Können nur Maschinen uns vor dem "postfaktischen Zeitalter" retten?
„Fake News“ und Informationsmanipulation verunsichern die westlichen Demokratien. Doch reichen im Zeitalter von Big Data menschliche Methoden, Wahrheit von Lüge zu unterscheiden?
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Und woran zweifelst du?
Wahrscheinlich geht es Ihnen derzeit ähnlich. Fast täglich muss ich mir aufs Neue eingestehen, wie viel Falsches ich die letzten Jahre für wahr und absolut unumstößlich gehalten habe. Und wie zweifelhaft mir deshalb nun alle Annahmen geworden sind, die auf diesem Fundament aufbauten. Niemand, dessen Urteilskraft ich traute, hat den Brexit ernsthaft für möglich gehalten. Niemand die Wahl Donald Trumps. Und hätte mir ein kundiger Freund vor nur zwei Jahren prophezeit, dass im Frühjahr 2017 der Fortbestand der USA als liberaler Rechtsstaat ebenso ernsthaft infrage steht wie die Zukunft der EU, ich hätte ihn als unheilbaren Apokalyptiker belächelt. Auf die Frage, woran ich derzeit am meisten zweifle, vermag ich deshalb nur eine ehrliche Antwort zu geben: Ich zweifle an mir selbst. Nicht zuletzt frage ich mich, ob die wundersam stabile Weltordnung, in der ich als Westeuropäer meine gesamte bisherige Lebenszeit verbringen durfte, sich nicht nur als kurze Traumepisode erweisen könnte, aus der wir nun alle gemeinsam schmerzhaft erwachen müssen. Es sind Zweifel, die mich tief verunsichern. Nur allzu gern wüsste ich sie durch eindeutige Fakten, klärende Methoden oder auch nur glaubhafte Verheißungen zu befrieden.
Orwell und die Überwachung
„Big Brother ist watching you“, kaum ein Satz ist so tief in unser politisches Bewusstsein eingedrungen wie die Kernbotschaft aus George Orwells dystopischem Roman „1984“. Mit großer Eindringlichkeit und Präzision schildert Orwell in diesem Werk den Alltag in einer totalitären Überwachungsgesellschaft. Kein Wort bleibt hier unbelauscht, keine Geste ungeprüft, kein Gedanke folgenlos. Mit den digitalen Informationstechniken, die im Zeichen von Big Data unseren gesamten Alltag protokollieren und erfassen, hat Orwells Vision vom totalen Überwachungsstaat neue Aktualität gewonnen. Kurz nach der Amtsübernahme von Donald Trump schnellte das Buch in den USA sogar zurück auf die Bestsellerlisten, aus konkreter Angst vor einer neuen Ära des Freiheitsverlusts und der Wahrheitsferne. In seinem Essay untersucht der Philosoph Bruce Bégout, wie Orwells Idee zu dem Buch entstand. Im Vorwort zum Beiheft geht Éric Sadin dem Phänomen der globalen Überwachung nach.
Big data vs. freies Leben: Wie berechenbar sind wir?
Niemals wissen oder auch nur ahnen zu können, was er als Nächstes sagen würde, das war es, was die Schriftstellerin Virginia Woolf an ihrem Gatten Leonard ganz besonders schätzte. Selbst nach vielen Jahren des Zusammenlebens war er ihr am Frühstückstisch ein Quell unabsehbarer Einfälle und Thesen. Nur so, nur deshalb konnte sie ihn wahrhaft lieben. Wenn ich mir selbst – und anderen – erklären muss, was ich an einer Welt, in der sich das Verhalten jedes Menschen zu jeden Zeitpunkt im Prinzip treffsicher prognostizieren ließe, so schrecklich fände, kommt mir immer diese kleine Anekdote in den Sinn. Denn jeder spürt sofort, sie trifft eine tiefe Wahrheit über unser aller Dasein.
René Descartes - Unterwegs zur Wahrheit
Gibt es für endliche Wesen wie uns absolute Gewissheiten? Mit den Mitteln der radikalen Skepsis gibt René Descartes (1596-1650) der Philosophie ein neues Fundament und wird zum Vater der neuzeitlichen Philosophie. Sein Diktum des „Ich denke, also bin ich“ macht das menschliche Bewusstsein zum Ausgangspunkt wahrer Welterkenntnis. Das vernünftige, denkende Subjekt wird zum Maßstab allen Wissens. Angeleitet durch klare, den Idealen von Logik und Mathematik verpflichtete Methoden soll es Schritt für Schritt auf dem Pfad des Wissens voranschreiten. Bis heute zeigen sich weite Teile unserer Kultur diesem Erkenntnisideal verpflichtet. Wie auch Descartes’ strenger Dualismus von Leib und Seele in der modernen Psychologie und Neurowissenschaft kräftig nachhallt. Descartes’ Denken markiert den Anfang einer Moderne, deren Ende in Wahrheit noch lange nicht abzusehen ist
Sind Maschinen moralischer als wir?
Vor wenigen Wochen ist es passiert: In den USA starb eine Frau durch ein selbstfahrendes Auto. Damit stellt sich die Frage nach der Moralität der Maschine auf dringliche Weise. Können Roboter lernen, Gut und Böse zu unterscheiden? Und nach welchen moralischen Kriterien entscheiden sie im Zweifelsfall? Fünf Experten antworten
Platon und das Virtuelle
Im Internet sind alle nur vorstellbaren Inhalte verfügbar, Computerspiele lassen komplexe Parallelwelten entstehen, 3-D-Filme beeindrucken mit hyperrealistischen Bildern. Die Fortschritte in Informationstechnologie und Digitalisierung begründen das Zeitalter einer umfassenden Virtualität. Treten nun Illusionen an die Stelle der Wahrheit? Diese Frage führt unweigerlich zu Platon zurück, der in seinem Höhlengleichnis (abgedruckt in unserem Beiheft) die Verführungskraft der Bilder aufgezeigt und angeprangert hat. Doch die Aktualität des griechischen Philosophen besteht nicht nur darin, uns daran zu erinnern, dass wir in einer großen Matrix oder Höhle 2.0 leben. Mit Platon können wir auch verstehen, wie die heutigen Computerbilder erzeugt werden. Bringt uns die Virtualität vielleicht sogar der realen Struktur der Welt näher, statt uns von der Wahrheit zu entfernen?
Das Denken im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit
Denken zu können, das unterscheidet den Menschen mutmaßlich von allen anderen Wesen. Doch worauf beruht dieses Vermögen? Heißt Denken Rechnen? Besteht sein Wesen in der Fähigkeit, eigene Urteile zu fällen? Oder läge an seinem Grund gar das erotische Begehren nach Weisheit? Vor allem aber: Wie können wir uns in der Kunst des Denkens schulen?
Im Zeitalter immer leistungsstärkerer Denkmaschinen könnte sich an diesen Fragen nicht weniger als die Zukunft unserer Art entscheiden. Höchste Zeit also, gemeinsam darüber nachzudenken
Andreas Malm: "Wir brauchen militantere Methoden"
Der schwedische Humanökologe Andreas Malm engagiert sich seit Jahrzehnten in der Klimabewegung und findet angesichts der weitgehenden Tatenlosigkeit der Staaten und Institutionen, dass es an der Zeit ist, über militantere Methoden des öffentlichen Drucks nachzudenken.
