Die aufplatzenden Nähte der Welt
Für den Philosophen Mark Alizart markiert der Krieg in der Ukraine sechs Katastrophen, die nun gleichzeitig ausbrechen: Ressourcen- und Nahrungsmittelknappheit, stagnierende Industrie- und Dienstleistungsproduktion, Umweltverschmutzung und massive Vertreibung.
Hegel versteht den Krieg als absolute Leere, als Herrscher des Absurden und des Nichts. Dennoch ist er Lenker unseres Schicksals, da durch ihn neue Prinzipen der Geschichte aufgestellt werden. So ist der russische Angriffskrieg in der Ukraine vielerlei zugleich: Er ist eine vollendete Tatsache, die Laune eines blutrünstigen Diktators, der der Aufnahme Russlands und der Ukraine in die Europäische Union friedlich hätte zustimmen können, als ihm die Gelegenheit dazu geboten wurde; und schließlich hat der Krieg etwas von der Zwangsläufigkeit einer griechischen Tragödie. Im Rückblick kann man sich fragen, ob es nicht vielleicht eine schicksalhafte Verschwörung ist, dass die Nähte der Welt, ausgerechnet am Ende der Corona-Krise und genau an diesem Ort aufplatzten; in diesem auf der Erdbebenlinie liegenden Land, das seit dem Kirchenschisma im 11. Jahrhundert den Westen und den Osten, seit der Russischen Revolution die Demokratien und die illiberalen Regime trennt und nun die Konsumgesellschaften und die Fabriken, die sie beliefern, mit andern Worten, den Planeten und seine Ressourcen.
Sechs apokalyptische Reiter
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Kommentare
Putin hätte eben nicht zustimmen können. EU und Amerika hätten die Bedenken Russlands respektieren müssen und vor allem die entsprechenden Wahrnungen ernstnehmen. Es kann keinen Frieden geben, wenn eine Seite ständig dämonisiert und abgewertet wird.