Wendy Brown: „Wir leben in einem Zustand religiöser Melancholie“
Im tobenden Kulturkampf scheinen gesamtgesellschaftliche Werte zu erodieren. Zugleich wird paradoxerweise alles moralisiert. Die Philosophin Wendy Brown über ihr neues Buch und die Suche nach Orientierung in nihilistischen Zeiten.
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Wendy Brown: „Souveränität ist eine Fiktion“
Weinende Kinder an der amerikanisch-mexikanischen Grenze und das Pochen der CSU auf ein Recht auf Zurückweisung sind nur die jüngsten Beispiele einer sich weltweit verschärfenden Abschottungspolitik. Wendy Brown, eine der einflussreichsten Intellektuellen der USA, über die letzten Zuckungen nationaler Souveränität und die menschliche Sehnsucht nach Einhegung

Frank Adloff: „Wir hängen alle voneinander ab“
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Wer zuhört, öffnet sich der Sichtweise eines anderen. Ein schwieriges, manchmal auch heikles Unterfangen in politisch aufgeheizten Zeiten und ihren tobenden Aufmerksamkeitskämpfen. Ein Gespräch mit Bernhard Pörksen über strategisches Zuhören, verschlossene Ohren – und verbitternde Echolosigkeit.

Simon Critchley: „Wir sind zu Managern unserer Einsamkeit geworden“
Gemeinhin sind wir versucht, die dunkle Seite des Lebens auszublenden. Simon Critchley sieht genau hin. Beleuchtet Tod, Selbstzerstörung, Selbsthass in Zeiten von Instagram – und erklärt die Melancholie zum Anfang allen Denkens.

Sean Illing: „Die Freiheit der Demokratie ist zugleich das, was sie von innen heraus zu zerstören vermag“
Soziale Medien scheinen demokratische Debatten in ungekanntem Maß auszuhöhlen. Doch ein Blick in die Geschichte zeigt: neue Medien begünstigten schon immer Aufwieglertum und politische Turbulenzen. Im Interview erklärt Sean Illing, warum Demagogie und Demokratie so oft gemeinsam auftreten.

Das Ideal der Intensität
Man kennt es aus Filmen und Romanen: Die Frage nach dem Lohn des Lebens stellt sich typischerweise erst im Rückblick. Als Abrechnung mit sich selbst und der Welt. Wenn das Dasein noch mal vor dem inneren Auge vorbeifliegt, wird biografisch Bilanz gezogen: Hat es sich gelohnt? War es das wert? Würde man alles wieder so machen? Dabei läge es viel näher, die Frage, wofür es sich zu leben lohnt, nicht so lange aufzuschieben, bis es zu spät ist, sondern sie zum Gradmesser von Gegenwart und Zukunft zu machen. Zum einen, weil sie so gegen spätere Reuegefühle imprägniert. Wer sich darüber im Klaren ist, was das Leben wirklich lebenswert macht, wird gegenüber dem melancholischen Konjunktiv des „Hätte ich mal …“ zumindest ein wenig wetterfest. Zum anderen ist die Frage als solche viel dringlicher geworden: In dem Maße, wie traditionelle Bindungssysteme an Einfluss verloren haben, also etwa die Bedeutung von Religion, Nation und Familie geschwunden ist, hat sich der persönliche Sinndruck enorm erhöht. Wofür lohnt es sich, morgens aufzustehen, ja, die Mühen des Lebens überhaupt auf sich zu nehmen? Was genau ist es, das einem auch in schwierigen Zeiten Halt verleiht? Und am Ende wirklich zählt – gezählt haben wird?
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so mütend bin
Um die pandemische Grundstimmung auf den Punkt zu bringen, sind neue Wörter entstanden: „mütend“ im Deutschen, „languishing“ im Englischen. Beide weisen Ähnlichkeiten zu einem Gefühl auf, mit der die Philosophie sich immer wieder beschäftigte: die Melancholie.

KI, wie können wir mitreden?
Die Geschichte lehrt: Unsere Technikträume reichen weit zurück. Die Gegenwart zeigt: Künstliche Intelligenz hat hohe Zugangsbarrieren. Und die Zukunft: liegt vielleicht in der Quellcodekritik. Drei neue Bücher suchen aus unterschiedlichen Perspektiven nach Orientierung.

Kommentare
Vielleicht hilft zur Zukunft des Glaubens unter anderem das Versuchen von wahrscheinlich Bestem für alle, einschließlich YHWH und Allah, im Wechsel mit wahrscheinlich ausreichender Befreiung für sich und seine Gruppen.
Menschheitsgeschichtlich bald wird die Einzelne vielleicht Millionen Jahre leben können, da scheint mir das ein dauerhaftes Ziel.
Ich danke für das Interview und die Möglichkeit, zu kommentieren.