Wie viel Differenz verträgt die Freundschaft?
Die meisten Freunde ringen und streiten gelegentlich miteinander. Doch wie viel Konfrontation hält eine Freundschaft aus? Welche Unterschiede sind bereichernd und ab wann wird es zu viel? Prominente Personen aus Politik, Literatur und Gesellschaft schildern ihre Sicht.
Deniz Yücel, Journalist und Publizist
Wenn man, wie ich, in der Linken aufgewachsen ist, kennt man das Problem zur Genüge, dass ein Freund andere Ansichten vertritt als man selbst – auch wenn sich die schier unüberbrückbaren Differenzen bei Lichte betrachtet als Nuancen erweisen. Oder man teilt dieselben Überzeugungen, ist aber in irgendeiner aktuellen Frage anderer Meinung, was man dann bis aufs Blut ausdiskutiert. So kann man sich mit jakobinischem Habitus durchs Leben zanken und eine Freundschaft nach der anderen zum Schafott schicken. Oder man gelangt irgendwann zu der – im ersten Moment durchaus überraschenden – Erkenntnis, dass weder die Lösung des Nahostkonflikts noch der Klimakrise oder eines anderen Menschheitsproblems vom Ausgang dieser Kneipendiskussion abhängig ist. Eine Einsicht, die auch politisch übergreifende Freundschaften erleichtert. Und noch etwas lernt man mit dem Alter: Wer sich heute über diese Frage heillos zerstreitet, kann morgen bei jener Frage schon wieder innig vereint sein.
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Kommentare
Vielen Dank für die schönen Texte!