Direkt zum Inhalt
Menu Top
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Dossiers
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
rechercher
 Philosophie Magazin - Impulse für ein freieres Leben
Menu du compte de l'utilisateur
    loginAnmelden shopping_basketHefte kaufen assignment_addAbonnieren
Navigation principale
  • Startseite
  • Impulse
  • Essays
  • Dossiers
  • Gespräche
  • Hefte
  • Sonderausgaben
  • Philosophen
  • Begriffslexikon
  • Bücher
Tag - Body
Tag - Body

Bild: Jean Beller (Unsplash)

Essay

Absaufen? Nein danke!

Julian Aguon veröffentlicht am 16 Dezember 2021 13 min

Die Bewohner Mikronesiens sind von den Folgen des Klimawandels so betroffen wie kaum eine andere Region auf der Welt. Der Menschenrechtsanwalt und Schriftsteller Julian Aguon erläutert, mit welchen Mitteln sie sich gegen die ökologische Zerstörung ihrer Heimat wehren und weshalb es dafür nicht nur wissenschaftliche Fakten, sondern auch alte Geschichten braucht.

 

Ich weiß nichts über den nächtlichen Himmel. Larry Raigetal, ein Meisternavigator, der unter einem Baldachin aus Sternen Betelnüsse kaut, findet das bedauerlich, aber nicht überraschend. Er stammt aus Lamotrek, einer Insel, die zu den Outer Islands von Yap in den Föderierten Staaten von Mikronesien gehört. Wir treffen uns allerdings in einem Kanuhaus auf der benachbarten Insel Guam, auf der ich zu Hause bin. Während wir sprechen, benutzt Raigetal seine Hände, um den Horizont in einen Sternenkompass aus 32 Richtungspunkten zu teilen. Er kann auf jahrhundertealtes Wissen zurückgreifen, um mir die Kunst des Wegfindens zu erklären – eine Methode des Navigierens ohne Instrumente, das von seinem Volk über Tausende Jahre verwendet wurde, um zwischen den vielen Atollen und Inseln Mikronesiens hin- und herzureisen.

Zu meiner Überraschung ist der Kompass, den er gedanklich auf den Himmel überträgt, mehr als eine Karte von Sternen, die von Osten nach Westen quer über den Horizont aufsteigen und wieder sinken. Das Wegfinden ist eine Weise, einen detailliert ausgearbeiteten Korpus richtungsweisender Informationen zu organisieren, Informationen, die von zahllosen Navigatoren vor ihm gesammelt, im Gedächtnis verankert und durch Gesänge seinem Großvater, dann seinem Vater, dann ihm weitergegeben wurden. Es ist ein lebendiger Speicher für spektakulär genaue Einzelheiten über Meerengen, Driftströme, Riffs, Untiefen und andere Seezeichen – einschließlich lebender. Eine Grindwalschule. Ein Hai mit besonderen Zeichnungen. Ein Meeresvogel. Als Pazifikinsulaner wusste ich, dass das Kanuhaus lange ein Ort des Lernens gewesen ist, und ich war gekommen, um Raigetal darüber zu befragen, ob das Wegfinden durch den Klimawandel beeinträchtigt worden ist. Als Menschenrechtsanwalt, der am Schnittpunkt zwischen den Rechten Indigener und Umweltgerechtigkeit arbeitet, war ich auch gekommen, weil ich glaube, dass die Völker des Pazifiks zur Bewegung für weltweite Klimagerechtigkeit wichtige intellektuelle Beiträge einzubringen haben. Wir haben Einsichten, die nicht nur daraus hervorgegangen sind, dass wir im engen Einklang mit der Erde leben, sondern auch daraus, dass wir bereits so viel überlebt haben – die Verheerungen des industriellen Rohstoffabbaus, die Experimente der Atommächte.

Schließlich war ich auch gekommen, weil meine persönlichen und professionellen Reserven erschöpft waren. Wie so viele andere, die im Klimabereich arbeiten, hatte ich seit August, als der Weltklimarat (IPCC) Teile seines sechsten Sachstandsberichts veröffentlichte, ein Gefühl überwältigender Niedergeschlagenheit empfunden. Diesen Bericht zu lesen, fühlte sich an, wie unter einer Lawine aus Fakten lebendig begraben zu werden, und ich suchte mühsam nach einem Weg, mich da herauszukämpfen.

Als es um mich und Raigetal immer dunkler wurde, wurde mir zweierlei klar. Erstens muss die Bewegung für Klimagerechtigkeit aufmerksamer jenen zuhören, die gegenüber den Verheerungen des Klimawandels am verwundbarsten sind, wie beispielsweise den Gesellschaften an der Küstenfrontlinie Ozeaniens. Zweitens brauchen wir, die wir bereits halbwegs in dieser Bewegung involviert sind, mehr als Fakten, um erfolgreich zu sein. Wir brauchen Geschichten. Nicht nur über das, was auf dem Spiel steht, sondern auch Geschichten über die Orte, die wir Heimat nennen.

In meinem Heimatfleckchen, Mikronesien, sind die Tatsachen beängstigend. Wir erleben einen zwei- bis dreimal höheren Anstieg des Meeresspiegels als im weltweiten Durchschnitt. Einige Wissenschaftler prognostizieren, dass die meisten unserer niedrig liegenden Nationen aus Korallenatollen bereits um 2030 unbewohnbar sein könnten. Konfrontiert mit der Aussicht auf klimabedingte Umsiedlung eines Teils ihrer Bevölkerung, wenn nicht der ganzen, haben einige Staatschefs darüber nachgedacht, in anderen Ländern Land zu kaufen.

Einer von ihnen hat bereits einen solchen Handel abgeschlossen. 2014 traf der damalige Präsident von Kiribati, Anote Tong, mit der Anglikanischen Kirche eine Vereinbarung über den Erwerb von mehr als 5000 Acres (ca. 2000 Hektar) Land auf Fidschi, wofür er annähernd neun Millionen US-Dollar zahlte. (Kiribati hat seitdem begonnen, dieses Land für Ackerbau und Viehzucht zu nutzen.) Obwohl das Geschäft von manchen als visionär angesehen wurde, war es für andere das Zeichen für eine Art Tod. Wird eine Vereinbarung, die die Umsiedlung der gesamten Bevölkerung einer Nation – jetzt ungefähr 121 000 Personen – vorhat, nicht ab einem gewissen Punkt mehr zu einem Totenschein als zu einem Vertrag? Auf Fidschi führt die Regierung ihre eigene Art von Todesliste – eine offizielle Aufzeichnung aller Dörfer, die wegen des Anstiegs des Meeresspiegels möglicherweise umgesiedelt werden müssen. Unter Verwendung interner Einschätzungen zur Klimaanfälligkeit hat die Regierung von Fidschi entschieden, welche ihrer Küstendörfer durch Küstenerosion, Fluten und Salzwassereintrag am stärksten betroffen sein würden. 2017 standen 42 Dörfer auf der Liste. Falls sie einmal gezwungen sein werden umzuziehen, werden sie dann jedenfalls nicht die ersten sein: Bereits 2014 fand für Vunidogoloa die formelle Umsiedlung auf höheres Gelände statt, ungefähr zwei Kilometer landeinwärts.

Philosophie Magazin +

 

Testen Sie Philosophie Magazin +
mit einem Digitalabo 4 Wochen kostenlos
oder geben Sie Ihre Abonummer ein


- Zugriff auf alle PhiloMagazin+ Inhalte
- Jederzeit kündbar
- Einfache Registrierung per E-Mail
- Im Printabo inklusive

Hier registrieren


Sie sind bereits Abonnent/in?
Hier anmelden


Sie sind registriert und wollen uns testen?
Probeabo

  • Email
  • Facebook
  • Linkedin
  • Twitter
  • Whatsapp
Anzeige
Tag - Body

Weitere Artikel

Impulse
3 min

Logik braucht Ethik

Matthias Warkus 30 November 2020

Im Zuge der Corona-Pandemie lassen sich viele Menschen nicht von Zahlen, Statistiken und wissenschaftlichen Fakten beeindrucken. Eine Erklärung dafür lieferte der Philosoph Charles S. Peirce bereits Anfang des 20. Jahrhunderts. Demnach setzt nämlich nicht die Ethik die Logik voraus, sondern es ist vielmehr umgekehrt: Logik benötigt ethische Aufrichtigkeit. 

Logik braucht Ethik

Gespräch
22 min

Julian Assange und Peter Singer – wie die Welt retten?

Alexandre Lacroix 11 Januar 2012

Julian Assange soll an die USA ausgeliefert werden, wo er wegen Spionage angeklagt ist. 2012 organisierte das Philosophie Magazin einen Dialog zwischen Assange und Peter Singer zur Frage: In welchen Fällen ist die Offenlegung geheimer Informationen geboten, in welchen sollte sie bestraft werden?

Julian Assange und Peter Singer – wie die Welt retten?

Impulse
4 min

Unser Dorf soll hässlich werden

Michael Lenhart 20 Mai 2021

Der Filmemacher Dieter Wieland war einer der Ersten, der nicht nur gegen die ökologische, sondern auch ästhetische Zerstörung hiesiger Landschaften kämpfte. Viele seiner Dokumentationen lassen sich derzeit in der Mediathek des Bayerischen Rundfunks nachschauen – und sind nach wie vor so aktuell wie sehenswert.

Unser Dorf soll hässlich werden

Gespräch
12 min

Welchen Fakten können wir trauen?

Philipp Felsch 01 April 2017

Der Boden der Tatsachen gerät derzeit ins Wanken. Dabei sind die Verfahren, mit denen wir Fakten überprüfen, seit Jahrhunderten bestens erprobt. Die Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston und der Investigativjournalist Georg Mascolo über die Krise der Wahrheit in der Ära Trump.


Impulse
3 min

Woran erkennen Sie, dass Sie alt geworden sind?

Nicolas Tenaillon 12 Oktober 2021

Man ist nach dem Treppenstiegen außer Atem, erzählt immer öfter dieselben Geschichten oder scheitert an neuen Smartphone-Apps: Sind das schon Anzeichen dafür, dass man alt wird? Nicht unbedingt. Denn Rousseau, Cicero und Montaigne machten dafür drei andere Anzeichen aus.

 Woran erkennen Sie, dass Sie alt geworden sind?

Impulse
3 min

Krieg im Jemen: Unsere moralische Kurzsichtigkeit

Juliane Marie Schreiber 14 Oktober 2020

Seit Jahren wird der Jemen von zahlreichen Krisen erschüttert. Doch trotz eines brutalen Krieges und einer sich verschärfenden Hungersnot wird hierzulande kaum von der dortigen Lage Notiz genommen. Juliane Marie Schreiber erläutert, warum sich unsere Empathie allzu oft nur auf den engsten „moralischen Kreis“ beschränkt und weshalb eine Erweiterung dieses Radius gerade im Fall von Jemen dringend notwendig wäre.

Krieg im Jemen: Unsere moralische Kurzsichtigkeit

Artikel
7 min

Und woran zweifelst du?

Wolfram Eilenberger 01 April 2017

Wahrscheinlich geht es Ihnen derzeit ähnlich. Fast täglich muss ich mir aufs Neue eingestehen, wie viel Falsches ich die letzten Jahre für wahr und absolut unumstößlich gehalten habe. Und wie zweifelhaft mir deshalb nun alle Annahmen geworden sind, die auf diesem Fundament aufbauten. Niemand, dessen Urteilskraft ich traute, hat den Brexit ernsthaft für möglich gehalten. Niemand die Wahl Donald Trumps. Und hätte mir ein kundiger Freund vor nur zwei Jahren prophezeit, dass im Frühjahr 2017 der Fortbestand der USA als liberaler Rechtsstaat ebenso ernsthaft infrage steht wie die Zukunft der EU, ich hätte ihn als unheilbaren Apokalyptiker belächelt. Auf die Frage, woran ich derzeit am meisten zweifle, vermag ich deshalb nur eine ehrliche Antwort zu geben: Ich zweifle an mir selbst. Nicht zuletzt frage ich mich, ob die wundersam stabile Weltordnung, in der ich als Westeuropäer meine gesamte bisherige Lebenszeit verbringen durfte, sich nicht nur als kurze Traumepisode erweisen könnte, aus der wir nun alle gemeinsam schmerzhaft erwachen müssen. Es sind Zweifel, die mich tief verunsichern. Nur allzu gern wüsste ich sie durch eindeutige Fakten, klärende Methoden oder auch nur glaubhafte Verheißungen zu befrieden.


Gespräch
7 min

Verlyn Flieger: „Die Fantasie bringt uns das Staunen zurück“

Octave Larmagnac-Matheron 21 Juli 2022

Tolkien erfand nicht nur Geschichten, sondern auch Sprachen. Was verbindet diese schöpferischen Akte? Und was ist das überhaupt, eine Sprache? Die Literaturwissenschaftlerin Verlyn Flieger meint: Für Tolkien gibt es eine Einheit von Welt und Wort, die er versucht, in seinen Geschichten wiederherzustellen.

Verlyn Flieger: „Die Fantasie bringt uns das Staunen zurück“

Artikel aus Sonderausgabe 20 2021/22 Vorschau
Anzeige
Tag - Body
Hier für unseren Newsletter anmelden!

In einer Woche kann eine ganze Menge passieren. Behalten Sie den Überblick und abonnieren Sie unseren Newsletter „Denkanstöße“. Dreimal in der Woche bekommen Sie die wichtigsten Impulse direkt in Ihre Inbox.


(Datenschutzhinweise)

Jetzt anmelden!

Fils d'ariane

  1. Zur Startseite
  2. Artikel
  3. Absaufen? Nein danke!
Philosophie Magazin Nr.Nr. 69 - März 2023
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
April/Mai 2023 Nr. 69
Vorschau
Philosophie magazine : les grands philosophes, la préparation au bac philo, la pensée contemporaine
Rechtliches
  • Werbung
  • Datenschutzerklärung
  • Impressum
Soziale Netzwerke
  • Facebook
  • Instagram
  • Twitter
  • RSS
Philosophie Magazin
  • Über uns
  • Unsere App
  • PhiloMag+ Hilfe
  • Abonnieren

Mit unseren Denkanstößen philosophische Ideen regelmäßig in Ihrem Postfach

Jetzt anmelden!