Die Gewalt des Fortschritts
30 Jahre lang glaubte sich ein Großteil des Westens am sicheren Ende der Geschichte angelangt. Doch nun zeigt sich: Die Geschichte geht weiter. Die sich abzeichnenden Großmachtkonflikte sind Vorboten neuer Kämpfe – aber auch des Fortschritts.
Als am 9. November 1989 die Grenzübergänge in Berlin knapp drei Jahrzehnte nach dem Mauerbau geöffnet wurden, war das nicht nur ein weltpolitisches Ereignis, sondern auch eine historisch offene Situation. Es war keineswegs absehbar, dass die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs einer Wiedervereinigung zustimmen würden. Die Sorge vor einem wiedererstarkenden Deutschland war vor allem bei den europäischen Nachbarn groß. Nicht einmal in der Bundesrepublik selbst waren die politischen Mehrheiten für ein solches Vorhaben ohne Weiteres gegeben.
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Elite, das heißt zu Deutsch: „Auslese“
Zur Elite zählen nur die Besten. Die, die über sich selbst hinausgehen, ihre einzigartige Persönlichkeit durch unnachgiebige Anstrengung entwickeln und die Massen vor populistischer Verführung schützen. So zumindest meinte der spanische Philosoph José Ortega y Gasset (1883–1955) nur wenige Jahre vor der Machtübernahme Adolf Hitlers. In seinem 1929 erschienenen Hauptwerk „Der Aufstand der Massen“ entwarf der Denker das Ideal einer führungsstarken Elite, die ihren Ursprung nicht in einer höheren Herkunft findet, sondern sich allein durch Leistung hervorbringt und die Fähigkeit besitzt, die Gefahren der kommunikationsbedingten „Vermassung“ zu bannen. Ortega y Gasset, so viel ist klar, glaubte nicht an die Masse. Glaubte nicht an die revolutionäre Kraft des Proletariats – und wusste dabei die philosophische Tradition von Platon bis Nietzsche klar hinter sich. Woran er allein glaubte, war eine exzellente Minderheit, die den Massenmenschen in seiner Durchschnittlichkeit, seiner Intoleranz, seinem Opportunismus, seiner inneren Schwäche klug zu führen versteht.
Hegelwende zur Zeitenwende
Als 1989 die Berliner Mauer fiel, dachten nicht wenige, das Ende der Geschichte sei erreicht. Mit Hegel erklärten sie „den Kampf um Leben und Tod“ im liberalen Rechtsstaat für beendet. Auf dem Weg zur Welteinheit gebe es allenfalls soziale Kämpfe um Anerkennung. Heute jedoch kehren die Großmachtkonflikte zurück. Und mit ihnen der physische Ernst, von dem Hegel einst sprach.

Hegel und der Fortschritt
Für Hegel, dessen 250. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird, schritt die Geschichte unaufhaltsam ihrem Idealzustand entgegen. Die These wurde kritisiert, aktualisiert und erneut revidiert. Seit Beginn der Corona-Zeitrechnung scheint es, als könne das „Ende der Geschichte“ nur eines mit Schrecken sein. Oder drückt der fortschrittsbesessene Weltgeist noch mal ein Auge zu? Ein Essay von Peter Neumann.

Rahel Jaeggi: „Fortschritt ist weder Fakt noch Ideal“
Wir gratulieren Rahel Jaeggi zum Philosophischen Buchpreis, der ihr heute für Fortschritt und Regression verliehen wird. Im Interview plädiert sie für ein Fortschrittskonzept ohne Ziel, jenseits von Kulturimperialismus und blinder Naturbeherrschung.

Milliarden für Ideen
Es muss kein Fußballverein oder Düsenjet sein. Immer mehr sogenannte Superreiche geben einen Großteil ihres Vermögens für philanthropische Projekte aus. Auch die Philosophie ist davon mittlerweile betroffen. 500 Millionen Dollar plant allein der deutsch-amerikanische Investor Nicolas Berggruen für die Ausarbeitung neuer Leitideen bereitzustellen. Lassen sich große Gedanken erkaufen? Und falls ja, mit welchen Zielen?
Gaza und kein Ende – Tragödie eines moralischen Zusammenbruchs
Die Nachrichten und Bilder, die aus Gaza in die Welt gelangen, zeugen nicht nur von dem unfassbaren Leid der Palästinenser. Sie offenbaren auch die selbstzerstörerischen Kräfte Israels, die politische Farce des Westens und die drohende Abstumpfung derer, die die Bilder betrachten, meint Josef Früchtl.

Handel macht zahm
„Wandel durch Handel“ gilt seit dem Ukraine-Krieg als gescheitert. Dabei war das Konzept erfolgreich, wie ein Blick auf die Beziehungen des Westens mit China zeigt.

Hannah Arendt und der Fortschritt
In unserem Sprechen über den Fortschritt, so stellt Hannah Arendt fest, offenbart sich untergründig bereits die Vorahnung seines Endes. Wir erklären, was sie damit meint.
