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Bild: Mika Baumeister (Unsplash)

Impuls

Femizid: Eine Frage des Geschlechts

Lisa Friedrich veröffentlicht am 06 Juli 2021 5 min

Das Oberlandesgericht Düsseldorf erkannte jüngst in einem wegweisenden Urteil zur Versklavung von Jesidinnen die geschlechtsspezifische Dimension der Tat an. Den Frauen wurde Gewalt angetan, weil sie Frauen sind. Das verweist auf ein globales Problem.

 

Das Oberlandesgericht Düsseldorf fällte in der vergangenen Woche eine historische Entscheidung. Nach 92 Prozesstagen wurde die 23-jährige Sarah O. wegen Beteiligung an einer terroristischen Organisation im Ausland und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Die in Konstanz geborene Frau zog im Jahr 2013 nach Syrien, um sich dort dem IS anzuschließen. Konkret wurde ihr vorgeworfen, jesidische Frauen versklavt, an ihrer sexuellen Ausbeutung durch ihren Partner mitgewirkt und getötet zu haben. Da sie in dem betreffenden Zeitraum größtenteils noch minderjährig war, erhielt sie eine Jugendstrafe von sechseinhalb Jahren.

Historisch ist das Urteil jedoch vor allem deswegen, weil das Gericht erstmals in der Geschichte des Völkerrechts neben der spezifisch religiösen Dimension der Verbrechen – namentlich: die Rechtfertigung von Zwangskonvertierungen, Versklavung und Vergewaltigung durch den IS aufgrund der Religion ihrer Opfer – auch geschlechtsspezifische Gewalt als Begründung für die Taten geltend machte. Die jesidische Journalistin und Aktivistin Düzen Tekkel schrieb auf Twitter von einem „Meilenstein“: Das Gericht habe erstmals explizit eingeräumt, dass „jesidische Frauen versklavt und vergewaltigt wurden, weil sie Frauen waren.“ Die Rechtsanwältin des Prozesses, Natalie von Wistinghausen, ergänzt, es handele sich dabei „nicht um Gelegenheitstaten, sondern um strategisch eingesetzte Versklavungen gegen Personen eines bestimmten Geschlechts.“

Sowohl in soziologischen als auch in juristischen Diskursen wird für den Mord an Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts der Begriff Femizid verwendet. Die 2020 verstorbene US-amerikanische Soziologin Diana E. H. Russell gebrauchte den Begriff im Jahr 1976 erstmals öffentlich beim Internationalen Tribunal zu Gewalt gegen Frauen in Brüssel. Ab 2009 griffen die Vereinten Nationen das Konzept auf. In den letzten Jahren findet es auch in juristischen Kontexten immer häufiger Eingang.

 

Von der Hexenverbrennung bis zu Ehrenmorden

 

Bei der Definition von Femizid wird zwischen zwei unterschiedlichen Formen unterschieden: Intim-Femizid, die Tötung von Frauen durch eine nahestehende Person oder einen (Ex-)Partner, und nicht-intimer Femizid, also beispielsweise Tötungen von Frauen im Kontext bewaffneter Konflikte oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität. Laut dem United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) wurden 2017 weltweit zwar fünfmal so viele Männer wie Frauen getötet, bei Morden durch Intimpartner steigt die Zahl ermordeter Frauen jedoch auf 82 %. Und auch in Deutschland gibt es diesbezüglich erschreckende Zahlen: Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner umgebracht.

Diese Zahlen zeigen, dass der Tötung von Frauen oft ein strukturelles, gesellschaftliches Problem zugrunde liegt. Das hebt auch Diana E.H. Russell in ihrem bereits 1992 im Original erschienenen Buch Femicide hervor: „Während Männer zwar viel häufiger umgebracht werden als Frauen, werden Männer selten einfach deswegen umgebracht, weil sie Männer sind.“ Sie drängt darauf anzuerkennen, dass eine Vielzahl dieser Morde extreme Manifestationen von männlicher Dominanz, Frauenfeindlichkeit und Sexismus sind: „Von der Hexenverbrennung in der Vergangenheit zu jüngeren Bräuchen weiblicher Kindstötung in vielen Gesellschaften, zu den sogenannten ‚Ehrenmorden‘: Femizid hat eine lange Tradition.“

Frauenfeindlichkeit kann als Tatmotiv dienen, egal ob die Tat von einem Partner oder Ex-Partner, von Verwandten, Dates oder gänzlich Unbekannten verübt wird. Der Tötung von Frauen liegen oft Machtansprüche zugrunde, die in patriarchalen Geschlechterverhältnissen und gegenderten Machtstrukturen angelegt sind. Diese äußern sich in Machtansprüchen von Männern gegenüber Frauen oder in de facto stärkeren ökonomischen und emotionalen Abhängigkeitsverhältnissen. Eine strukturelle Komponente der Tat wird zum Beispiel deutlich, wenn Männer Frauen töten, weil sie die Unabhängigkeit ihrer ehemaligen Partnerin nicht akzeptieren können. Oder wenn ein Mann vor Gericht mildernde Umstände zugesprochen bekommt, weil ihm die Kränkung des Verlassenwerdens als Tatmotiv (mildernd) ausgelegt wird.

 

Oft im privaten Raum

 

Ein Femizid liegt demnach vor, wenn der Tat strukturelle Ungleichheiten zugrunde liegen, also gesellschaftliche Machtstrukturen, die sich über Jahrhunderte verfestigt haben und Frauen aufgrund ihres Geschlechts zu Opfern von Gewalt werden lassen. Deshalb ist selbstverständlich nicht jeder Mord an einer Frau ein Femizid, aber es erklärt, warum Morde an Männern in der Regel nicht auf gleiche Weise strukturell motiviert sind. Laut Russell sähen zwar viele Menschen ein, dass Morde an Afro-Amerikaner:innen, Latinos und Latinas, Indigenen und anderen People of Color rassistisch, viele Morde an Jüd:innen antisemitisch und Morde an lesbischen und schwulen Menschen oft homophob motiviert sind. Bei Gewalt gegen Frauen werde vor Gericht oder in den Medien jedoch häufig von „häuslicher Gewalt“ oder „Beziehungsdramen“ berichtet und der frauenfeindliche Aspekt dieser Verbrechen so verharmlost oder verschleiert. Eine gestern erschienene Studie der Otto Brenner Stiftung macht zudem deutlich, dass die strukturelle Komponente in der Medienberichterstattung oft unerwähnt bleibt und stattdessen von „tragischen Einzelfällen” die Rede ist.

Das Urteil gegen Sarah O. ist daher auch ein Präzedenzfall. Düzen Tekkal betont, dass es weit über das Schicksal der Jesid:innen hinausgeht: „Es ist ein wichtiger Schritt, dass es in diesem Bereich der Rechtsprechung weniger zu Ausschlüssen und struktureller Unsichtbarkeit von Macht und #GewaltGegenFrauen kommt.“ Seine Reichweite macht das Urteil so wichtig und bahnbrechend. Es birgt jedoch auch die Gefahr, aus der Tatsache, dass es sich auf ein Verbrechen einer extremistischen Organisation im Nahen Osten bezieht, zu schließen, diese Problematik ginge uns in Deutschland nichts an. Denn grundsätzlich, so bemerkte auch Diana E.H. Russell, werden in westlichen Ländern Femizide viel eher als Problem anerkannt, wenn sie sich bei religiösen oder ethnischen Minderheiten, Migrant:innen oder People of Color verorten lassen. Die bereits erwähnte Studie der Otto Brenner Stiftung hebt zudem hervor, dass in den Medien „vor allem die Taten von Nichtdeutschen zum Politikum gemacht und Gewalthandlungen gegen Frauen somit kulturalisiert werden.“

Dabei ereignet sich ein Großteil der Femizide jedoch im alltäglichen, privaten Raum. Keine Frage: Bei den frauenfeindlichen Morden des IS handelt es sich um ein ganz besonders krasse Form religiöser und sexistischer Ideologie, weshalb diese von Femiziden in demokratisch-liberalen Gesellschaften zu differenzieren sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir das Problem hierzulande ignorieren können. Denn letztendlich macht das Urteil des OLG Düsseldorf auf einen globalen Missstand aufmerksam. •

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