Keine Angst vorm Widerspruch
Wo eine Wahrheit einer anderen gegenübersteht, müssen wir uns – so scheint es – entscheiden. Falsch, meinte Blaise Pascal. Zum 400. Geburtstag, erinnert Christoph Kann an den französischen Philosophen, der weder Gegensätze noch Unsicherheiten im Denken scheute.
Was kann man heute noch wissen, worauf noch vertrauen, in einer Welt, in der sich Standpunkte unversöhnlich gegenüberzustehen scheinen? Anstatt sich möglichst schnell zu positionieren, diese oder jene Sichtweise zu disqualifizieren, oft genug unter Berufung auf die Vernunft, formulierte bereits der Philosoph Blaise Pascal einen anderen Ansatz. Der Vernunft ihre Defizite aufzuzeigen, und zwar mit Mitteln der Vernunft selbst, zählt zu seinen bleibenden Verdiensten. Heute, am 19. Juni 2023, jährt sich Pascals Geburtstag zum 400. Mal.
Schon in jungen Jahren leistet Pascal teils geniale Beiträge zu mathematischen Fragen und zu naturwissenschaftlichen Themen. Zugleich befasst er sich, angeregt durch Konflikte um die katholische Reformbewegung des Jansenismus, mit Fragen von Religion, ihren Spannungen und Abgrenzungstendenzen. Wissenschaftliche, philosophische und – nach einem Bekehrungserlebnis forcierte – religiöse Orientierung wechseln sich in seinem Werk ab und durchdringen einander bei wechselnder Gewichtung. Neben Mathematik, Wahrscheinlichkeitstheorie und naturwissenschaftlichen Innovationen setzt Pascal an zu einer umfassenden Verteidigung des Christentums im Rahmen seiner Gedanken (Pensées).
Logik des Herzens
Philosophie Magazin +

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein
- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Im Printabo inklusive
Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden
Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo
Weitere Artikel
Jacqueline Pascal, die unbeirrbare Ordensschwester
Zeitlebens trat Jacqueline Pascal für die religiöse Bildung junger Frauen und ihre eigene Unabhängigkeit ein und fand dennoch neben ihrem berühmten Bruder Blaise kaum Beachtung – zu Unrecht, wie Millay Hyatt zeigt.

Blaise Pascals Wette auf Gott
Für Blaise Pascal, liegt es im Interesse der Ungläubigen, auf Gott zu wetten. Wenn man nämlich richtig liegt, bedeutet das ewiges Glück. Und wenn nicht, ist nichts verloren. Denis Moreau erläutert die Argumentation des Philosophen im Detail.

Kunst als Vollendung der Philosophie – Schelling zum 250. Geburtstag
Mit dem Deutschen Idealismus rückt das erkennende Subjekt in den Mittelpunkt. Nicht so für Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, der Mensch und Welt, Ich und Natur als Einheit begreift. Zum 250. Geburtstag erinnert Christoph Kann an den Philosophen und erklärt, warum diese Einheit in der Kunst vollends erfahrbar wird.

Dunkel und warm
Seit Platon durchzieht das Ideal der Wahrheit und des Lichts jenseits der dunklen Höhle die Philosophie. Aber: Ist die Höhle nicht in Wirklichkeit der Ort, an dem wir glücklich, zufrieden, sicher sind? Ein Verdacht, den von Blaise Pascal bis zu Hans Blumenberg viele geäußert haben.

Fernreisefantasien
Wer in diesem Sommer noch mal den Bleib-zu-Hause-Philosophen Blaise Pascal zitiert (das Unglück, die Menschen, das Zimmer), muss bitte auch seine Pensées zusammenfassen.

Lieber Christoph, lieber Etienne…
Ein deutscher und ein französischer Philosoph debattieren über den Krieg: Anlass ist ein Appell, in dem bekannte Persönlichkeiten einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine fordern. Christoph Menke ist einer der Unterzeichner und hat Etienne Balibar gefragt, ob er sich dem Appell ebenfalls anschließen will. Unter den beiden Denkern entspinnt sich ein Mailwechsel: In einer ersten Antwort begründet Balibar, warum er viele Sorgen teilt, aber dennoch nicht unterzeichnen möchte. Die Reaktion Christoph Menkes lesen Sie hier.

Kierkegaard und die Existenz
Für welche Existenzweise soll ich mich entscheiden? Das ist die fundamentale Herausforderung, der jeder Mensch gegenübersteht. Es handelt sich um eine radikale Wahl, die das gesamte Leben betrifft. Das Schwindelgefühl, das uns angesichts dieser Frage erfasst, hat Søren Kierkegaard (1813–1855) selbst mit Leib und Seele durchlebt. Er unterscheidet verschiedene Arten des Verhältnisses zu sich selbst und zur Welt. Er nennt sie die „Stadien“ der Existenz. Eine Einfühung in die Reflexionen des dänischen Philosophen über das ästhetische, ethische und religiöse Stadium.

Lieber Etienne, lieber Christoph…
Ein deutscher und ein französischer Philosoph debattieren über den Krieg: Anlass ist ein Appell, in dem bekannte Persönlichkeiten einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine fordern. Christoph Menke ist einer der Unterzeichner und hat Etienne Balibar gefragt, ob er sich dem Appell ebenfalls anschließen will. Unter den beiden Denkern entspinnt sich ein Mailwechsel: In seiner ersten Mail hatte Balibar begründet, warum er nicht unterzeichnen möchte. Hier lesen Sie die Antwort von Christoph Menke, in der er unter anderem folgenden Gedanken entwickelt: Aus dem Rechtsurteil, dass Russland klar der Aggressor ist, folgt nicht, was jetzt zu tun ist.
