Hartmut Böhme: „Die Vernunft hat kein Feuer, kein Licht, keine Wärme“
Kants Philosophie lebt von der Ausgrenzung der Affekte. Die Lust kommt nur als Störfaktor vor – mit fatalen Konsequenzen, argumentiert der Kulturtheoretiker Hartmut Böhme im Gespräch.
Herr Böhme, Das Andere der Vernunft – was ist damit gemeint?
Das Andere der Vernunft scheint erst mal dasjenige zu sein, was nicht vernünftig ist. Genauer: Das Andere ist das, was nicht in den Verfügungsbereich der Vernunft fällt, sondern von dieser ‚nach außen‘ verlagert worden ist, also externalisiert, ausgeschlossen oder verdrängt wird. Was sollte das Andere, von Kant her gedacht, überhaupt sein? Er hat in seinen drei „Kritiken“ alle menschlichen Vermögen zusammengefasst, ihre theoretischen Strukturen sowie ihre Leistungsgrenzen vermessen, nämlich im Bereich der Erkenntnis, der Ethik und der Urteilskraft. Ihnen spielt die disziplinierte Wahrnehmung das notwendige, aber blinde Material zu, ohne das die drei Vermögen leer wären. Die Erkenntnis benötigt die Anschauung, die Moral braucht Fälle, die Urteilskraft fordert Beispiele, die Kunst Werke oder, wie im Fall der Natur, Szenen der Wahrnehmung. Damit war das menschliche Subjekt vollständig erfasst. Darum muss das Andere gar nicht vorkommen – höchstens als Störung, Chaos, Böses, Krankheit, Schrecken. Diese werden dann ‚weggearbeitet‘ – siehe das Erhabene oder das Verrückte (Träume eines Geistersehers).
Was ist also dann das Andere?
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Kommentare
In einem Zweiparteiensystem gibt es meiner Beobachtung nach auch linke und rechte "wenig vernünftige" Populisten, welche sich aber mit ihrer Partei arrangieren müssen. Herr Trump z.B. spricht sich in seinen Reden gegen Faschismus aus (ich habe eine gesehen und gelesen, dass sie sich ähneln.) Und Minderheiten aller Art sehen zu, dass sie auch für weniger vernünftige Populisten beider Parteien stimmen können, so dass sie umworben werden.
Ich schätze, dass Rechtspopulisten und Linkspopulisten in Europa auf lange Sicht auch ein Zweiparteiensystem mit zwei guten Parteien wünschen.
Ich schätze, dass Herr Kant auch seine Erfahrungen mit wenig vernünftigen Prozessen hatte, sein Lebenswerk aber mehr von Vernunft wuchs. Wenn er so oft kleine Gesellschaften hatte, dann wird es wohl in seinem Denken auch Möglichkeit zu weniger vernünftigen Gedanken gegeben haben.
Ich danke für den Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.