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Bild: Mark Hakansson (Unsplash)

Impuls

Männer zuerst impfen?

Niklas Graßl veröffentlicht am 14 Februar 2021 3 min

An COVID-19 erkrankte Männer benötigen annähernd dreimal so häufig eine invasive Beatmung wie Frauen. Sollte das körperliche Geschlecht bei der Verteilung des Impfstoffs demnach eine größere Rolle spielen? Ein Impuls des Assistenzarztes Niklas Graßl.

 

Die Mitteilung der Infektions- und Todeszahlen ist zu einem täglichen Ritual in den Medien geworden. Daher überrascht es, dass die signifikant höhere Mortalität von Männern in der Öffentlichkeit bislang kaum diskutiert wurde. Das Risiko eines tödlichen Verlaufs steigt drastisch mit dem Lebensalter von unter 0,3 Prozent bei den unter 59-Jährigen auf 15,6 Prozent bei den über 90-Jährigen. Ein weiterer leicht zu erfassender Risikofaktor für einen schweren Verlauf ist männliches Geschlecht. Das Risiko an COVID-19 zu versterben, ist für Männer 1,6-fach höher als für Frauen. Über zwei Drittel der Patienten mit COVID-19 auf einer Intensivstation sind Männer.

Das Auseinanderklaffen ist nach derzeitigem Kenntnisstand auf Unterschiede im Immunsystem von Frauen und Männern zurückzuführen und nicht auf Vorerkrankungen. In der Fachliteratur wird daher diskutiert, innerhalb einer Alterskohorte präferentiell Männer zu impfen. Ginge es bei der Zuteilung des Impfstoffs ausschließlich um die Vermeidung von Todesfällen oder schweren Verläufen, ergäbe sich die Priorisierung von Männern innerhalb einer Alterskohorte unmittelbar aus diesen Daten. Haben diese Erwägungen Eingang in das Positionspapier der gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Mitgliedern der Ständigen Impfkommission (STIKO), des Deutschen Ethikrats und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina gefunden? Erkennbar jedenfalls nicht und es stellt sich die Frage, ob dabei politische Erwägungen und nicht medizinische Aspekte ausschlaggebend waren.

 

Alter vor Geschlecht

 

„Ungleiche Gefährdungslage rechtfertigt und erfordert ungleiche Versorgung.“ Aus diesem Grundsatz leitet die gemeinsame Arbeitsgruppe die ethische Grundlage für Priorisierungsentscheidungen ab. Dabei stellt die Verhinderung schwerer COVID-19 Verläufe und Todesfälle das vorrangige Ziel dar. Daraus ergibt sich mit den oben erwähnten Daten, dass Alte zuerst geimpft werden sollten. So weit, so nachvollziehbar. Warum jedoch die schwereren Verläufe unter Männern nicht ebenfalls eine ungleiche Versorgung gebieten, dazu schweigt das Expertengremium.

Es erscheint willkürlich, eine Diskriminierung nach Alter zu empfehlen, eine Diskriminierung nach Geschlecht aber nicht einmal zu diskutieren. Im gemeinsamen Positionspapier der drei Institutionen sucht man die Wörter „Mann“, „Frau“ oder „Geschlecht“ vergeblich. In der aktuellen Empfehlung der STIKO zur COVID-19-Impfung werden dagegen die geschlechtsspezifischen Mortalitätsraten genannt, zu deren Berücksichtigung in den Empfehlungen heißt es jedoch lapidar: „Auch wenn Männer eine gegenüber gleichaltrigen Frauen etwas höhere Hospitalisierungs- und Mortalitätsrate haben, hat die STIKO entschieden, keine geschlechtsspezifische Impfempfehlung zu geben.“ Eine Begründung sucht man vergeblich. 


 

Das Virus schreibt nichts vor

 

Solange der Impfstoff ein knappes Gut ist, liegt seiner Zuteilung eine Gerechtigkeitskonzeption zugrunde. Diese ist politischer Natur und damit unter Rechtfertigungsdruck. Das Wesen des Virus schreibt nicht vor, ob Lehrer vor Polizisten geimpft werden sollten. Das hängt von den Gerechtigkeitsvorstellungen dieser Gesellschaft ab. Der politische Sprengstoff, der in dem Spannungsverhältnis zwischen gleichem Zugang zu Gesundheitsleistungen und der Solidarität mit Hochrisikogruppen steckt, wurde verkannt und die Verteilungsfrage an Wissenschaftler delegiert. Richtig wäre es, die Priorisierungsreihenfolge im politischen Diskurs zu erstreiten. Empfehlungen wissenschaftlicher Gremien ohne nennenswerte Debatte zu übernehmen – nach den Worten von Gesundheitsminister Spahn „zu 99%“ -, erscheint technokratisch, nicht demokratisch.

Es wäre überzogen, von Politikern und Expertengremien zu erwarten, in einer Jahrhundertpandemie auf Anhieb alles richtig zu machen. Die weiterhin knappe Verfügbarkeit des Impfstoffs bietet jedoch die Chance anfängliche Fehler zu korrigieren.

 

Eine Frage der Rollenverteilung

 

Die STIKO sollte ihre nach Alter geschichteten Impfszenarien um das Kriterium Geschlecht erweitern. Ob die vermeidbaren Todesfälle und schwere Verläufe eine Priorisierung von Männern rechtfertigen, sollte jedoch der Bundestag entscheiden. Eine so substantielle Frage für das Gemeinwesen wie die Impfreihenfolge bedarf einer direkten parlamentarischen Legitimation. Der Ethikrat kann die Parlamentarier dazu hinsichtlich der abzuwägenden Werte und Rechtsgüter beraten. Er sollte dabei aber weder wesentliche Erwägungen außen vorlassen, noch zulassen, dass politische Entscheidungsträger sich moralischen Streitfragen mit Verweis auf virale Sachzwänge gar nicht stellen.

Dass die STIKO zu rein wissenschaftlich motivierten Empfehlungen fähig ist, beweist sie mit ihren übrigen Empfehlungen seit vielen Jahren. In anderen medizinethischen Debatten, etwa zur Sterbehilfe, dem Transplantationsgesetz oder der embryonalen Stammzellforschung haben Ethikrat und Bundestag demonstriert, wie eine konstruktive Rollenverteilung gelingt, bei der Argumente ausgetauscht, aber politische Entscheidungen im Parlament getroffen und gerechtfertigt werden. Diese Rollenverteilung wird der moralischen Verantwortung und der Komplexität der Impfreihenfolge gerecht. •

Niklas Graßl ist Assistenzarzt im Fach Neurologie an der Uniklinik Mannheim und studiert Philosophie an der Universität Heidelberg.

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