Unterentwickelte Werte
Der mangelnde Distanzierungswille afrikanischer Länder von Russland wird hierzulande gern mit Kopfschütteln begleitet. Was mehr über uns aussagt als über Afrika, meint Nora Bossong.
Im März, als in der UN-Vollversammlung der russische Angriffskrieg per Resolution verurteilt werden sollte, kamen vor allem von afrikanischen Ländern Enthaltungen. Aus europäischer Sicht gab es für diesen zumindest partiellen Schulterschluss mit Russland wenig Verständnis. Wieso fiel es einigen Vertretern so schwer, diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu ächten? Fühlte man sich dem autokratisch geführten Russland auch nach dem Rechtsbruch noch zu verbunden, um ihm eindeutig den Rücken zu kehren?
Dabei sind gerade afrikanische Länder direkte Leidtragende des osteuropäischen Krieges. Der kriegsbedingte Exportstopp von Dünger und Getreide droht insbesondere in Westafrika eine humanitäre Katastrophe auszulösen. Aber anstatt mit dem Westen gemeinsame Sache zu machen und die Seeblockade durch die russische Schwarzmeerflotte anzuprangern, wandte sich Macky Sall, Vorsitzender der Afrikanischen Union, mit seinem Hilfsgesuch direkt an den russischen Präsidenten. Dabei hat es doch die westliche Afrikapolitik immer gut gemeint. Nicht bloß Geld, sondern auch Werte sandte man den südlichen Nachbarn, um mit ihnen Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufzubauen. War all das verlorene Liebesmüh? Fruchten diese Werte bei unseren südlichen Nachbarn einfach nicht?
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