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Bild: Jan-Philipp Strobel (picture alliance / dpa)

Interview

Wilhelm Heitmeyer: „Krisen und Kontrollverluste sind die wirkungsvollsten Treiber“

Wilhelm Heitmeyer, im Interview mit Christoph David Piorkowski veröffentlicht am 19 Juni 2023 10 min

Werden Rechtspopulisten bald zu deutschen Ministern? Wilhelm Heitmeyer forscht seit 40 Jahren zur politischen Rechten. Der Höhenflug der AfD kommt für ihn nicht überraschend. Die Gründe, sagt er, liegen viel tiefer als in einer schlechten Regierungsperformance. Die Zivilgesellschaft müsse konfliktfähiger werden.

 

Herr Heitmeyer, in aktuellen Umfragen kommt eine immer extremistischer werdende AfD auf bis zu 19 Prozent. Auf die sogenannte „negative Sonntagsfrage“ antwortet nur noch gut die Hälfte der Deutschen, die Rechtsaußen-Partei niemals wählen zu wollen. Sie forschen seit langem zum Rechtsextremismus. Überrascht Sie das?

Nein. Seit vielen Jahren ist eine Art Normalisierung von früher nicht salonfähigen Positionen zu beobachten. Die AfD profitiert hier von ihrer besonderen Struktur: Sie ist keine klassisch rechtsextreme Partei, insofern sie nicht explizit zur Gewalt aufruft; die bürgerliche Patina macht sie für viele gesellschaftliche Gruppen wählbar. Sie bloß als rechtspopulistisch zu bezeichnen, halte ich allerdings für verharmlosend. Ich bezeichne den politischen Typus von Parteien wie der AfD als „Autoritären Nationalradikalismus“. 

Wo liegt der Unterschied?

Rechtspopulismus zielt auf kurzzeitige Erregungszustände, und arbeitet mit der ideologisch flachen Konfliktlinie „Volk versus Elite“. Das reicht nicht aus, um die Phänomene auf der rechten Seite des Parteienspektrums begrifflich zu fassen. Den autoritären Nationalradikalismus kennzeichnen drei nachweisbare Merkmale: Das Autoritäre besteht darin, ein verändertes Ordnungsmodell anzustreben, mit traditionellen Lebensweisen, klaren Hierarchien und dichotomischen Gesellschaftsbildern die „Wir gegen Die“, „Innen gegen Außen“, oder „Eigenes gegen Fremdes“ positionieren. Beim Nationalistischen geht es um Überlegenheitsansprüche deutscher Kultur, eine veränderte Geschichtsschreibung und Deutsch-Sein als zentralen Identitätsanker. Das Radikale besteht in einem rabiaten und emotionalisierten Mobilisierungsstil. Dieser Politiktypus ist auch anschlussfähig an eine weitverbreitete rohe Bürgerlichkeit. 

Was bedeutet das, rohe Bürgerlichkeit?

Rohe Bürgerlichkeit meint eine verachtende Haltung gegenüber Schwächeren mit einer Ideologie, die bestimmte Gruppen von Menschen als ungleichwertig begreift, und sich hinter einer glatten äußeren Fassade verbirgt.

Die Hälfte der Deutschen schließt nicht aus, eine Partei zu wählen, deren wohl mächtigste Strömung, der Höcke-Flügel, geistige Anleihen beim Nationalsozialismus macht. Wie stark ist die bürgerliche Mitte der Gesellschaft von autoritären Denkmustern geprägt?

Mit dem von uns an der Uni Bielefeld entwickelten Konzept der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit konnten wir in großen Langzeitstudien von 2002 bis 2012 nachweisen, dass die Abwertungs- und Diskriminierungsformen der rohen Bürgerlichkeit in weiten Teilen der Bevölkerung tief verankert sind und schon vor der Gründung der AfD existierten. Das zeigt, dass es ein großes Potenzial von Menschen gibt, die sich zwar vom klassischen Rechtsextremismus und seiner Gewalt distanzieren, doch dem Agieren der AfD durchaus zugeneigt sind. 

In Politik und Medien wird jetzt wieder über die vermeintlichen Ursachen des Höhenflugs der AfD diskutiert. Die schlechte Performance der Ampel-Regierung steht ganz oben auf der Liste. Sie meinen, die Gründe liegen tiefer?

Definitiv. Sozialwissenschaftlich gilt es lange Strecken zu beobachten, zu schauen, wie sich bestimmte Prozesse entwickeln. Das kann man nicht auf Heizungsfragen verkürzen. Diese Erklärung führt dann wieder zur falschen Behauptung, hier seien vor allem Protestwähler am Werk. Damit unterschlägt man die Mentalitäten, die sich langfristig entwickelt haben.

Was hat zu diesen Mentalitäten geführt?

Zunächst die vom Neoliberalismus hervorgerufenen sozioökonomischen Verwerfungen. Dietmar Loch und ich haben 2001 den Band Schattenseiten der Globalisierung herausgegeben. Hier haben wir die Entwicklung des rechten Spektrums in Europa untersucht. Schon damals hat ein autoritärer und entfesselter Kapitalismus unter Mithilfe der Politik bei Standortentscheidungen und Sozialstandards riesige Kontrollgewinne erzielt. Nationalstaatliche Politik hingegen hat sehr viel Kontrolle verloren, auch um soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Dies hat zu sozialen Desintegrationsprozessen und zu Vertrauensverlusten in die Politik geführt. Ich habe das „Demokratieentleerung“ genannt: Der Apparat funktioniert, das Vertrauen erodiert. In 2003 etwa meinten 58 Prozent, die demokatischen Parteien würden alles zerreden und die Probleme nicht lösen.

Inwiefern profitieren die Rechten davon?

Meine These war schon 2001, dass der Nutznießer dieser Entwicklung ein rabiater Rechtspopulismus sein würde. Was da noch nicht eingerechnet war, ist das wir seit 2001 eine nicht enden wollende Serie von oft systembedingten Krisen erleben. Krisen sind dadurch definiert, dass die herkömmlichen Instrumente nicht mehr funktionieren und die Zustände vor der Krise nicht wiederherstelbar sind. Viele Menschen haben seither verstärkt Gefühle, über ihre Biografie die Kontrolle zu verlieren. Der autoritäre Nationalradikalismus konnte sich nicht zuletzt deshalb stabilisieren, weil er verspricht, die Kontrolle wiederherzustellen.  

Ist der Rechtspopulismus somit auch das Symptom einer an sich selbst krankenden liberalen Ordnung?

Ja, insofern der entfesselte ökonomische Neoliberalismus in der Globalisierung der 1990er- und 2000er Jahre zu gesellschaftlichen Verwerfungen geführt hat, die von nationalradikalen Akteuren politisch ausgebeutet werden können. „Deutschland zuerst“.

Gibt es hier Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland?

Man kann nicht leugnen, dass viele Menschen in Ostdeutschland autoritär sozialisiert worden sind. Zudem wurde die Konstellation „Mehr Sicherheit und weniger Freiheit“ nach der Wende zu „Mehr Freiheit und weniger Sicherheit“. Es gab bekanntlich Brüche in zahlreichen Biografien. Hinzu kamen schmerzhafte Anerkennungsverluste. Diese sind politisch hochgradig gefährlich. Das Gefühl, nicht wahrgenommen zu werden, ist im Osten verbreiteter als im Westen. Wer nicht wahrgenommen wird, ist ein Nichts. 

Was macht das Gefühl fehlender Anerkennung so gefährlich?

Aus dem Gefühl der Benachteiligung heraus entwickeln besonders viele Menschen im Osten zwecks Kompensation eine Moral der Überlegenheit. Im Gegensatz zu den regierenden „Volksverrätern“ und dem „deutschvergessenen“ Rest der Bevölkerung inszenieren sie sich als das „wahre deutsche Volk“. Eine Vielzahl empirischer Studien zeigt, dass Personen, die sich herabgesetzt fühlen, vermehrt zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit neigen. 72 Prozent der Menschen, die ihre eigene Gruppe als kollektiv benachteiligt ansehen, neigen zu fremdenfeindlichen Aussagen.

Begehren die sogenannten Protestwähler:innen demnach nicht bloß gegen konkrete Politik auf, sondern gegen die offene Gesellschaft per se, tendieren zur AfD also nicht trotz, sondern wegen ihres unmissverständlichen Rassismus?

Sowohl als auch. Positionen gegen die offene Gesellschaft und die liberale Demokratie sind unter AfD-Wählenden jedenfalls sehr weit verbreitet und vor allem stabil. Insofern halte ich den Begriff Protestwähler für komplett verharmlosend. Damit versucht sich die institutionalisierte Politik seit jeher zu beruhigen. Die Vorstellung, die verloren gegangenen Wähler kämen zurück, wenn man kurz mal die Begriffe der Rechten übernimmt, ist irrig. Jene Mentalitäten, die die Menschen dazu bringen, AfD zu wählen, existierten schon lange vor ihrer Gründung, waren aber parteipolitisch ungebunden. Nun haben sie eine feste Anschlussstelle. Das erklärt auch die stabile Wählerschaft. Hinzu kommt, dass es der AfD gelungen ist, vor allem Nicht-Wähler aus ihrer wutgetränkten Apathie zu holen. 

CDU-Chef Friedreich Merz erklärt nun, die politische Kultur des Landes „vom Kopf auf die Füße“ stellen zu wollen und polemisiert gegen „gegenderte Nachrichtensendungen“ und eine vermeintlich „engstirnige Meinungselite“. Was passiert, wenn demokratische Politiker:innen eine rechtspopulistische Rhetorik übernehmen?

Die Nationalradikalen werden stärker. Markus Söder etwa musste das im Wahlkampf erfahren, als er versuchte, die AfD rechts zu überholen. Das Gefährliche ist, dass die Übernahme von rechter Rhetorik dazu führt, dass sie sich normalisiert. Und was erstmal als normal gilt, kann nachher kaum noch problematisiert werden. 

Auch dass sich früher unterdrückte Personengruppen zunehmend emanzipieren, scheint Menschen gegen die liberale Ordnung aufzubringen, vielleicht weil diese sie nun nicht mehr bevorzugt. „Wokeness“ ist der neue Hassbegriff der Rechten. Sind es weniger reale als symbolische Verluste, die Menschen in Scharen zu den Rechtsextremen treiben?

Tatsächlich zeigt der internationale Vergleich, dass die empfundenen Identitätsbedrohungen heute am ausschlaggebendsten dafür sind, dass sich Menschen dem autoritären Nationalradikalismus zuwenden. Mit Volkszugehörigkeit als identitärem Anker lassen sich solche Verlustempfindungen psychologisch kompensieren. Die damit verbundene Identitätspolitiken sind gesellschaftszersetzend, weil sie harte Gruppengrenzen betonen.

Gegen die als veränderungswütig diffamierten Grünen als ihrem eigentlichen Widerpart, wirbt die AfD mit der nostalgischen Fiktion einer natürlichen und angestammten Weise zu leben. Nicht ungerechte Güterverteilung steht im Fokus, sondern die Unordnung der spätmodernen Welt. Ist der Kulturkampf der Klassenkampf von rechts?

Das kann man durchaus sagen. Dabei verspricht man, auch sozioökonomische Probleme auf eine kulturelle Weise zu lösen. Die als Chaos wahrgenommene globalisierte Gegenwart soll beseitigt und eine ursprüngliche Ordnung wiederhergestellt werden. Es geht hier immer um ein „take back control“. Dabei kommt ein spezieller Konflikttypus zum Tragen. Es geht nicht um Verhandlungslösungen, sondern um ein autoritäres, gewaltanfälliges „Entweder-Oder“ Prinzip. 

Manche Soziolog:innen halten die Landgewinne des rechten Autoritarismus im Anschluss an den italienischen Philosophen Antonio Gramsci für ein krisenbedingtes Übergangsphänomen. Das neoliberale System sei am Ende, ein neues Paradigma aber zeichne sich nicht ab. Der Populismus versuche diese Lücke zu schließen. Was halten Sie von dieser Diagnose?

Da würde ich weitgehend mitgehen. Mit der Einschränkung, dass ich nicht glaube, dass es sich notwendig um Übergangsphänomene handelt. Die nicht zuletzt durch das kapitalistische System bedingten Krisen, die uns seit der Jahrtausendwende begleiten, haben sich auch qualitativ verändert von Krisen in einzelnen Bereichen zu systemrelevanten und multiplen Erscheinungen. Die damit verknüpften zunehmenden Kontrollverluste und Umstellungszumutungen haben dazu beigetragen, dass sich ein autoritärer Nationalradikalismus verstetigen konnte.

Rechtspopulistische/nationalradikale Akteure und Parteien sind in Europa seit Jahren auf dem Vormarsch, stellen gar Minister und Ministerpräsidentinnen. Was unterscheidet die AfD von ihren europäischen Pendants? 

Die Überschneidungslinien zwischen all diesen Parteien liegen in der Ideologie der Ungleichwertigkeit und dem Anti-Pluralismus. Es gibt auch regionale Unterschiede, die aber oft nicht von Dauer sind, da sich die parteipolitischen Akteure der Neuen Rechten sehr flexibel zeigen, immer wieder an den Zeitgeist anpassen und politisch ausbeutbare Krisenthemen aufgreifen. Die Politikwissenschaftlerin Karin Priester hat in diesem Zusammenhang von einem politischen Chamäleon gesprochen. Die Programme bewegen sich oft im Spannungsfeld von neoliberalen Wirtschaftskonzepten und antiliberal-autoritärer Ideologie und sind vor allem im ökonomischen Bereich selten eindeutig festgelegt. 

In der Vergangenheit fungierte ein verrohter Konservatismus oft als Steigbügelhalter für die radikale Rechte. Können Rechtsaußen-Parteien die Demokratie nur dann aus den Angeln heben, wenn Konservative sich mit ihnen gemein machen?

Der Grenzbereich zu den Konservativen ist in der Tat fragil. Die Übergänge sind insofern fließend, als hier bestimmte Grundmuster, etwa in Fragen traditionaler Lebensführung, bei allen sonstigen Unterschieden durchaus geteilt werden. Ansonsten müsste die Brandmauerdebatte gar nicht geführt werden. Ich erinnere an den Fall Thüringen, wo sich der FDP-Mann Thomas Kemmerich mit Stimmen der AfD ins Amt wählen ließ, wo die Systemebene also schon erreicht worden ist. 

In anderen Ländern, wie Österreich, haben die Konservativen längst mit den Rechtspopulisten koaliert und scheinen das auch für die Zukunft zu planen. Die CDU beteuert, ihre Brandmauer halte. Droht uns ein Mitte-Rechts-Außen-Bündnis früher oder später auch in Deutschland?

Die Beteuerungen hört man wohl, dass da kein Weg zusammenführt. Man mag es nur nicht glauben, ich jedenfalls nicht. Zumal in Teilen der CDU und der FDP zumindest auf Länderebene immer wieder solche Überlegungen aufkommen. Ich halte eine Zusammenarbeit von CDU und AfD nicht für unwahrscheinlich. Auf der Bundesebene kann ich mir das in naher Zukunft nicht vorstellen, aber auf der Ebene von Landtagen wird das voraussichtlich früher oder später geschehen. Abzuwarten sind die Landtagswahlen in Ostdeutschland.

Haben Sie manchmal Angst vor den deutschen Zuständen?

Angst würde ich das nicht nennen. Aber ich mache mir schon große Sorgen. Nicht zuletzt deshalb, weil ich seit 1985 Untersuchungen mache, die die schleichende Normalisierung autoritärer und nationalradikaler Einstellungen nahelegen. Seitdem warne ich davor, aber an den angedeuteten Entstehungsmechanismen ändert sich nichts. Es gibt, wie schon erwähnt, ein Muster des Erfolgs: Gesellschaftliche Krisen werden als individuelle Kontrollverluste wahrgenommen - die Autoritären treten dann mit dem Versprechen auf, die verloren gegangene Kontrolle wieder herzustellen. Die Themen ändern sich, die Wirkungsmechanismen bleiben gleich.

Unsere Gesellschaft kann Menschen nicht dazu zwingen, demokratisch zu sein, weil sie sonst autoritär werden würde. Der Politikwissenschaftler Daniel Ziblatt hat gezeigt, dass Demokratien heute schleichend sterben, sie werden nicht selten über Wahlen beendet. Was kann man einer solchen Entwicklung entgegensetzen?

Ich kann hier nur wenige Stichworte nennen. Verbote rechtsextremer Parteien helfen leider wenig, weil sich die Einstellungsmuster der Menschen nicht verbieten lassen. Repression erzeugt auch Innovationen im rechten Spektrum. Man erfindet sich neu. Zunächst sollten Repräsentationslücken im politischen System geschlossen werden. Personen, die sich nicht repräsentiert fühlen, müssen ein gutes demokratisches Angebot bekommen. Dann müssen die teilweise rechtsautoritären Strukturen in staatlichen Institutionen, wie Polizei und Bundeswehr angegangen werden. Ein weiteres riesiges Problem ist, dass die Politische Bildung in Schulen lange Zeit stark vernachlässigt wurde und wird. Zudem versagen Universitäten in den rechtswissenschaftlichen, wirtschaftswissenschaftlichen und technologischen Fakultäten, in denen die zukünftigen Eliten für Politik, Staat und Wirtschaft ausgebildet werden.

Wieso versagen die Universitäten?

Weil sie in keiner Weise mit ihren Angeboten auf den Umstand reagieren, dass vor allem in diesen Fachbereichen unter vielen Studierenden sehr problematische Einstellungsmuster vorhanden sind. Es gibt Untersuchungen der Konstanzer Hochschulforschung, die gerade dort ein hohes Maß an ausgeprägt nationalkonservativen Ansichten vorgefunden haben. Bereits 2000 zeigten sich hier auf der Basis von 8.000 Befragten 40 Prozent zustimmend zur Begrenzung von Ausländern und 21 Prozent  zustimmend zur Abwehr kultureller Überfremdung. Aber die Universitäten scheint das überhaupt nicht zu interessieren.

Und was kann die Zivilgesellschaft tun?

Sie muss vor allem konfliktfähiger werden. Neben öffentlichen Demonstrationen heißt das, insbesondere in den nahen Bezugsgruppen wie Verwandtschaften, Freundesgruppen, Kirchen, Sportvereinen, am Arbeitsplatz etc. widerständig zu sein. Immer dann, wenn Menschen Positionen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit artikulieren, muss ihnen sofort entschieden widersprochen werden. Wenn wir das nicht riskieren, auch auf die Gefahr hin aus unseren Bezugsgruppen ausgeschlossen zu werden, tragen wir an der Normalisierung und Anschlussfähigkeit der AfD eine Mitschuld. •

 

Der Soziologe und Erziehungswissenschaftler Wilhelm Heitmeyer war von 1996 bis 2013 Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld und arbeitet dort heute als Forschungsprofessor. Zuletzt zum Thema erschienen sind von ihm die Bücher „Autoritäre Versuchungen" (2018) sowie „Rechte Bedrohungsallianzen“ (gemeinsam mit Manuela Freiheit und Peter Sitzer, 2020; beide Suhrkamp).

Christoph David Piorkowski studierte Philosophie, Europäische Ethnologie und Religionswissenschaft in Marburg und Berlin. Seit 2013 arbeitet er als freier Journalist und Autor, aktuell vor allem für den Tagesspiegel und den Deutschlandfunk. Er schreibt hauptsächlich Gesellschaftsanalysen und Politische Feuilletons. Schwerpunkte seiner Arbeit sind NS- und Holocaustforschung, Antisemitismus, Rassismus, Rechtspopulismus und Demokratiekrise. Sein Buch „Erzählen vom Unaussprechlichen. Über Leben und Werk von Primo Levi und Jean Améry“ ist kürzlich im Metropol-Verlag erschienen.

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Kommentare

Armin | Dienstag, 20. Juni 2023 - 00:02

Ich schätze, dass die Zivilgesellschaft in allen Gruppen wie auch in Individuen versuchen kann, statt Mitte gegen Rand gutes Links mit gutem Rechts abzuwägen. Dazu braucht es aber gutes Links und gutes Rechts.

Armin | Dienstag, 10. Oktober 2023 - 01:42

Gutes Links, das könnte in meiner Vorstellung gute Politik hin zu Versuchen von wahrscheinlich Bestem für alle sein.
Gutes Rechts, das könnte in meiner Vorstellung gute Politik hin zu Versuchen hin zu wahrscheinlicher Befreiung jener Gemeinschaft sein.
Für nur zwei Parteien pro Polis braucht es nach meinem Verständnis "relatives Mehrheitswahlrecht in Einerwahlkreisen."

Ich danke wieder für den Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.

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