Michael Hampe: „Es ist sinnlos zu fragen, was der Zweck des ganzen Lebens ist“
Unsere Existenz ist meist ausgerichtet: Es gilt, sich anzustrengen, ein Ziel zu verfolgen, einen Erfolg einzufahren. Doch das, so Michael Hampe, führt in die geistige Enge und lässt die Wahrnehmung verarmen. Wie lässt sich ein Leben jenseits von Zwecksetzungen vorstellen? Und was wird aus der Moral, wenn wir uns von Bewertungen verabschieden?
Herr Hampe, in Ihrem Buch Wozu? beschreiben Sie die Geschichte Ihres eigenen Bewusstseins. Warum sind Sie die Frage nach dem „Wozu?“ von Ihrer eigenen Biografie her angegangen?
Es ist die Frage, ob es wirklich „mein eigenes Bewusstsein“ ist, das ich beschreibe. Das Experimentelle an dem Buch ist, dass ich versuche, den Zustand vor dem Ich-Bewusstsein sowie sein Ende zu imaginieren, indem ich zum Beispiel auf meine Erfahrungen mit kleinen Kindern und meinem sterbenden Vater zurückgreife. Aber es ist richtig, dass der erste Teil meines Buches autobiografische Züge hat. In der Philosophie wird oft von „wir“ geredet. Man kann sich aber fragen, mit welcher Berechtigung Philosophen behaupten, dass „wir doch das und das glauben“. Eine Möglichkeit, die Anmaßung des Wir zu umgehen, ist autobiografisches Sprechen, das man auch schon bei Philosophen wie Augustinus, Montaigne oder Kierkegaard findet. Neben der Anmaßung des Wir möchte ich zudem auch Behauptungsansprüche und normative Ansprüche vermeiden. Ich möchte philosophische Texte dazu verwenden, etwas zu zeigen – bestimmte Erfahrungen, die ich gemacht habe und die zu einer Deutung geführt haben. Beides, die Erfahrungen und Deutungen, möchte ich anderen Leuten zeigen, vielleicht so, wie ein Kind anderen Leuten ein Bild zeigen will, das es gemalt hat.
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Kommentare
Das Leben bekommt meiner Beobachtung nach gut Sinn, wenn man das wahrscheinlich Beste für alle versucht. Es gibt aber auch unzählige andere Wege, der genannte ist nur der meines Erachtens nach maximal generalisierte.
Ich danke für den Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.