Die „Letzte Generation“ zwischen Ereignis und Inszenierung
Die „Letzte Generation“ ist ein Paradebeispiel für eine Gemeinschaft, die sich durch „Treue zu einem Ereignis“ formiert, wie es Alain Badiou sagen würde. Aber sie drohen, diese Treue durch eine bloße Inszenierung zu verraten.
Neben den Nachrichten von Fluten, Dürren und Wasserrationierungen bestimmt vor allem eines den aktuellen Diskurs: die „Letzte Generation“. Für die einen ist es eine Endzeit-Sekte, für die anderen eine Heiligengemeinschaft. In beiden Fällen wird sie in der Tat gesehen, als was sie mit dem französischen Philosophen Alain Badiou beschrieben werden kann: eine Gemeinde, die sich um die Treue zu einem Ereignis herum organisiert – „Klimakatastrophe“. Mit Badiou sehen wir aber auch: Die „Letzte Generation“ droht, diese Treue durch eine leere Inszenierung zu verraten.
In Das Sein und das Ereignis steht die namensgebende Unterscheidung im Zentrum von Badious Überlegungen. Mit „Sein“ bezeichnet er eine gegebene „Situation“: eine Wissensordnung, einen Staat, einen Freundeskreis. Diese Situationen können aber durch ein „Ereignis“ erschüttert werden. Dabei bricht etwas Neues ein, das die bisherige Ordnung nicht in sich integrieren kann – die Liebe kann so ein Ereignis sein, das einen Freundeskreis zerreißt.
Das Ereignis: Die Jünger und die Pragmatiker
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Kommentare
Wenn die Menschen auf tausend Jahre Leben hoffen könnten, würden sie vielleicht den Klimawandel stärker beachten und dann regulieren. Daher ist es vielleicht rational, wenn die Letzte Generation sich in ihrer Tätigkeit transformiert zu einer Forschungsgruppe "Langes Leben".
In meiner Vorstellung geht das mit schadlosem Einfrieren wie bei jenem Frosch, der einfriert und dann im Frühjahr wieder auftaut und weiterlebt. Biochemisch schwierig, aber es reicht vielleicht vorerst, das mit dem schadlosen Einfrieren hinzukriegen, das Wiederbeleben und dann lange weiter leben wäre dann Sache zukünftiger Forschung.
Ich danke für den Artikel und die Möglichkeit, zu kommentieren.
Antwort auf Wenn die Menschen auf… von armin.schmidt
Was bringt es dir lange gefroren zu existieren, wenn die Welt immer lebensfeindlicher wird? Wir sind die letzte Generation des Wachstums und die erste Generation des Untergangs, wir können den Untergang aber vielleicht verhindern, vielleicht verlangsamen, vielleicht ist es auch schon zu spät. Besser als jetzt wirds nicht!