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Bild: Shotshop (Imago)

Impuls

Warum verschicken wir kitschige Postkarten?

Antony Chanthanakone veröffentlicht am 09 August 2022 3 min

Vorne Kitsch, hinten Floskeln. Gerade jetzt verschicken wieder Tausende Menschen Postkarten an die Daheimgebliebenen. Doch warum eigentlich? Harry Frankfurt, Pierre Bourdieu und Jacques Derrida geben Antworten.

 

Kitschige Postkarten verschicken wir aus Freude am „Bullshit“. Das zumindest behauptet der Philosoph Harry Frankfurt in seinem gleichnamigen Bestseller. Darin vertritt er die These, dass unser mit Konfliktthemen überfrachteter Alltag immer wieder so belastend ist, dass wir uns von seiner Last befreien wollen und uns leichten und unbedeutenden Themen zuwenden. Der Inhalt kitschiger Ansichtskarten hat dabei den Charakter dessen, was Frankfurt als „bull session“ beschreibt. In seinen eigenen Worten: „In einer bull session erproben die Teilnehmer oft diverse Gedanken und Einstellungen, weil sie wissen möchten, wie es ist, solche Dinge zu sagen, und weil sie herausfinden möchten, wie andere darauf reagieren, ohne dass sie annehmen müssen, auf das, was sie sagen, festgenagelt zu werden.“

Aus diesem Grund werden teilweise äußerst hässliche, kitschige oder vulgäre Postkarten verschickt, auf denen ausladende Gesäßbacken, überschäumendes Bier, entblößte Brüste, dumme Tiere, lächerliche Grimassen, schmutzige Witze oder majestätische Atomkraftwerke abgedruckt sind. Laut Frankfurt kann sich „[j]eder Teilnehmer einer bull session […] darauf verlassen, dass die anderen Teilnehmer nicht meinen, seine Äußerungen entsprächen voll und ganz seinen Auffassungen oder er halte sie für eindeutig wahr.“ Den Absendern wird „ein Höchstmaß an Offenheit und ein experimentelles oder ungeschütztes Reden über die diskutierten Themen“ ermöglicht und man billigt ihnen „das Recht auf eine gewisse Verantwortungslosigkeit zu, damit sie frei heraus sagen, was ihnen in den Sinn kommt, ohne allzu sehr befürchten zu müssen, beim Wort genommen zu werden.“ Vielen der eklektisch zusammengewürfelten Karten wird so mit einer hohen Toleranz begegnet. Wie lange aber wird wohl noch über jene Motive hinweggeschaut, die einen unverblümten Sexismus zur Schau stellen und die trotzt des vorherrschenden Zeitgeists immer noch nicht ganz aus den Souvenirläden verschwunden sind? 

 

Ironische Urlaubsgrüße ;)

 

Eine andere Erklärung für das Verschicken kitschiger Postkarten hat Pierre Bourdieu. Seiner Meinung nach machen sich die Urlauber durch sie einen Spaß daraus, mit dem zu spielen, was sie für die kulturellen Codes der unteren Gesellschaftsschicht halten. Dieses Spiel drückt einen Ekel vor dem Geschmack der anderen aus, der parodiert und fantasiert wird. Dem französischen Soziologen zufolge sind die sozialen Strukturen und Herrschaftsverhältnisse tatsächlich in unsere Geschmacksurteile und harmlosesten Praktiken eingeflochten. Das Versenden von Kitsch-Postkarten ist nach Bourdieu also eine Form der symbolischen Gewalt, die den unteren Klassen Grobheit und Frauenfeindlichkeit unterstellt und sie so in diesen Zuschreibungen gefangen hält. Es ist, als müsse man auch im Urlaub seine Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe markieren, der man angehört – oder zumindest glaubt anzugehören. 

Allerdings warten viele Postkarten auch mit drolligen Sprüchen auf. Auch sie werden gerne als harmlosere Provokation verschickt. Indem häufig sogar auf einen Umschlag verzichtet wird, wird die persönliche Nachricht auf der Rückseite für jedermann lesbar gelassen. Im Sinne Jacques Derridas stellen diese kitschigen Ansichtskarten deshalb ein besonderes Korrespondenzmedium dar. In Die Postkarte erklärt der Philosoph, ihm gefalle besonders, dass man nicht weiß, welche die Vorder- und welche die Rückseite ist. Auch könne man sich nie sicher sein, welcher Teil der Karte der wichtigere sei: das Bild, der gedruckte Text oder die persönliche Nachricht. Beide Seiten sind dabei voll von überzeichneten Stereotypen. So wie das Motiv auf der Vorderseite mit Klischees spielt und die Ernsthaftigkeit eines versiegelten Briefes unterläuft, ist auch die Nachricht des Absenders zumeist nicht mehr als eine immer wiederkehrende Abfolge von Floskeln. Ob man sie mag oder nicht, die kitschige Postkarte ist ein Augenzwinkern, das an Symbolik reicher ist als man denkt. •

Übersetzt von
Annika Fränken
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