Rosa Luxemburg und die Spontaneität
Wie kann eine politische Bewegung dafür sorgen, dass sie ihren Schwung nicht verliert? Diese Frage beschäftigte Rosa Luxemburg zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit Blick auf die Arbeiterbewegung. Ihr Plädoyer für Spontaneität inspiriert das politische Denken bis heute.
Zu den Kernfragen linker Politik gehört das Verhältnis von Partei und Bewegung, Führung und Basis, Rezept und Experiment, Organisation und Spontaneität. In beiden Richtungen lauern Gefahren: Wer zur Beseitigung von Herrschaftsschranken auf herrschaftliche Mittel setzt, dem drohen Dogmatismus und Gemütlichkeit, die keine Veränderung herbeiführen. Wer hingegen die Bahnen der Organisation verlässt, der kann bei Forderungen landen, die schräg sind oder wirkungslos verpuffen, also ebenfalls nichts verändern. Dies ist etwa das Schicksal der Occupy-Bewegung ab 2011, die ohne Führung agierte, Organisation ablehnte und deshalb im Sande verlief. Ähnlich ist es den Gelbwesten ergangen, die zwar halb Frankreich blockierten, also zweifellos eine eindrucksvolle Erscheinung waren, jedoch mit ihrer Weigerung, sich ins Getriebe der herkömmlichen Parteipolitik zu begeben, ihre Kraft nicht in Politik umsetzen konnten. Das könnte auch der Klimabewegung passieren, wenn sie den Anschluss an eine größere Partei verliert. Auf der Gegenseite gibt es Parteien, die gut organisiert sind, aber Bewegungen fürchten wie der Teufel das Weihwasser und dadurch erstarren. Beispiele sind die sozialistischen Regierungen in Venezuela oder China, die eher mit Menschenkontrolle als mit Emanzipation beschäftigt sind. Und auch im Westen hat die Entkopplung linker Parteiführungen von Basis und Bewegung zu „Entlinksung“ und Entfremdung geführt, etwa im progressiven Neoliberalismus von Clinton, Blair und Schröder. Er hat zahlreiche Arbeiter in die Arme des Rechtspopulismus getrieben, der zwar auch nichts ändert, aber einen gewissen Schwung verspricht.
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