Unheimliche Umarmung
Das „Hugshirt“ verspricht das Gefühl einer Umarmung, ohne dabei tatsächlich berührt zu werden. Dies mag in Zeiten der Pandemie verführerisch klingen, könnte aber auch eine Urangst in uns befeuern.
Gerade in diesen Zeiten wird die Ambivalenz der Berührung im wahrsten Sinne des Wortes virulent: Einerseits sehnen wir uns nach mehr Körperkontakt, andererseits wird uns die Bedrohlichkeit von Berührungen bewusst. Sie können Grenzen missachten, Verletzungen zufügen – oder auch Krankheiten übertragen. Das Hugshirt des Mode-Unternehmens Circuit scheint die Lösung zu bieten: Über eine App wird zunächst durch Berühren des eigenen Hugshirts eine Umarmung kreiert, die dann einem weit entfernten, geliebten Menschen aufs Handy geschickt werden kann. Nimmt die Person die Umarmung an, werden die Druck- und Wärmeimpulse auf ihr Hugshirt übertragen – garantiert einvernehmlich und keimfrei.
Angst vor Unbekanntem
Doch auch mit dieser Technik haftet der Interaktion ein Rest Unheimlichkeit an. Denn laut dem Schriftsteller und Soziologen Elias Canetti fürchten wir nichts mehr als die Berührung durch Unbekanntes: „Man will sehen, was nach einem greift, man will es erkennen oder zumindest einreihen können.“ Überall weiche der Mensch daher der Berührung durch Undefinierbares aus. Ein T-Shirt, das seinen Träger scheinbar aus dem Nichts heraus umarmt, könnte diese Urangst durchaus befeuern. •