dem Sinn und Verstehen interessieren, liegt das Beängstigende am Aufkommen des Totalitarismus nicht darin, dass es sich um etwas Neues handelt, sondern darin, dass damit der Ruin unserer Denkkategorien und Urteilsmaßstäbe ans Licht gebracht worden ist.“ In dieser Diagnose liegt auch begründet, warum sich Arendt so radikal von dem traditionellen Wissenschaftsverständnis, und nicht nur von der Philosophie, abwendet. In der Abhandlung über „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ und in zur gleichen Zeit erschienenen Aufsätzen reflektiert Arendt auch darüber, wie totale Herrschaft das Denken zerstört: den inneren Dialog, den gesunden Menschenverstand im Sinne des kantschen sensus communis und letztlich die Urteilsfähigkeit … Auf dieser aber, auf der Urteilsfähigkeit jedes und jeder Einzelnen ruht die Zivilgesellschaft. Ohne diese Urteilsfähigkeit der vielen ist sie nichts.

Hannah Arendt spricht aber mit Blick auf den Totalitarismus doch auch von einem „Traditionsbruch“?

Ja, aber der Traditionsbruch ist für sie nicht die Folge, sondern die Voraussetzung für die Systeme totaler Herrschaft; sie diagnostiziert diesen Traditionsbruch in dem Weltverlust, dem die moderne Philosophie seit Descartes anheimgefallen sei, indem sie die Welt als Gegenstand der Vorstellung definiert habe. Das Auftreten von Massenvernichtungspraktiken im Imperialismus, in den Weltkriegen, im Nationalsozialismus und unter der stalinschen Herrschaft ist eine Folge dieses Traditionsbruchs, nicht ihre Erscheinungsform. Daher ist der Nationalsozialismus für Arendt das nachgelagerte Phänomen. Er entsteht aus den Verwerfungen der Moderne und ist nicht selbst Ursprung. In gewisser Weise ist sie in dieser fundamentalen Modernitätskritik Heidegger nahe. Freilich kommt sie zu diametral entgegengesetzten Resultaten als Heidegger. Für Arendt folgt aus der Diagnose nicht ein Rückzug aus dem Politischen, sondern es geht ihr darum, die politische, das heißt öffentliche Sphäre aus diesem Bankrott der Moderne heraus neu zu erschaffen.

Kann sich denn die Moderne Arendt zufolge vom Traditionsbruch, der den Totalitarismus mit sich bringt, erholen? Was folgt für die posttotalitäre Politik daraus?

Arendt zitiert immer wieder ein Gedicht von René Char, in dem es heißt: „unserer Erbschaft ist keinerlei Testament vorausgegangen“. Das heißt, wir leben mit einer Erbschaft, die uns auferlegt ist und die wir nicht ausschlagen können, denn es ist, wie Arendt es formuliert, „etwas geschehen, das nie hätte geschehen dürfen“ und daher auch nicht wiedergutzumachen ist. Wir leben also weiterhin im Angesicht dieses Abgrunds, den die Moderne ständig hervorbringt.

Bleibt Totalitarismus also eine ständige Gefahr, weil er ein wesentliches Merkmal der Moderne ist?

Arendt hat das Thema, wie sich totalitäre Elemente auch in Demokratien herausbilden, in späteren Werken immer wieder umkreist. Zum Beispiel die systematische Lüge, die mit der totalitären Ideologie verwandt ist. Die findet sich nicht nur im Totalitarismus, sondern auch in demokratischen politischen Ordnungen. Als Beispiel nimmt Arendt hier die amerikanische Propaganda während des Vietnamkrieges. Ihre Funktion ist es, Arendt zufolge, die Urteilsfähigkeit von Bürgern zu neutralisieren. Die systematische Lüge im politischen Raum hat das Potenzial, das politische Leben und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger nachhaltig zu beschädigen. Ein aktuelles Beispiel ist die Art und Weise, wie der russische Propagandaapparat gezielte Desinformation betreibt, mit dem Ziel, den Westen zu spalten und letztlich die Frage nach dem, was richtig oder wahr ist, überflüssig zu machen.

Wie kommt man gegen solche Gefahren an?

Arendt zufolge – und ich glaube, sie hat damit nach wie vor recht – besteht die einzige Chance gegen diese Tendenzen in der Regeneration einer starken politischen Öffentlichkeit. Und das ist eine Aufgabe, die jeden Einzelnen betrifft. Dass sich Bürgerinnen und Bürger zusammentun und die Republik verteidigen, zur Verfassung stehen, die Grundsätze weiterentwickeln, nach denen wir leben und die unseren Freiheitsraum ausmachen.

Und der islamistische Terror, der uns gegenwärtig so vor Augen steht? Hätte Arendt den IS als totalitär in ihrem Sinne verstanden?

Da müsste man spekulieren, ob und wie sie diese häretische Strömung innerhalb des Islam hätte verstanden wissen wollen. Es gibt Elemente ihres politischen Ansatzes, die sich durchaus übertragen lassen – also beispielsweise die vollkommene Unterordnung der Wirklichkeit unter die Ideologie, die Zentralität des Terrors. Aber ich denke, sie hätte mehr darüber nachgedacht, wie sich die westlichen Demokratien verteidigen gegen diese Gefahr, ob sie einknicken oder ihre plurale Öffentlichkeit leben und öffentlich verteidigen. Die Maxime, dass Religion und Staat zu trennen sind, die Erkenntnis, dass menschliche Gemeinschaften grundsätzlich plural sind, das sind ja Errungenschaften der Moderne. Und sobald man anfängt, diese einschränken zu wollen, sind Zivilgesellschaften in Gefahr.

Also ist für Arendt die Pluralität gerade nicht ein Problem, sondern eine Chance der Moderne?

Pluralität heißt Vielfalt, Differenz und Streit. Menschen sind eben nicht alle gleich. In Deutschland beispielsweise ist Streitkultur nicht sehr anerkannt, obwohl ständig öffentlicher Streit ausbricht. Man findet Streit schrecklich, neigt zur harmonischen Mitte und gerät schnell in die Gefahr, divergierende Meinungen zu diskreditieren. Das ist natürlich ein Erbe des letzten und des vorletzten Jahrhunderts mit all ihren Grausamkeiten. Konsenskultur neigt dazu, Unterschiede und nicht unauflösbare Dissense moralisierend zu tabuisieren, was zu Eruptionen führen kann.

Besser wäre Streit?

Demokratische Gesellschaften brauchen eine robuste Streitkultur. Arendt führt das Argument aus dem griechischen Kontext an, dass das Denken mit dem Streiten erst beginnt, angefangen bei dem Dialog, den jeder und jede mit sich selbst führt. Das war für sie sozusagen die Grundform des Denkens. Wenn man aber die Konsenskultur zum moralischen Imperativ erhebt, dann ist das auch für die zivile Gesellschaft gefährlich. Aber es scheint andererseits auch einer inneren Tendenz der pluralen Demokratie zu entsprechen, dass sie immer nach Konsens und letztlich Nivellierung strebt. Pluralität ist ja auch ein Durcheinander und als solches nichts Schönes.

Ist diese Vereinheitlichungstendenz, welche in Demokratien zu finden ist, denn wirklich schon so etwas wie der erste Schritt in den Totalitarismus?

Man darf dies nicht in einer Art negativem Fortschrittsglauben sehen, nach dem Motto: Unsere westlichen Demokratien sind auf dem Wege in den Totalitarismus. Es kommt auf die historische Situation an. Aber wenn Sie in Deutschland Bewegungen wie Pegida ansehen, mit diesem Ruf nach einer einheitlichen, gar ethnischen Identität … Natürlich drückt sich da auch die Überforderung einer Zivilgesellschaft aus, die noch nicht zu sich selbst gefunden hat. Aber die Frustration, die am Grunde dieser herausgeschrienen Sehnsucht nach Einheit und Autorität liegt, die Angst und Wut, die organisieren sich in einer mitunter Mob-ähnlichen Art und Weise, die mich manchmal ratlos macht. Jedenfalls scheinen da Elemente hochzukommen, die durchaus totalitäres Potenzial haben. Solche Erscheinungen existieren als Potenzial überall in Europa. Hannah Arendt hätte aber wohl auf die einzigartige menschliche Möglichkeit verwiesen, politisch aktiv und wirksam zu sein. Der Ruf nach Einheitlichkeit, die Tendenz hin zu systematischen Lügen, die eine eigene Realität jenseits der Wirklichkeit herstellen – all dem kann man Arendt zufolge nur mit politischem Handeln begegnen. Sie diesbezüglich optimistisch zu nennen, wäre zu viel gesagt, aber ein Glaube an die Möglichkeiten des Menschen ist bei ihr auf jeden Fall geblieben. Ihr Totalitarismus-Buch endet ja mit dem hoffnungsvollen Satz: „Dieser Anfang ist immer und überall da und bereit. Seine Kontinuität kann nicht unterbrochen werden, denn sie ist garantiert durch die Geburt eines jeden Menschen.“ •

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