Thea Dorn: "Die deutsche Kultur ist ein Netz aus Ähnlichkeiten"
Thea Dorn differenziert, wo andere sich nicht trauen. In ihrem neuen Buch „Über Deutschland“ fragt sie, wie sich das Spezifische der deutschen Kultur ohne Blut-und-Boden-Ideologie denken lässt. Ein Gespräch mit einer der streitbarsten Intellektuellen unserer Zeit
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Weitere Artikel
Martin Luther und die Angst
Sein kultureller Einfluss ist nicht zu überschätzen: Martin Luthers Bibelübersetzung bildet den Anfang der deutschen Schriftsprache, seine religiösen Überzeugungen markieren den Beginn einer neuen Lebenshaltung, seine theologischen Traktate legen das Fundament einer neuen Glaubensrichtung. In der Lesart Thea Dorns hat Luther, der heute vor 479 Jahren starb, die Deutschen aber vor allem eines gelehrt: das Fürchten. Oder präziser: die Angst. In ihrem brillanten Psychogramm des großen Reformators geht die Schriftstellerin und Philosophin den Urgründen von Luthers Angst nach – und deren uns bis heute prägenden Auswirkungen.

Thea Dorn: „Todesvermeidung um jeden Preis bringt uns in eine existenzielle Aporie“
Der Schutz des Lebens ist das Kernelement der Zivilisation. Aber sind wir gerade dabei, aus lauter Todesangst das Leben selbst zu opfern? Ein Interview mit Thea Dorn über ihr am 8. Februar erschienenes Buch Trost und einen Konflikt, in dem wir alle stecken.

Donatella Di Cesare: „Wir müssen Bürgerschaft als Fremdheit denken“
Die Europäische Union plant eine Asylreform, die für Donatella Di Cesare nicht nur ein Verrat an der europäischen Idee ist, sondern auch eine Fortführung der Blut-und-Boden-Ideologie. Die Philosophin fordert statt einer Politik nationalstaatlicher Souveränität ein neues Denken der Bürgerschaft. Über die Möglichkeiten einer solchen Veränderung sprachen wir mit ihr am Forschungsinstitut für Philosophie Hannover.

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so mütend bin
Um die pandemische Grundstimmung auf den Punkt zu bringen, sind neue Wörter entstanden: „mütend“ im Deutschen, „languishing“ im Englischen. Beide weisen Ähnlichkeiten zu einem Gefühl auf, mit der die Philosophie sich immer wieder beschäftigte: die Melancholie.

Wer sind "Wir"?
Als Angela Merkel den Satz „Wir schaffen das!“ aussprach, tat sie dies, um die Deutschen zu einer anpackenden Willkommenskultur zu motivieren. Aber mit der Ankunft von einer Million Menschen aus einem anderen Kulturkreis stellt sich auch eine für Deutschland besonders heikle Frage: Wer sind wir eigentlich? Und vor allem: Wer wollen wir sein? Hört man genau hin, zeigt sich das kleine Wörtchen „wir“ als eine Art Monade, in der sich zentrale Motive zukünftigen Handelns spiegeln. Wir, die geistigen Kinder Kants, Goethes und Humboldts. Wir, die historisch tragisch verspätete Nation. Wir, das Tätervolk des Nationalsozialismus. Wir, die Wiedervereinigten einer friedlichen Revolution. Wir, die europäische Nation? Wo liegt der Kern künftiger Selbstbeschreibung und damit auch der Kern eines Integrationsideals? Taugt der Fundus deutscher Geschichte für eine robuste, reibungsfähige Leitkultur? Oder legt er nicht viel eher einen multikulturellen Ansatz nahe? Offene Fragen, die wir alle gemeinsam zu beantworten haben. Nur das eigentliche Ziel der Anstrengung lässt sich bereits klar benennen. Worin anders könnte es liegen, als dass mit diesem „wir“ dereinst auch ganz selbstverständlich „die anderen“ mitgemeint wären, und dieses kleine Wort also selbst im Munde führen wollten. Mit Impulsen von Gunter Gebauer, Tilman Borsche, Heinz Wismann, Barbara Vinken, Hans Ulrich Gumbrecht, Heinz Bude, Michael Hampe, Julian Nida-Rümelin, Paolo Flores d’Arcais.
Hat Deutschland im Rahmen der Flüchtlingskrise eine besondere historisch bedingte Verantwortung
Während viele Deutsche nach 1945 einen Schlussstrich forderten, der ihnen nach der Nazizeit einen Neubeginn ermöglichen sollte, ist seit den neunziger Jahren in Deutschland eine Erinnerungskultur aufgebaut worden, die die Funktion eines Trennungsstrichs hat. Wir stellen uns der Last dieser Vergangenheit, erkennen die Leiden der Opfer an und übernehmen Verantwortung für die Verbrechen, die im Namen unseres Landes begangen worden sind. Erinnert wird dabei an die Vertreibung, Verfolgung und Ermordung der Juden und anderer ausgegrenzter Minderheiten. Dieser mörderische Plan konnte nur umgesetzt werden, weil die deutsche Mehrheitsgesellschaft damals weggeschaut hat, als die jüdischen Nachbarn gedemütigt, verfolgt, aus ihren Häusern geholt, deportiert wurden und für immer verschwunden sind. Weil den Deutschen über Jahrhunderte hinweg eingeprägt worden war, dass Juden radikal anders sind und eine Bedrohung darstellen, kam es zu diesem unfasslichen kollektiven Aussetzen von Mitgefühl.
Der kleine Schwarze
Was wären die Existenzialisten ohne ihren Look, ihre spezifische Ästhetik? Im Zentrum der modischen Revolution: der schwarze Rollkragenpulli.

Armin Grunwald: „Deutschland hat eine besondere Geschichte mit der Kernenergie“
Am Samstag wurden die letzten drei deutschen Atomkraftwerke vom Netz getrennt, der Atomausstieg ist vollzogen. Welche Rolle die „German Angst“ in dieser Entscheidung spielte und was sie für Deutschland bedeuten könnte, haben wir den Philosophen und Physiker Armin Grunwald gefragt.
