„Schwurbelnde“ Intellektuelle?
In letzter Zeit breitete sich ein Wort von Twitter in die Feuilletons der großen Zeitungen aus: „Schwurbeln“. Der Schwurbel-Verdacht beendet jeden Diskurs und hat auch innerhalb der Philosophie eine Tradition.
Als Geschwurbel bezeichnet werden vor allem Äußerungen, die sich zum vorherrschenden Umgang mit der Pandemie und Ungeimpften kritisch verhalten. Als Schwurbler gelten unterschiedslos Verschwörungstheoretiker, Querdenker und oft auch diejenigen, die pauschale Verurteilungen von Ungeimpften problematisieren.
„Schwurbeln“ leitet sich vom mittelhochdeutschen „swerben“ (sich im Kreise drehen) ab und bedeutet dem Duden zufolge „Unsinn reden“. Bemerkenswert ist die plötzliche Häufung des Begriffs, weil sich damit eine Diskursstrategie durchsetzt, mittels der nicht gesagt wird: Was du behauptest, ist falsch (wie es etwa das Wort „Fake News“ tut). Auch nicht: „Was du sagst, verstehe ich leider nicht.“ Vielmehr ist gemeint: „Was du sagst, ist eigentlich sinnlos, du verschleierst das bloß durch intellektuelle und rhetorische Tricks.“ Während die ersten beiden Formen der Kritik einen Austausch von Argumenten zur Folge haben können („Du liegst falsch, weil …“, „Ich meine mit dem Gesagten, dass …“), ist mit dem Schwurbel-Vorwurf jede Diskussion abgebrochen.
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