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Bild: geralt (Pixabay)

Ethik des Impfens

Catherine Malabou: „Wir stehen am Anfang einer biotechnologischen Revolution“

Catherine Malabou veröffentlicht am 11 Dezember 2020 4 min

Die baldige Verfügbarkeit von Covid-19-Impfstoffen wirft moralische Fragen auf: Wer kommt zuerst dran? Bis wohin reicht die körperliche Selbstbestimmung? Ist es auch legitim, sich nicht impfen zu lassen? In unserer Reihe fragen wir Philosophinnen und Philosophen nach ihrer Position. In Folge 3 erläutert Catherine Malabou die Ambivalenz neuartiger RNA-Impfstoffe.

„Für mich ist es eine Pflicht, sich impfen zu lassen. Ich habe letzte Woche meine Mutter durch Covid-19 verloren. Sie war über 80 Jahre alt, aber noch bei guter Gesundheit und ist innerhalb von vier Tagen gestorben. Diese Erfahrung schärfte meinen Blick für das Ausmaß dieser Krankheit und bestärkte mich darin, mich vor ihr schützen zu wollen. Einige Befürchtungen in Bezug auf die Impfstoffe kann ich zwar verstehen, diese hängen jedoch oft mit einem Mangel an Informationen zusammen. Wobei ich zugeben muss, dass mir die Entstehung der vielen Verschwörungstheorien sowie der Grad des Widststands gegen die Impfkampagnen nach wie vor rätselhaft erscheint.

Auf theoretischer Ebene beschäftige ich mich seit langem mit der Bedeutung der Epigenetik, einer Wissenschaft, die seit Mitte der 1990er Jahre immer mehr Aufmerksamkeit erhält. Die Epigenetik untersucht die Mechanismen der Synthese, das heißt die Transkription oder Interpretation von DNA durch RNA innerhalb unserer Zellen. Wir alle haben einen genetischen Code, die DNA, aber von dort ausgehend gibt es sogenannte Transkriptionsmechanismen, also „Umschreibungen“, die uns als einzelne Individuen entstehen lassen, etwa hinsichtlich des Phänotyps. Ein und derselbe DNA-Code enthält also mehrere Möglichkeiten der Übersetzung durch die einzelnen Individuen. Bei diesen epigenetischen Mechanismen gibt es einige, die von äußeren Einflüssen abhängen, also der Umwelt oder der Erziehung, was unter anderem erklärt, warum Zwillinge, die in verschiedenen Familien aufgewachsen sind, sich oft nicht sonderlich ähneln.

 

Am Rande der Evolution

 

Die beiden derzeit verfügbaren Hauptimpfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna verwenden epigenetisch konstruierte Boten-RNA (mRNA). Das heißt: Die Impfstoffe verwenden eine mRNA, die aus genetischen Sequenzen von SARS-Cov2 synthetisiert wurde und, sobald sie in den menschlichen Zellen vorhanden ist, Proteine produziert, die das Immunsystem stimulieren kann, ohne dabei die Krankheit auszulösen. Dies ist das erste Mal in der Geschichte, dass solche Impfstoffe in solch einem Maßstab verwendet werden, da Impfstoffe in der Regel das Virus selbst enthalten, entweder in inaktiver oder toter Form.

Daher besteht nun oft die Befürchtung, diese Impfstoffe könnten einen Einfluss auf unser Genom haben. Doch wenn man sich den Forschungsstand zur Epigenetik anschaut, ist sehr klar, dass in dieser Hinsicht kein Risiko besteht, da RNA die DNA nicht verändert. Die RNA wirkt auf der Oberfläche der DNA, dringt aber nicht in diese ein. Man kann sich das wie bei einer musikalischen Darbietung vorstellen: Es gibt zwar viele Möglichkeiten, eine Partitur zu interpretieren, aber die Interpretation ändert nicht die Partitur selbst.

Wenn es in diesem Zusammenhang eine berechtigte Angst gibt, dann die, dass epigenetische Transformationen übertragbar sind. Dieses Wissen haben wir heute – und es wertet en passant die Theorien Jean-Baptiste Lamarcks gegenüber jenen Charles Darwins auf. Lamarck ging davon aus, dass bestimmte Variationen, die einige wenige Individuen betreffen, an die folgenden Generationen weitergegeben werden können, ohne dass sie dabei die gesamte Art betreffen, sodass es also zu lokalen Transformationen am Rande der Evolution kommen kann. Und wenn wir heute mRNA in den menschlichen Organismus injizieren, sollten wir stets dabei bedenken, dass diese zwar nicht das Genom verändert, aber dennoch einen Einfluss auf die Nachkommen haben kann, ohne dass wir diesen Prozess in Gänze kontrollieren können. Ein weiteres Problem besteht darin, dass mRNA sehr zerbrechlich und instabil ist, sodass sie bei sehr niedrigen Temperaturen gelagert werden muss, was zwangsläufig zu logistischen Schwierigkeiten führen wird.

 

Quell der Begeisterung

 

Auf jeden Fall glaube ich, dass die Impfdebatte momentan nicht rational genug geführt wird. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben nicht genug Mitspracherecht und der Öffentlichkeit wird nicht ausreichend erklärt, was genau geschieht, was wiederum zu Misstrauen und Feindseligkeit führt. Zumal es von erheblicher Bedeutung ist, was mit den nun eingesetzten, neuartigen RNA-Impfstoffen passiert. Denn wir stehen am Anfang einer biotechnologischen Revolution. Durch die Fortschritte in der Epigenetik haben wir Zugang zu außergewöhnlichen medizinischen Möglichkeiten. Die damit verbundene Frage, ob wir diese nutzen sollten oder lieber nicht, steht mit zwei klassischen philosophischen Positionen in Verbindung. Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die glauben, die menschliche Natur ist feststehend, eine vorherbestimmte Gegebenheit, und wir kein Recht haben, diese zu verändern. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die behaupten, dass es eine gewisse Plastizität der biologischen Individualität gibt und wir die darin enthaltenen Möglichkeiten entwickeln müssen. Ich persönlich neige zur zweiten Position, wenngleich ich auch Argumente der anderen Seite verstehe.

Neue Biotechnologien treten mit dem Versprechen an, viele Krebsarten bekämpfen zu können. Und im Fall von Epidemien und Pandemien eröffnet sich ein unglaublich großes Forschungsfeld für neue Impfstoffe. Für mich sind wissenschaftliche Entdeckungen zuallererst ein Quell der Begeisterung. Ich kann nicht verstehen, wenn Menschen in diesem Zusammenhang stets nur die Probleme und Nachteile sehen, ohne über die potentiellen Vorteile nachzudenken. Denn diese Technologien bergen für viele Patienten und deren Familien große Hoffnung. Also: ja oder nein? Eines ist sicher: Ich würde es bevorzugen, lehnten Menschen diese Technologien aus reflektierter Überzeugung, denn aus bloßer Meinung ab.“ •

Aufgezeichnet von Alexandre Lacroix

 
Catherine Malabou lehrt als Professorin für Philosophie an der Kingston University in London. In ihrer Forschungsarbeit beschäftigt sie sich u.a. immer wieder mit den Neurowissenschaften und dem Begriff der Plastitzität. Auf Deutsch erschien von ihr zum Thema „Ontologie des Akzidentiellen – Über die zerstörerische Plastizität des Gehirns“ (Merve, 2011).

 

Lesen Sie auch die Positionen von Markus Gabriel und Philippe Huneman zur Ethik des Impfens

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